13. Vannacht

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Cyan knöpfte seinen cremefarbenen Herrenrock zu und betrachtete sich im Spiegel

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Cyan knöpfte seinen cremefarbenen Herrenrock zu und betrachtete sich im Spiegel. Seine eigene Gestalt war ihm fremd. Nicht nur wegen der neuen Frisur oder der langen Narbe an seiner Schläfe. Nein, wenn er ganz ehrlich war, hatte er sich noch nie selbst im Spiegel erkennen können. Sein ganzes Leben war er immer wieder mit zwei Aussagen über sein Äußeres konfrontiert worden. Erstens, er ähnele seiner verstorbenen Mutter. Zweitens, er und sein Vater hätten nichts gemeinsam. Beides hatte ihn verletzt, verletzte ihn noch, auch wenn es vermutlich der Wahrheit entsprach.

Zögerlich fuhr er sich durch die zurückgekämmten Haare, die nach dem Kürzen gerade noch seine Ohren bedeckten. War da wirklich gar nichts von seinem Vater? Von wem sonst hätte er die hochgewachsene Statur, die breiten Schultern und die dunklen Haare haben können? Er begegnete seinem eigenen verunsicherten Blick. Die rotbraunen Augen ähnelte denen seiner Mutter. Jedenfalls sagten das alle. Er selbst erinnerte sich nicht gut genug an Aureola, um das beurteilen zu können. Das hieß, er erinnerte sich schon. Allerdings nicht an unbedeutende Details, sondern an ihre Essenz. An den Kern ihres Wesens. Daran, wie er sich in ihrer Nähe gefühlt hatte. Wie sicher und geborgen, geliebt und wertgeschätzt. Seit ihrem Tod hatte er das Gefühl, diesen Empfindungen nachzulaufen, ohne sie jemals wieder erreichen zu können. Schon gar nicht bei seinem Vater, der in ihm nur Unzulänglichkeiten zu sehen schien.

Sein Spiegelbild wurde unscharf. Er senkte den Kopf und rückte den Knoten seiner Halsbinde zurecht.

»Cyan?«

Langsam wandte er den Kopf. Er erwartete, Anchois oder Omul zu sehen, doch es war Iris Dan de Lion, die in der Tür stand. Sie trug ein dem Anlass angemessenes elfenbeinfarbenes Spitzenkleid mit weiten Ärmeln und hohem Kragen. Das Kleid war mit Perlen und kleinen Muscheln bestickt. Ein Blumenornament aus Silberfäden verzierte ihre Taille und setzte sich auf ihrem Überrock fort. Ihre Hände steckten in weißen Samthandschuhen und ihre blonden Locken wurden von einem zarten Schleier verdeckt. Es war schon beachtlich, wie mühelos es ihr gelang, auch unter derart traurigen Umständen stilsicher aufzutreten. Nur ihren blassen Augen war eine Spur von Unsicherheit und Verletzlichkeit anzumerken. Aber auch diese Gefühle waren dem Anlass wohl mehr als angemessen.

»Wir müssen jetzt aufbrechen«, sagte sie, als wäre sie seine Gouvernante.

Der Gedanke brachte ihn unwillkürlich zum Schmunzeln. Er wusste, dass die Angestellten des Anwesens beschlossen hatten, ein Auge auf ihn zu haben. Vermutlich, damit er nicht wieder etwas anstellte und aus kindlichem Trotz einen Myrkuren auf seine Familie hetzte. Doch was das anging, bestand keine Gefahr. Ganz im Gegenteil. Er hätte sein Leben gegeben, um die Sache mit seinem Vater aus der Welt schaffen zu können. Doch er wusste auch, dass er in Ryba gebraucht wurde und die Stadt nicht so einfach verlassen konnte, um Jagd auf Dan de Nowy zu machen.

Nachdem er vor zwei Wochen den Anschlag auf seine Familie und ihre damit zusammenhängenden Ermittlungen öffentlich gemacht hatte, war er irgendwie zum Gesicht der Katastrophe, aber auch zum Symbol des Widerstands geworden. Die Zeitungen in Materra machten den König der Wodlande zum Sündenbock für die Myrkurenangriffe, der Rybaler Stadtanzeiger hatte sich auf Kanto Dan de Nowy eingeschossen. Die Indizien waren nicht von der Hand zu weisen: Aciarische Attentäter, die sich mit den Karpis zusammengetan, königliche Boten empfangen und auf dem königlichen Flaggschiff Zuflucht gesucht hatten. Myrkuren am Himmel über der Stadt und auf den Gemälden im Innern der Magier-Gilde. Mehrere sukzessive Anschläge auf die Forelli-Familie. Ausgeführt von Novomagica-Kreaturen und menschlichen Attentätern, die ganz offensichtlich mit dem Königshaus in Verbindung standen.

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt