63. Regeln für Meuchelmörder

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Am frühen Morgen ließ Cyan das Nordentor von Myr Ryba hinter sich

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Am frühen Morgen ließ Cyan das Nordentor von Myr Ryba hinter sich. An der Hand führte er ein Schimmel, das seine Magier-Utensilien schleppte. Die Straße nach Norden war überfüllt. Flüchtlinge kamen zu Hunderten nach Myr Ryba, zu Fuß, auf Pferden und in Planwagen. Hauptsächlich Frauen und Kinder. Alle in einem miserablen Gesundheitszustand, erschöpft und verängstigt. Cyan musste nicht raten, um zu wissen, was ihnen eine solche Furcht eingejagt hatte. Eigentlich hätte er es schon lange ahnen müssen. Was hätte aus dem Beschwören von Ungeheuern aus dem Totenreich auch Gutes erwachsen sollen?

Um kein Aufsehen zu erregen, hatte sich Cyan einen von Zanders alten Kutschermänteln übergeworfen und sich einen breitkrempigen Hirtenhut aus Filz mit hohem, spitz zulaufendem Kopf und einer buschigen Kapitänstaucherfeder aufgesetzt. Auf diese Weise wollte er als einfacher Reisender durchgehen. Trotzdem konnte er die neugierigen Blicke der Menschen auf sich verweilen spüren. Vermutlich fragten sie sich, wieso er als einziger in nördliche Richtung unterwegs war. Oder was es mit dem Magier-Stock auf sich hatte, der am Sattel seines Reittiers befestigt war. Um den Blicken und Gedanken der Menschen kein leichtes Ziel zu bieten, eilte er zügig voran.

Während er nach Norden wanderte, brachen die ersten Sonnenstrahlen durch das Unterholz und brachten das feuchte Gras und die taubenetzten Zweige der Meereskiefern am Wegesrand zum Funkeln. Die Luft war kühl und von einem säuerlich-erdigen Geruch erfüllt. Es hätte ein schöner Herbstmorgen sein können, doch das Leid der Geflohenen und die Gefährlichkeit seines eigenen Vorhabens trübten Cyans Stimmung und damit auch sein Bild der Umgebung. In seinen Augen schien alles von einem zähen Schleier der Hoffnungslosigkeit bedeckt zu sein, beinahe wie ein allgegenwärtiger Trauerflor.

Zunehmend bedrückt folgte er der schlammigen Straße bis zum Rand des Torfmoors. Dort gabelte sich der Weg und führte in einem weiten Bogen um das Sumpfland herum. Jeder Ortsansässige wusste, dass es der eigenen Gesundheit zuträglicher war, diesen Ort zu meiden, doch die Flüchtlinge marschierten einfach auf direktem Wege hindurch. Und das scheinbar unversehrt. Offenbar meinte es das Schicksal wenigstens auf den letzten Metern ihrer Reise gut mit ihnen.

Cyan wollte sein Glück jedoch nicht überstrapazieren und wandte sich nach Osten, wo er schon bald die Straße verließ und tiefer in den Wald eintauchte. Hohe Kleeulmen, die ihr rostbraunes Herbstgewand zur Schau stellten, bildeten ein fast durchgängiges Blätterdach, das im Schein der frühen Morgensonne ein mosaikartiges Muster auf den Waldboden warf. Torffinken raschelten im Unterholz und in der Ferne vernahm er das unablässige Hämmern eines Silberspechts. Die Gegend wirkte friedlich, aber Cyan war sich der verschiedenen Gefahren bewusst, die im Unterholz auf ihn lauern konnten. Gauner, die der Gerichtsbarkeit Myr Rybas entflohen waren. Wegelagerer vom Modderhauven. Bären, Wildschweine und natürlich Myrkuren.

Bei der Vorstellung, er könnte hier draußen von Banditen überrascht werden, fasste Cyan ganz instinktiv nach seinem Magier-Stock und löste ihn aus der Schlaufe am Pferdesattel. Vor seiner Abreise hatte er der Gilde einen Besuch abgestattet und sich mit allerlei magischen Hilfsmitteln eingedeckt. Darunter auch ein neuer Magier-Stock mit einem kräftigen, in Gelbgold eingefassten Rosenquarz am oberen Ende. Zwanziger hatte ihm versichert, dieser Stock könne zehn Mal mehr Magie aufnehmen als die herkömmliche Variante, aber möglicherweise war dieses Versprechen nur die Prahlerei eines ehrlosen Kaufmanns.

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt