30. Brüder

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Cyan schob die Tür zu den Privaträumen des Notars auf

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Cyan schob die Tür zu den Privaträumen des Notars auf. Genau wie die Räume im Erdgeschoss waren die Zimmer im ersten Stock gegen unbefugtes Eindringen gesichert. Schwer gesichert. Mit Schlössern und Novomagica. Vermutlich ließ sich Marlin diese Sicherheit eine ganze Menge kosten. Warum er diese Summe nicht einfach darauf verwendete, sich eine Residenz in einer angeseheneren Gegend zu kaufen, war Cyan schleierhaft. Vielleicht mochte er die malerische Umgebung und die Nähe zum Wasser. Die meisten Gusaren - zumindest die reinblütigen - konnten nicht lange fern des Ozeans überdauern. Sie wurden schwächer, müde, manchmal regelrecht lethargisch. Cyan konnte nur hoffen, dass Zander und Tuna dieses Schicksal erspart blieb. Er erlaubte sich jedoch nicht, bei diesem trübsinnigen Gedanken zu verweilen. 

Langsam wanderte er durch das Schlafzimmer, das von einer einzelnen Petroleumlampe erhellt wurde. Das Fenster zum Kanal stand ein Stück offen, sodass der leicht modrige Duft verrottender Holzbauten hereindrang. Der feine Novomagica-Vorhang, der das Fenster abdichtete und nur von innen sichtbar war, ließ ausschließlich Geräusche und Gerüche passieren. Cyan hatte in der Avis Magica gelesen, dass die Magier-Gilde von Ryba für diese Form der Zauberei berühmt war. Vermutlich hatte Gwydion Dan de Potas auf der anderen Seite des Schleiers einen Myrkuren aufgetrieben, der sich mit Schutzzaubern auskannte. Leider wurden nur Mitglieder der Gilde in die genauen Details der gängigen Rituale und Beschwörungen eingeweiht. Dabei hätte Cyan zu gern gewusst, wie er das Anwesen seiner Familie sicherer machen konnte. 

Erneut musste er die störenden Gedanken verdrängen, um sich seiner momentanen Aufgabe widmen zu können. Die Schatulle, die Marlin erwähnt hatte, musste sich unter seinem Bett befinden. Ein klassisches Versteck. Fast war Cyan enttäuscht, als er sie tatsächlich dort fand. Es handelte sich um eine hübsch verzierte Lackkiste mit Maserungen aus Elfenbein, das von den Narwalen vor der Küste gewonnen wurde und sehr selten und teuer war. Darin bewahrte Marlin nach eigener Aussage seine wertvollsten Schätze auf. Passend, fand Cyan. Aber auch etwas langweilig. 

Er bückte sich, um einen genaueren Blick auf die Kiste werfen zu können. Aus der Nähe konnte er die Novomagica spüren, die sich unter dem Lack verbarg. Ein weiterer Schutzzauber. Cyan dachte an das letzte Mal, als er versucht hatte, einen Zauber zu brechen. Das Resultat hatte seinen Vater dauerhaft außer Gefecht gesetzt. Zugegeben, das war immer noch besser, als seinen Tod betrauern zu müssen, aber es erfüllte ihn auch nicht gerade mit Zuversicht. Dummerweise war das Verfahren, das er und Sheitani damals angewandt hatten, sehr aufwendig. Es bestand also nicht die Möglichkeit, das er sein aktuelles Problem auf ähnliche Weise lösen konnte. Er musste sich etwas einfallen lassen. 

Die meisten Novomagica-Zauber reagierten auf menschliche Nähe und Berührungen. Das bedeutete, der Schutzzauber würde aktiviert, sobald er das Kästchen anfasste. Einem gewöhnlichen Dieb konnte dieser Fehler nur allzu leicht unterlaufen, doch Cyan musste die Kiste nicht anfassen, um sie zu öffnen. Er richtete sich wieder auf, trat einen Schritt zurück und umfasste seinen Magier-Stab mit beiden Händen. Sheitani hatte ihm die Fähigkeit verliehen, Objekte zu bewegen. Das war sogar eine seiner Spezialitäten. Um sich vor Nebenwirkungen zu schützen, kanalisierte er die Magie des Myrkuren in seinen Stock, was den Kristall an der Spitze hellgrün auflodern ließ. Auf diese Weise musste er keine vorübergehenden Taubheitsgefühle, Muskelzuckungen oder Bewusstseinstrübungen befürchten, wie sie beim Verwenden von Novomagica auftreten konnten. Der Quarz an der Spitze seines Stabs war reiner Bergkristall. Nichts Besonderes, aber effektiv. 

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt