72. Leben und Tod

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Der Sand fühlte sich kalt an und knirschte unter Iris' nackten Füßen wie neu gefallener Schnee

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Der Sand fühlte sich kalt an und knirschte unter Iris' nackten Füßen wie neu gefallener Schnee. Was war mit ihren Schuhen passiert?

Iris senkte den Blick und stellte fest, dass sie ein anderes Kleid trug als noch vor ein paar Minuten. Dasselbe, das sie schon bei ihrem letzten Besuch an diesem Ort getragen hatte. Es war dunkelrot, extravagant, zart und verführerisch zugleich. Unter normalen Umständen wäre es ihr unangenehm gewesen, derart aufreizend gekleidet zu sein, aber an einem Ort, der nur für sie und Zander zu existieren schien, spielte das keine Rolle.

Die Wellen rollten über den flachen Strand, bildeten kleine, weiße Schlangennester und zogen sich dann wieder zurück. Ihr rhythmisches Rauschen war das einzige Geräusch, das die geheime Bucht erfüllte. Iris war alleine. Von Zander fehlte jede Spur.

Langsam tappte sie zum Ufer hinunter, hielt schließlich inne und ließ sich in den Sand sinken, sodass ihre Zehenspitzen vom Wasser umspült wurden.

Vermutlich würde Zander bald auftauchen. Es war nur eine Frage der Zeit. Doch warum war sie dann so unruhig? Und wieso hatte sie das Gefühl, irgendetwas würde nicht stimmen? Lag es nur daran, dass sie dieses Mal bewusst an diesen Ort gekommen war?

Iris ließ den Blick schweifen. Die Felsenriffe gaben der Bucht einen dunklen Rahmen. Dahinter konnte sie den schwarzen Ozean erahnen, der mit dem Nachthimmel zu verschmelzen schien. Blasse, grüne Lichtreflexionen tanzten über die Wasseroberfläche wie die flüchtigen Schatten neugieriger Meernixen. Und am Himmel ...

Sie legte den Kopf in den Nacken und erstarrte.

Am Himmel ereignete sich das erstaunlichste Schauspiel, das sie jemals gesehen hatte. Direkt über ihr befand sich Myr Paluda, doch die Stadt stand auf dem Kopf. Der Winterberg wuchs von oben herab wie ein besonders kunstfertiger Kristalllüster – mit dem Glaspalast als krönendem Abschluss. Grüne Novomagica-Schleier umwaberten die Häuser und wanden sich durch die Straßen und Gassen der Stadt wie Flüsse aus Absinth. Dabei bildeten sie ein verschlungenes Geflecht aus ineinander verwobenen Strömungen und Strudeln.

Iris ließ sich zurücksinken bis sie rücklings im Sand lag. Aus dieser Position konnte sie das Schauspiel in seiner ganzen Pracht genießen. Die Novomagica schien Myr Paluda vollkommen vereinnahmt zu haben. Als wäre die Stadt ein gewaltiges Monstrum, durch dessen Adern grünes Blut pumpte. Für eine Weile beobachtete Iris voller Faszination, wie sich die smaragdfarbenen Gefäße ausdehnten und wieder zusammenzogen, im Einklang mit dem Rauschen der Wellen, dann wurde ihr bewusst, was sie da eigentlich sah. Das Adergeflecht bildete ein Muster. Einen Kreis mit unzähligen Linien und Schnörkeln, fast wie Buchstaben, fast wie ein Siegel oder ein Bannkreis.

Mit einem Ruck setzte Iris sich auf. Die Novomagica-Schwaden waberten, doch das Bild blieb gleich. Über ihr am Himmel befand sich ein Siegel. Myr Paluda war zu einem riesigen Bannkreis geworden. Doch was wurde dort heraufbeschworen?

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt