»Du denkst, du kannst mit Ratten sprechen?«
Iris wand sich wie ein Regenwurm, der mit einer Gabel aufgespießt wurde. Wenn man es so formulierte, klang es tatsächlich ziemlich seltsam. Regelrecht verrückt. »In meinen Adern fließt altes Blut«, rechtfertigte sie sich. »Und meine Großmutter konnte mit Tieren sprechen.«
Tuna rieb sich die Stirn. »Ihr müsst ja eine tolle Familie sein.«
»Sind wir auch«, erwiderte Iris.
»Noch irgendwelche verborgenen Talente?«, fragte Tuna spöttisch. »Vielleicht auch was Nützliches?«
Iris warf ihr einen bösen Blick zu. Dann krabbelte sie zum Rand ihres Gefängnisses und hielt auf der anderen Seite der Eisenstangen nach Ratten Ausschau.
»Ach komm schon«, ächzte Tuna. »Lass das doch.«
»D'ja valou vocalein«, flüsterte Iris, ohne auf ihren Protest zu achten.
Doch die Ratten hörten nicht auf ihren leisen Ruf. Vielleicht musste sie deutlicher werden.
»D'ja valou vocalein, surisarot«, sagte sie lauter.
Hinter sich konnte sie Tuna leise lachen hören. Von außen betrachtet, musste ihr Tun wirklich reichlich lächerlich erscheinen, doch das war Iris egal. Vor einigen Monaten hätte sie sich davon vielleicht abschrecken lassen, weil es ihr damals noch etwas bedeutet hatte, was andere Menschen über sie dachten. Bevor sie nach Myr Ryba gekommen und ihr Herz an Zander und die Familie Forelli verloren hatte. Jetzt war alles anders. Sie hatte sich verändert. Und sie würde sich so lange verändern, bis sie stark genug war, um ihre Gefühle und ihre Magie zu beherrschen. Entschlossen setzte sie zu einem weiteren Versuch an, die Ratten aus ihren Verstecken zu locken, da ertönte vom anderen Ende des langen Felsenkorridors ein lautes Klirren und Rasseln.
Sofort war Tuna auf den Beinen und kauerte sich neben sie. »Es kommt jemand.«
»Was denkst du, haben sie vor?«
»Streng deinen Verstand an«, erwiderte Tuna. »Versetz dich in deinen Gegner hinein. Wie bei einem Duell.«
Iris sank auf den Hintern und verschränkte die zittrigen Finger ineinander. Die Furcht breitete ihren kalten, kribbelnden Mantel über ihr aus. »Ich kann gerade nicht denken.«
»Dieser Marron will etwas von dir«, sagte Tuna. »Und jetzt wird er denken, dass er ein Druckmittel hat.«
»Was?«, hauchte Iris. »Er will dir wehtun, um mich zur Kooperation zu zwingen?«
»Ja, weil er denkt, dass wir befreundet sind.«
»Aber...« Iris konnte ihr Entsetzen nicht verbergen. »Aber das sind wird doch auch.«
Für einen kurzen Augenblick bröckelte Tunas beherrschte Fassade und sie wirkte ehrlich überrascht. Doch gerade als sie zu einer Erwiderung ansetzte, meldete sich Knieper zu Wort. »Waldmädchen«, rief er. »Waldmädchen. Wir kommen, um dich zu holen.«
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Die Forelli-Dynastie: Göttlicher Zorn
FantasíaNach den dramatischen Ereignissen des letzten Buchs gehen die junge Landadelige Iris Dan de Lion und der Unterhändler Zander Arryba getrennte Wege. Während es Zander und Salmon auf der Jagd nach dem Hofmagier Kanto Dan de Nowy ins verschneite Myr Pa...