10. Donnerwetter

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Zander rannte die Straße hinunter

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Zander rannte die Straße hinunter. Der allgegenwärtige Vogelmist verursachte ein schmatzendes Geräusch unter den Sohlen seiner Lederstiefel. Panische Menschen kamen ihm entgegen. Dabei hielten sie fest, was ihnen wichtig war und gerade greifbar gewesen zu sein schien: ihre Kinder, Bücher, Körbe mit Essen und sogar lebende Hühner. Das Kreischen des Myrkuren hallte noch immer durch die Gassen der Stadt. Selvas Bewohner und ihre alten Holzhäuser mussten für eine blutdurstige Kreatur mit brennenden Flügeln das perfekte Ziel darstellen. Fast wunderte es Zander, dass die Stadt noch nicht in Flammen stand.

Als er schließlich um die Ecke einer Schneiderei bog und einen kuriosen Platz mit einer drei Meter hohen Metallkonstruktion im Zentrum erreichte, verstand Zander auch, wieso. Der Myrkur, der auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses gelandet war, besaß keine brennenden Flügel. Stattdessen hatte er ein außerordentlich prächtiges, silbrig schimmerndes Schuppenkleid, das die herbstlich eingefärbte Blätterpracht am Himmel reflektierte. Er schien es auch nicht auf Zander oder Salmon abgesehen zu haben, sondern auf die Bewohner des besagten Hauses. Kreischend und fauchend kletterte er über das Dach und suchte nach einem Weg ins Innere. 

Das war jedoch gar nicht so leicht, denn das Gebäude bestand im Gegensatz zu den umliegenden Häusern aus massivem schwarzen Pechstein. Es handelte sich um einen monumentalen Bau, der es mit jeder noch so prächtigen Magier-Gilde aufnehmen konnte und dabei so abschreckend und bedrohlich aussah, als hätte ein wahnsinniger Baumeister einen bizarren Albtraum in eine Realität aus Stein und Glas gegossen. Die runden Buntglasfenster und die meterhohen, von Spitzbögen gekrönten und von Maßwerk geschmückten Mauern verliehen dem Gebäude etwas Erhabenes, das Zander aus Myr Ryba nicht kannte. Im ersten Moment fragte er sich wahrhaftig, ob er es mit einer Festung oder einem Tempel zu Ehren eines ihm unbekannten Gottes zu tun hatte, dann fiel sein Blick auf das Wappen über dem Eingangsportal. 

Die Elektriker-Gilde. Er hatte ja schon davon gehört, welche Bedeutung die Gilde in Selva hatte. Und der düstere Monumentalbau unterstrich diesen Anspruch auf höchst eindrucksvolle Weise.

Vor dem Eingangsportal hatten sich einige Stadtwächter in erdfarbenen Leibröcken versammelt. Sie hielten ihre Degen und Hellebarden fest umklammert, schienen aber nicht recht zu wissen, was sie gegen den Myrkur unternehmen sollten. Die Kreatur kletterte derweil über die Dachkante, klammerte sich mit ihren Klauen an die spitzen Türmchen des Strebewerks und zerschlug mit ihren Krallen eines der großen Rundbogenfenster. Buntes Glas regnete auf die Stadtwächter hinunter, die ihre Arme hochrissen und sich zu schützen versuchten. Mit einem weiteren lauten Kreischen verschwand die Kreatur im Innern der Gilde.

Zander reagierte auf die einzige Weise, die er kannte, zog seinen Säbel und überquerte den Platz. Am Eingangsportal der Gilde angekommen, kamen ihm einige Gildenmitglieder entgegen, die an ihren gelben Leibröcken, den dunklen Baumweinschürzen und Handschuhen gut zu erkennen waren. Sie wirkten verwirrt und beunruhigt, aber nicht vollkommen von Furcht überwältigt. Mit Handzeichen gaben sie Zander zu verstehen, dass sich der Myrkur im oberen Stockwerk befand. Vielleicht hielten sie ihn für einen Soldaten, auch wenn schon allein der Gedanke lächerlich war. Zander war kein Gesetzeshüter, aber ein Mann, der noch eine Rechnung mit einem Myrkuren offen hatte und noch dazu vielleicht der einzige Mensch in ganz Selva, der wusste, mit was für einer Kreatur sie es zu tun hatten. 

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt