35. Fräulein in Not

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Anders als beim letzten Mal, erwachte Iris aus ihrer Ohnmacht mit einem erstickten Schrei

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Anders als beim letzten Mal, erwachte Iris aus ihrer Ohnmacht mit einem erstickten Schrei. Kein Angstschrei, sondern ein Ausdruck von Wut und Entschlossenheit. Sie bäumte sich auf, bereit, es mit dem Rothaarigen und allen seinen Schergen aufzunehmen, doch als sie die Augen öffnete, war sie alleine. 

Noch etwas benommen von Schlaf und Zorn blickte sie sich um. Zuerst sah es so aus, als würde sie sich in einer natürlichen Höhle befinden, doch dann realisierte sie, dass die Wände aus grob bearbeitetem Stein bestanden. Vermutlich war die Ausbuchtung mit einfachen Werkzeugen aus dem grauschwarzen Felsen geschlagen worden. Im nächsten Moment fielen Iris die Eisenstäbe auf, die den Ausgang der Höhle versperrten. Langsam sickerte eine schwerwiegende Erkenntnis in ihr Bewusstsein: Sie war gefangen. Mit dieser Einsicht kehrten ihre Erinnerungen an die Zeit vor ihrer Ohnmacht zurück. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war ihr unfreiwilliges Bad im unterirdischen See. Danach wusste sie nur noch, dass sie Zander begegnet war. In einem Traum oder einer Vision. Oder wie auch immer man es nennen wollte.

Vorsichtig, weil sie sich vor dem fürchtete, was sie sehen würde, blickte Iris an sich herab. Erleichtert stellte sie fest, dass sie vollständig bekleidet war. Sie trug noch immer ihr fliederfarbenes Reisekleid und die weiten Reithosen, mit denen sie aus Wida aufgebrochen war. Marron und seine Männer hatten sie ganz offensichtlich nicht angerührt. Wenigstens das war ihr – zumindest bis jetzt – erspart geblieben.

Zögerlich suchte Iris ihren Körper nach neuen Blessuren ab. Dabei musste sie feststellen, dass die Wunde an ihrer Wade verbunden worden war. Und das sogar halbwegs sachgemäß. Anscheinend hatten die Männer irgendetwas mit ihr vor, das körperliche Unversehrtheit voraussetzte. Im besten Fall planten sie, ein Lösegeld zu erpressen. Das hätte ihr zumindest vorläufig das Überleben garantiert, doch Iris war nicht besonders optimistisch. Zumal sie lieber gestorben wäre, als dem Rothaarigen nochmal unter die Augen zu treten. Doch es muss sein, sagte sie sich. Sie würde ihrem schlimmsten Albtraum mindestens noch ein weiteres Mal gegenüber stehen – und zwar, um ihm ins Gesicht zu sehen, bevor sie ihn tötete.

»Oh, sieh an«, ertönte eine Stimme auf der anderen Seite der Gitterstäbe. »Die Prinzessin ist wach.«

Ein Mann näherte sich im Schein der Fackeln, die in regelmäßigen Abständen an den Steinwänden befestigt waren. Er schien zu Marrons Bande zu gehören. Jedenfalls war er wie ein Bandit gekleidet: Lederrock, breiter Gürtel, Schwert, Parierdolch, weite Stiefel. Ein herablassendes Lächeln zierte sein vernarbtes Gesicht. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen«, meinte er spöttisch.

»Wie lange habe ich geschlafen?«, wollte Iris wissen und erschrak darüber, wie schwach und kratzig ihre eigene Stimme klang.

»Fast einen ganzen Tag lang«, erwiderte ihr Gegenüber. »Wir wollten dich schon wecken, aber Herr Marron war der Meinung, du müsstest erst wieder zu Kräften kommen.«

»Zu Kräften kommen?«, wiederholte Iris mit einem mulmigen Gefühl im Magen. »Wofür?«

Der Bandit umfasste die Gitterstäbe mit den Händen und lehnte die Stirn dagegen. Seine Augen bekamen einen hungrigen Glanz. »Das haben wir uns auch schon gefragt. Und weißt du, zu welchem Schluss wir gekommen sind?«

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt