65. Oben am Fluss

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Iris lag auf dem Oberdeck der Findling und blickte in den azurblauen Himmel, der über ihnen vorbeizog

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Iris lag auf dem Oberdeck der Findling und blickte in den azurblauen Himmel, der über ihnen vorbeizog. Weiße Schäfchenwolken tünchten die unendlich scheinende Weite als wären sie von einem begabten Künstler mit einem weichen Schwamm aufgetupft worden. Doch Iris nahm die Schönheit kaum wahr. In Gedanken war sie bei Zander. Sie wusste, dass ihre anderen Fähigkeiten im Moment Priorität hatten, aber tief im Innern wünschte sie sich nur, ihn noch einmal willentlich heraufbeschwören zu können. Ihre letzte Begegnung war zu kurz gewesen. Viel zu kurz. Und sie musste wissen, ob es ihm gut ging. Ob er ihre Familie gesehen hatte. Sie wollte ihm von ihren Erlebnissen erzählen. Von ihren Gedanken und Gefühlen. Trotz ihrer langen Trennung hatte sie den Eindruck, er wäre der Einzige, dem sie sich anvertrauen konnte. Oder vielmehr: Der Einzige, dem sie sich wirklich anvertrauen wollte. Als wäre seine Aufmerksamkeit eine warme Decke, unter der sie Schutz suchen und sich verkriechen konnte.

»Hey, Püppchen.«

Etwas Weiches traf Iris am Kopf. Sie setzte sich auf und entdeckte, dass Tuna ein Tuch nach ihr geworfen hatte. Bei näherer Betrachtung entpuppte es sich als ein hübsches, cremefarbenes Kleid aus glänzendem Satin mit weißer Spitze, Rüschen und aufgenähten Seidenrosen.

»Woher hast du das?«

Tuna setzte sich zu Iris und warf die feuchten Locken zurück. Sie war eine Weile neben dem Dampfschiff hergeschwommen, das sich derzeit nur langsam stromaufwärts bewegte. »Aus den Lagerräumen unter Deck.« Sie lächelte. »Du wirst es nicht glauben, aber dieser Kahn hat einen ganzen Haufen Ballkleider geladen.«

»Wirklich?« Iris befühlte den rauen Satinstoff und betrachtete die gut verarbeiteten Nähte.

»Was ist?«, fragte Tuna und warf Iris einen irritierten Blick zu. »Normalerweise würdest du doch ausflippen.«

»Ja, ich ... ich weiß auch nicht.« Iris ließ das Kleid sinken. Tuna hatte Recht. Unter normalen Umständen hätte ihr der Gedanke an ein ganzes Schiff voller Ballkleider vermutlich nächtelang den Schlaf geraubt, aber nach allem, was in letzter Zeit geschehen war, kam ihr das albern vor. Was sie wirklich brauchte, war eine Waffe. Oder Zugang zu ihren Kräften. Mit einer Schiffsladung Ballkleider würde sie ihre Familie jedenfalls nicht retten können.

»Schon in Ordnung. Ich wollte dich nur aufheitern«, sagte Tuna.

Iris lächelte. »Danke. Ich weiß das zu schätzen. Wirklich.« Ihr Blick wanderte auf den Fluss hinaus. Träge strömte das dunkelgraue Wasser dahin. Die zwei dampfbetriebenen Wasserräder der Findling schaufelten munter dagegen an. Ab und zu stieß der Schlot, der aus dem Hauptdeck herausragte, eine schwarze Rauchwolke aus.

»Wo sind wir?«, wollte Tuna wissen. Im Sonnenlicht glänzte ihre dunkle Haut wie reines Kupfer.

Iris rutschte in den Schatten des gestreiften Sonnendachs und schlang die Arme um die Knie. »Ein ganzes Stück nördlich von Trandafir. Hier gibt es keine größeren Städte. Nur kleine Siedlungen und Burgen entlang des Riu Ida, die von Zollgrafen regiert werden.« Sie lachte kurz und unecht. »Wenn die wüssten, dass laut der alten Zollregeln und nach dem Prinzip der Göttlichen Schenkung die Flusswege gar nicht besteuert werden dürften. Nicht auszudenken, wenn Rogner das öffentlich gemacht hätte ...«

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt