1. Sturmgäste

677 70 57
                                    

Iris zuckte zurück, als die Ratte unvermittelt herumfuhr und nach ihrem Fuß schnappte

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Iris zuckte zurück, als die Ratte unvermittelt herumfuhr und nach ihrem Fuß schnappte. Dann holte sie aus und versetzte dem aggressiven Tier einen sanften Tritt mit ihrem Wildlederstiefel. »Abmarsch!«, befahl sie und beobachtete zufrieden, wie die Ratte in einem nahen gelegenen Abflussrohr verschwand.

Eine heftige Windböe, die das Schild über ihrem Kopf in Schwingung versetzte, lenkte ihre Aufmerksamkeit zur anderen Seite der Hafenpromenade hinüber, wo die großen Segelschiffe der ortsansässigen Reedereien im Takt der Wellen schwankten und dabei beunruhigende Geräusche von sich gaben. An den Piers zwischen Fernhandel – und Fischereihafen tanzten auch zahlreiche fremdländische Schiffe auf dem Wasser. Ihren Wappen zufolge stammten sie aus südlichen Regionen, vermutlich aus den vielen Übersee-Kolonien Materras, die inzwischen nur noch ein Relikt aus früheren Zeiten darstellten. Die meisten von ihnen hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten unabhängig erklärt und wirtschaftliche Allianzen untereinander aufgebaut. Eine Entwicklung, die dem Königshaus nicht gefallen konnte. 

Angestellte der Hafenmeisterei eilten am Kai entlang und überprüften Eigentumsnachweise und Anlegegenehmigungen der fremden Schiffe. Der Hafen war an diesem Abend vollkommen überfüllt, was mit dem heraufziehenden Sturm zu tun haben musste. Dem ersten in einer langen Reihe von bevorstehenden Herbststürmen, welche die einheimischen Fischer und Wetterfrösche bereits seit Wochen prophezeiten. In ihrer Heimat Trandafir hieß es, an der Küste sei das Wetter milder und freundlicher, aber dieser Meinung konnte sich Iris nicht anschließen. Seit dem Ende der Sommermonate herrschte in Myr Ryba ein unangenehmes nasskaltes Regenwetter.

Iris warf einen letzten Blick in den dunklen Himmel, dann öffnete sie die schiefe Tür, die zu Myr Rybas widerlichster Kneipe führte. Sofort quollen ihr Licht, Wärme, Musik und Gestank entgegen. Der Kontrast war so überwältigend, dass sie für einige Sekunden wie gelähmt auf der Schwelle verharrte. Zahlreiche ungewaschene Männer, die anständiges Benehmen für eine vorübergehende Modeerscheinung hielten, zusammengepfercht auf viel zu engem Raum, dazu jede Menge Leiderleber Fassgebrautes und fettige Fischspeisen. Die daraus resultierende stickige Hitze und das ranzige, leicht säuerliche Aroma raubten ihr den Atem. Das ausgelassene Spiel der Musikanten heizte die Atmosphäre noch zusätzlich an. Zwei betrunkene Fischer tanzten bereits zu den Klängen von Fideln und Flöten auf dem Tresen. Die anderen Gäste des Goldenen Hummers, hauptsächlich Matrosen, Nachtwächter und Händler, klatschten, pfiffen und johlten im Takt.

Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, raffte Iris ihren Rock zusammen und drängte sich durch die Menge. Die Männer wichen vor ihr zurück, sobald sie bemerkten, mit wem sie es zu tun hatten. In Iris' Kielwasser breitete sich verhaltenes Raunen, Murmeln und Flüstern aus. Niemand wusste so genau, was vor drei Monaten im Forelli-Anwesen geschehen war, doch die Gäste, die in jener Nacht vor Ort gewesen waren, hatten Gerüchte von einem Kampf zwischen einem brennenden Ungeheuer und einer heldenhaften Florfruese gestreut, die sogar bis an die Ohren der hiesigen Stammkundschaft gedrungen sein mussten. Dabei gebührte die Ehre ganz eindeutig Sheitani und Zander. Es bestand jedoch nicht die Gefahr, dass einer der beiden ihr den Ruhm streitig machen würde. Sheitani konnte sich keinesfalls in der Öffentlichkeit zeigen und von Zander fehlte noch immer jede Spur.

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt