19. Albträume

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Zander fuhr aus dem Schlaf und setzte sich ruckartig auf

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Zander fuhr aus dem Schlaf und setzte sich ruckartig auf. Sein Herz pochte heftig. Er hatte vom Fallen geträumt. An mehr konnte er sich nicht erinnern. Verwirrt und beunruhigt blickte er sich um. Er brauchte fast eine halbe Minute, um zu begreifen, wo er sich befand. Irgendwie hatte er erwartet, Sand unter seinen Fingern spüren und Salz in der Luft riechen zu können. Doch was er stattdessen spürte, waren feuchte Holzdielen, und was er roch, die Ausdünstungen zusammengepferchter Männer. Etwas streifte sein Gesicht und er hob instinktiv die Hand, um danach zu schlagen. Im letzten Moment bemerkte er, dass es sich um eine Motte handelte, und hielt inne. Das Tier umflatterte seinen Kopf und verschwand schließlich durch eine Ritze in der zugigen Außenwand nach draußen. Zander horchte in sich hinein, um herauszufinden, wie spät es war. Wenn seine innere Uhr noch einigermaßen funktionierte, hatte er gerade mal ein oder zwei Stunden geschlafen. Er sah sich nach Salmon um, der neben ihm lag – oder vielmehr: liegen sollte. Denn Salmons Schlafplatz, bestehend aus einer Wolldecke und einer dünnen Strohmatte, war leer.

Sofort war Zander auf den Beinen. Noch benommen von der Macht des Albtraums, bahnte er sich einen Weg durch die schlafenden Männer. Sie alle waren Teil einer Reisegruppe, die am Morgen aus Selva nach Myr Paluda aufgebrochen war. Anscheinend wurden in der Hauptstadt Arbeitskräfte benötigt. Jedenfalls hofften viele der Männer darauf, dort eine Beschäftigung zu finden. Davon abgesehen, war über die Lage in Myr Paluda nicht viel bekannt. In der vergangenen Woche hatte Zander versucht, an Informationen über die Situation auf dem Winterberg zu gelangen und war grandios gescheitert. Derzeit verließen weder Boten noch Brieftauben oder Nuntiere die Hauptstadt. Während Zeitungen wie der Rybaler Stadtanzeiger freimütig berichteten, dass Kanto Dan de Nowy und seine Hofmagier hinter den Myrkurenangriffen steckten, hüllte sich das Königshaus in Schweigen. Tatsächlich waren schon einige andere Wochenblätter auf den Kurs des Stadtanzeigers umgeschwenkt und machten nicht länger die Wodlande, sondern die Krone für die Attentate verantwortlich. Es war Zander schleierhaft, welche Strategie der König mit seinem Schweigen verfolgte. Derzeit schien er die Lage damit nur noch verzwickter zu machen.

Als Zander die Tür erreichte, schlug ihm bittere Kälte entgegen. Die Temperatur musste in den vergangenen Stunden um mehrere Mallen gefallen sein. Er wickelte sich in seinen Mantel und trat ins Freie hinaus. Die Hütte, in der sie die Nacht verbrachten, lag unter dem Wandfuß eines Bergs, den die Einheimischen den Großen Wolkenstein nannten. Es wirkte, als wollte der Felsen die kleine Hütte zerquetschen, aber da die Konstruktion bereits seit vielen Jahrzehnten hielt, nahm Zander an, dass sie es auch noch eine weitere Nacht tun würde. Vor dem Gebäude führte ein schmaler Weg, gerade breit genug für zwei nebeneinander gehende Maultiere, tiefer ins Gebirge. Wie ein Reptil schlängelte er sich den Bergkamm hinauf. Es hatte zu schneien begonnen. Flocken tanzten in der klirrend kalten Luft, so dick und weich, wie man sie in Myr Ryba nie zu sehen bekam. Auf den ersten Blick konnte man sie fast für Daunenfedern halten.

»Na, kannst du auch nicht schlafen?«, fragte Salmon, der am Wegrand stand und ins Selva-Tal hinunterblickte, dem sie am frühen Morgen den Rücken gekehrt hatten.

Die Forelli-Dynastie: Göttlicher ZornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt