#12 Tom & Marco: Transatlantisch

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Tom

Und nun sitze ich mit Marco in einer Gulfstream. Genauer gesagt in einer Gulfstream V, dem ersten Geschäfts-Jet mit einer Reichweite von über 5500 Meilen (= 9900km) wie Marco mir zuvor stolz verkündet hat. Ein bisschen hat mich das ja schon amüsiert. Einerseits steht er so sehr unter der Fuchtel seines Vaters und leidet auch darunter, andererseits ist er stolz auf das was sein Vater erreicht hat.

Der Flug soll etwa 12 Stunden dauern, was mich überrascht hat, denn ich dachte gerade bei Piloten gäbe es strikte Regelungen der Arbeitszeit, Marco meinte aber die dürften bis zu 14 Stunden arbeiten.

Nachdem ich mit Marco die kanadische Fernsehserie "Queer as folk"gesehen hatte, habe ich ja doch einige Fantasien, was man in 12 Stunden über dem Atlantik alles machen kann.  Ich grinse also nach dem Start zu Marco rüber und meine: "Anders als Emmet und sein Ketchup-König müssen wir dafür ja nicht auf die Toilette..." Marco findet meine Idee allerdings unpassend und zischt mich an: "Es gibt auch noch 'ne Stewardess an Bord. Also hör auf zu spinnen!" "Ja ist ja schon gut" zicke ich zurück, das hätte er auch netter sagen können.  Pah, werde ich halt doch nicht Mitglied im Mile-High-Club denke ich angepisst und lasse mich in meinen Sessel fallen.

Marco

Kaum sind wir in der Luft kommt Tom doch tatsächlich mit der bescheuerten Idee es  während des Fluges zu treiben. Der spinnt doch, allein wenn die Stewardess unser Gespräch hört wird die mich sofort bei meinem Vater verpetzen. Okay, vielleicht hätte ich ihm das ein wenig netter sagen können, er sieht gerade ziemlich angepisst aus.

"Sorry Mann" ich beuge mich zu Tom rüber und flüstere "aber der Flieger hat sicherlich noch Augen und Ohren von denen ich nichts weiß, von daher...." Tom schaut mich wieder an und sein Blick zeigt Betroffenheit als er zurückwhispert: "Kein Ding, an die Möglichkeit hätte ich auch selbst denken können. Weißt du, ich denke manchmal nicht darüber nach was ich wann und wo sage. Es hat schon Gründe warum ich nicht viele Freunde habe." Er zuckt mit den Schultern und guckt verlegen auf seine Hände die er gerade heftig knetet.

Der Junge hat wirklich kein Selbstwertgefühl so wie er ständig meint sich rechtfertigen zu müssen. Dass seine Schulzeit nicht wirklich schön war habe ich ja schon erfahren. Aber trotzdem, die Art und Weise mit der er immer versucht es allen Recht zu machen hat schon etwas unheimliches an sich. Als wenn er für jede Aufmerksamkeit dankbar wäre, die nicht in Form von Schlägen kommt.

"Ich würde vorschlagen ein wenig zu Schlafen, weil zum Ausschlafen fliegen wir ja nicht nach Rio" sage ich, worauf Tom nickt. Ich bringe unsere Sessel in die Liegeposition und das sonore Geräusch des Fluges sorgt dann auch dafür, dass wir rasch einschlafen.

Tom

Ich werde davon wach, dass Marco an meinem Arm rüttelt. Wieviel Zeit wohl bereits verflogen ist? Ich habe keine Ahnung. Aber nun tritt zum ersten Mal die Stewardess in Erscheinung und serviert uns eine Mahlzeit.

"An einen Privatjet könnte ich mich gewöhnen..." nuschele ich mit vollem Mund. "Heirate mich..." frozzelt Marco zurück. Plötzlich hat das Flugzeug keine Ohren mehr?  denke ich und erwidere: "Dafür wären aber auf deiner Seite noch ein paar Dinge zu erledigen" Marco zuckt leicht zusammen. Warum sage ich immer Wahrheiten die keiner hören will? "Tut mir leid, ich bin ein Trottel, war nicht so gemeint" flüstere ich zu ihm rüber. Er nickt nur.

Am Nachmittag landen wir in Rio. Der Flughafen wirkt relativ bescheiden was mich verwundert. "DAS ist der Airport von Rio?" frage ich skeptisch. Marco lacht: "Nee, das ist der Aeroporto de Jacarepaguá, der ist nur für Privatjets und so...."

Eine Limousine wartet direkt an der Parkposition des Jets auf uns. Nachdem wir unser Gepäck verstaut haben steigen wir ein. Marco sagt etwas in einer mir fremden Sprache zu dem Fahrer und der Wagen setzt sich in Bewegung. "Du kannst Portugiesisch" frage ich erstaunt. "Yep, und außerdem Englisch, Französisch und Spanisch" erwidert Marco mit Stolz. "Wow" ich zeige mich beeindruckt. Dann habe ich eine Frage: "Wo übernachten wir eigentlich?" "Im Copacabana Palace, das ist direkt..." sagt Marco, ich unterbreche ihn "Lass mich raten: Direkt an der Copacabana?" "Du bist so schlau" erwidert Marco mit vor Ironie triefender Stimme "ich habe da was gebucht".

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt