#105 Tom: Eine Nacht in Venedig

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Das Gefühl von Sonne in meinem Gesicht reißt mich aus Morpheus Armen. Aber nicht aus denen von João dessen vertrauten Geruch ich wahrnehme, noch bevor ich die Augen öffne.
Ich blinzle nach oben und sehe eine Decke mit einem gemalten Himmel im Renaissance-Stil über mir.
Wo bin ich? Bei João! Wo sind wir?

Vorsichtig hebe ich meinen Kopf und durch große Fenster blick ich auf Wasser, auf eine grüne Insel und eine Kirche, die mir bekannt...
Das ist die Chiesa di San Giorgio Maggiore, schießt es mir durch den Kopf, du bist in Venedig!

In dem Moment klopft es an der Tür.
João neben mir grummelt nur, sagt dann aber erstaunlich klar: "Open the door, please!"
Ohne weiter nachzudenken springen ich aus dem Bett und eile durch die ganze Suite zur Tür, die ich öffne.
Erst als sie offen ist und ich den jungen Mann in meinem Alter mit einem dieser hoteltypischen Frühstückswagen erspähe, fällt mir ein, dass ich nichts anhabe.
Entsprechend unverholen neugierig mustert der Typ mich jetzt auch.
Mit einer generösen Handbewegung fordere ich ihn auf hereinzukommen, was er auch macht.
Während er anfängt das Frühstück aufzutischen lässt er allerdings kaum eine Gelegenheit aus zu mir herüber zu starren.
Das registriert auch João,welcher im Morgenmantel zu uns tritt und als er ihn zum dritten Mal erwischt wie er zu mir guckt, meint er schmunzelnd: "È bellissimo, vero?*"
Das hübsche Gesicht des Typen verfärbt sich rot, er nickt dann aber zustimmend und beeilt sich dann  sehr, fertig zu werden und rauszukommen.
João grinst ihm hinterher und reicht mir dann einen Morgenmantel: "Komm' lass uns frühstücken..."

"Und, was machen Verliebte in Veneza?" Eindeutig verliebt schaut mich João fragend an.
"Gondelfahrt, Nacht in der Oper, Harry's Bar, Dinner im Terrazza Danieli" antworte ich wie aus der Pistole geschossen was João zum Lachen bringt.
Dann lächelt er und sagt mehr zu sich selbst: "Das mit der Oper war mir klar, deswegen haben wir heute Abend Karten für das Teatro La Fenice...."
"Echt?" ich bin mehr als nur freudig überrascht, "was sehen wir?"
"'Lucia di Lammermoor' von Donizetti" nuschelt mein Lover in sein Gebäck.
Viel Liebesdrama und am Ende sind alle tot denke ich, hoffentlich ist das kein Omen. Aber einerseits ist das eine wunderschöne Oper und eines der Meisterwerke des Belcanto und andererseits bin ich nicht abergläubig.
"Oh, die ist großartig" freue ich mich.

Nach dem Frühstück (und nachdem wir  uns geduscht und etwas angezogen haben natürlich...) bringt uns das hoteleigene Riva-Motorboot zum Markusplatz.
Mich fest an der Hand pflügt João durch die Massen an Japanern und Amerikanern die sich mit ihren Kameras immer an den ungünstigsten Stellen zusammenklumpen und schließlich sind wir bei den Gondeln.
Kurz beredet mein heißer Freund etwas mit den herumstehenden Gondoliere, dann zieht er mich zu einer der Gondeln.

João steigt in die Gondel, dann dreht er sich zu mir und mit einem starken Akzent sagt er auf Deutsch: "Komm' in die Gondel, mein Liebchen, oh steige nur ein.. "
Sein Blick dazu, so stolz, dass er das auswendig gelernt hat und so unsicher ob ich es überhaupt verstehe ist dermaßen etwas von süß.
"Oh João, that was sooo cute..." schwärme ich ihn an während ich in die leicht schwankende Gondel einsteige.
"You could understand it?" fragt er.
"Oh yes, it's from 'A Night in Venice'" versichere ich ihm.
Dann stößt der Gondoliere vom Ufer ab und gondelt uns durch Venedig.
Man möge mich für unheilbar romantisch halten, aber so in einer Gondel durch die Kanäle Venedig gegondelt zu werden, fest ihm Arm des Menschen den man am allermeisten liebt und begehrt, ist einfach wunderbar. Auch wenn das jedes Klischee erfüllt. Zum Glück aber hat João die Tour ohne einen singenden Gondoliere gebucht, das wäre mir zuviel Kitsch gewesen und vermutlich hätte ich das noch besser gekonnt als der...
So lehne ich meinen Kopf an Joãos Schulter und genieße es, die Stadt im Wasser an mir vorbeigleiten zu sehen.
"Ich habe immer davon geträumt das mit jemanden ganz besonderes zu machen" raune ich ihm ergriffen zu.
"Ich bin also 'jemand ganz besonderes'?" entgegnet er mir leicht amüsiert, aber sein Gesicht und seine Augen vor allem verraten mir, dass ihm das sehr gefällt.
"Für mich bist du das, du bist mein ein und alles, der wichtigste Mensch auf Erden und im Universum!" bekräftige ich.
"Ich hoffe nur, dass ich dich niemals enttäusche!" flüstert er leise und dann beugt er sich zu mir, unsere Lippen berühren sich und wir küssen uns.
Als könntest du mich jemals enttäuschen.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt