#136 Tom & Marco: Geben und Nehmen

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Tom

Das Profil wiederherzustellen war einfacher als gedacht.
Und es hat nicht einmal 24 Stunden gedauert bis, mit Katsu sogar einer meiner Stammkunden aus der Zeit vor João, der Erste nachgefragt hat, ob 'ich wieder im Geschäft' sei.

Ein wenig hatte ich befürchtet, es würde mir etwas ausmachen wieder in diese Art Einkommenserwerb zurückzukehren, aber tatsächlich fühle ich diesbezüglich nichts.
Es ist, wie wenn ich den verkrüppelten Rest meiner Seele, den Teil der nicht mit Joao gegangen ist, dem Teufel verkaufe, aber der letztendlich damit ebensowenig anfangen kann wie ich selbst.

So ist die einzige Hürde die ich zu nehmen habe, nun Marco klar zu machen, dass ich nach dem Lernen in der Uni nicht mit zu ihm komme weil ich sozusagen zur Arbeit muss.

Dann kommt sie auch schon, die Frage von Marco: "Gehen wir was essen und dann noch zu mir?"
"Geht heute leider nicht" antworte ich bemüht unbekümmert, "hab gleich noch eine Verabredung vonwegen Job und so...."
Ein sehr nachdenklicher und prüfender Blick trifft mich und dann kommt die nächste Frage: "Was für ein Job denn?"
"Oh, einer mit dem ich Geld verdiene" scherze ich und schaffe es sogar spöttisch zu grinsen.
Sein Blick wird bei dieser Antwort nur noch bohrender: "Muss ich mir Sorgen machen?"

Vermutlich musst du das - und das nicht erst wegen des Jobs....

"Um mich? Nee..." erwidere ich energisch.
Er aber lässt nicht locker: "Würde João den Job gutheißen?"

Das war jetzt echt unter der Gürtellinie!

Patzig raunze ich ihn an: "Der ist ja auch gestorben, ohne dass ich das gutgeheißen habe!"
Er begreift sofort, dass er zu weit gegangen ist und murmelt ein leises: "Sorry, das geht mich nichts an..."
Darauf erwidere ich nichts und er fragt: "Sehen wir uns dann morgen?"
"Sicher, wie immer!" bestätige ich ihm.
"Dann viel Glück mit dem Job" verabschiedet er mich und mit einem "Ciao bis morgen" mache ich mich davon.

Nach Hause, wo ich eine gründliche Säuberung meiner selbst durchführe und dann in eine enge Lederhose schlüpfe. Ohne Unterhose natürlich, denn ich weiß was Katsu mag.
Und wenn der mich trotz meiner nun leicht heraufgesetzten Preise so schnell wiedersehen will, möchte ich ihn auch nicht enttäuschen.
Das ganze kombiniere ich mit einem leicht zu großen Pullover in Hellblau und weißen Sneakern.
Denn ich weiß auch, was mich in japanischen Augen 'kawaii' wirken lässt.
Dann mache ich mich auf den Weg zu der Sushibar in der wir uns treffen.
Auch Sushi umsonst ist eine feine Sache und bei Katsu muss ich kaum mehr tun als 'kawaii' aussehen, die Beine breit machen und ab und zu einen niedlich wirkenden Seufzer von mir geben.
Darüberhinaus lässt er sich Zeit. Und die ist auch hier bekanntlich Geld.

Als Katsu mich im der Bar begeistert begrüßt, mir liebevoll über die Wange streicht und flüstert "Bei Tom ist immer wie kleines Urlaub" weiß ich, dass ich keine Probleme haben werde.

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Marco

Scheiße, verdammte Scheiße, Kacke, Mist verfluchter! fluche ich innerlich während ich Tom viel Glück mit seinem Job wünsche.

Als wenn ich nicht genau wüsste, was für einen 'Job' er da wieder anfängt.
Er verramscht sich und seinen Körper gegen Geld.
Anstatt, dass er vernünftig trauert und seinen Schmerz verarbeitet, wird er sich um Andere kümmern und deren Wohlbefinden, wird nett sein, charmant sein und sich widerstandslos durchnehmen lassen.

Und ich kann ihm nicht einmal vorwerfen, dass er ein Heuchler ist, denn wenn er das macht, ist sein Interesse an seinem Gegenüber echt.
Selbst da stellt er seine eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche hintenan.
Das Schlimme dabei ist, dass ihn genau das auch noch so beliebt und erfolgreich macht in dem was er tut.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt