#166 Marco: Irgendwann

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Es ist schon dunkel als ich mich auf dem Weg zum Hauptbahnhof mache.
Tom hat mich gefragt ob ich ihn vom Zug abholen kann und obwohl das vielleicht lächerlich klingt, freue ich mich ungemein darüber, dass er mich gefragt hat und nicht sein 'Kind' oder irgendwen anderes.
Vielleicht aber messe ich dem ganzen aber einfach zuviel Bedeutung bei, dennoch, für mich ist das ein Vertrauensbeweis.
Der Vorwurf ich würde mich nie hinter ihn stellen, hat mich getroffen, vor allem auch, weil ich nicht bestreiten kann, dass da etwas dran ist.
Seitdem haben Tom und ich uns zwar noch kurz gesehen, aber darüber gesprochen haben wir nicht.
Dass er mich trotzdem gefragt hat, ob ich ihn vom Bahnhof abhole, werte ich als Beweis dafür, dass er mir nicht böse ist und trotzdem nichts zwischen uns steht.

Trotzallem warte ich dann doch im Auto auf Tom.
Natürlich habe ich ihm eine Nachricht geschickt, dass ich am Ausgang Stadtpark parke.
Kurz nachdem ich die abgeschickt habe, schäme ich mich, dass ich sogar zu feige bin ihn am Bahnsteig abzuholen.

Erst Tom der gegen die Seitenscheibe klopft holt mich aus meinen Gedanken. Schnell steige ich aus und öffne den Kofferraum woraufhin Tom schwungvoll sein Gepäck hineinbefördert.
Kurz umarmen wir uns, dann steigen wir in den Wagen.
Erst als ich vom Parkplatz fahre frage ich ihn: "Gute Reise gehabt?"
"Ja, war okay" antwortet er.
Weil ich neugierig bin frage ich direkter nach: "Was hast du denn nun in Rom gemacht?"
Ein spöttisches Grinsen ziert sein Gesicht als er sehr zweideutig erwidert: "Ich habe meine Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche vertieft."
"Vertieft, wie?" frage ich verblüfft.
Schelmisch grinsend erklärt er: "Durch Kontakte, sehr... enge Kontakte..."
"Mit der katholischen Kirche?" platzt es aus mir heraus.
"Genaugenommen mit derem Klerus" amüsiert er sich.
Ich stehe wohl auf dem Schlauch: "Wie soll ich das verstehen?"
Er greift in die Innentasche seiner Jacke und holt fünf Scheine á 500 Euro hervor, dann meint er süffisant: "Ich habe nur ein wenig der Kirchensteuer zurückgeführt..."

Jetzt verstehe ich was er meint: "Nein..... nicht dein Ernst!"
Denn glauben kann ich es immer noch nicht. Er hat sich im Vatikan zur... verdammt Marco, sowas darfst du nicht einmal denken!
Dennoch, er hat sich da prostituiert. Letztendlich ist das eine Tatsache um die er auch nicht wirklich ein Geheimnis macht.

Mit den Worten: "Was, hat es dir die Sprache verschlagen" holt er mich aus meinen Gedanken, dann fügt er spottend hintenan: "Dir als Lutheraner sollte doch nicht neu sein, dass Rom die Hure Babylon ist..."
"Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll" mehr fällt mir wirklich gerade nicht dazu ein. Dann aber habe ich doch eine Frage: "Wie kann dir das nichts ausmachen?"

Dunkel werden Toms Augen bevor er mir sarkastisch entgegnet: "Was soll mir etwas ausmachen? Dass ich erst einen Erzbischof meine große Liebe beerdigen lasse und mich dann von einem anderen Erzbischof ficken lasse?"
"Tom, bitte..." hauche ich fast.
"Das Erstere hat mir was ausgemacht. Das jetzt? Ich mach mit dem einzigen, was ich wirklich gut kann, Geld" stellt er fest, aber mit einer Stimme die mir einen Schauder über den Rücken laufen lässt.
"Das kannst du nicht ernst meinen?" erwidere ich, nein, flehe ich fast.
"Sorry, dass ich etwas ausspreche was du nicht wahrhaben willst" meint er nur dazu.

Nein Tom, das kannst du nicht ernst meinen!
"Siehst du dich selbst so?" fahre ich ihn fast ein wenig unwirsch an.
"Sehe ich mich wie?" kontert er und grinst dabei provozierend.
"Du weißt was ich meine" versuche ich mich um das was ich nicht aussprechen kann herumzulavieren.
"Ob ich mich als Nutte sehe, als Schlampe, als Lustobjekt?" bohrt er nach und obwohl seine Stimme Belustigung vortäuscht sehe ich ihm an, dass er das hier alles andere als lustig empfindet.
Trotzdem bringe ich es nicht über mich sowas auszusprechen und so erwidere ich nur: "Ja!"
Nun ist jede Belustigung, jeder Sarkasmus und jede Ironie aus seiner Stimme verschwunden als er mir antwortet: "Ich sehe wie man mich sieht. Was soll ich mir da Illusionen machen? Wenn ich mit jemandem zusammen bin, wer wird nicht denken, derjenige bezahlt mich gut?"
Zu erschrocken um darauf etwas zu antworten schweige ich nur.
So ist es Tom der mit resigniertem Ton erneut seine Stimme erhebt: "Dazu kommt, dass ich Sex einfach gerne mag. Und ich bin passiv. Wer sich penetrieren lässt ist nunmal immer der Gefickte, die Schlampe. Nur der Ficker ist ein toller Hecht wenn es es bunt treibt!"
"Das kannst du doch nicht so sagen" versuche ich einen Einwand.
"Isso" entgegnet er hoffnungslos, "frag' mal Frauen."
Irgendwo hat er ja nicht Unrecht, denke ich.
Mit frustriertem Ton fährt Tom hingegen fort: "In vielen Kulturen gilst du nur dann als schwul, wenn du dich ficken lässt. Der, der fickt ist dominant, männlich. Der Passive hingegen ist schwach und das gehört sich für einen Mann nicht..."

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt