#131 Tom & Marco: Cry of Despair

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Tom

Natürlich habe ich Joãos Nachricht sofort abgehört, kaum dass das Auto stand.

"Hallo mein geliebter Freund, meine Sonne, mein Tom, mein Engel, mein Kätzchen!
Du erinnerst dich bestimmt, dass ich dir einmal am Strand von Juan-les-Pins etwas versprochen habe?" hörte ich meinen Verlobten mit angestrengter Stimme sagen und in den Sprechpausen war seine Atmung zu hören. Sein Atem rasselte und klang nicht wirklich gut.
"Es tut mir unendlich leid, aber ich fürchte, dass ich dieses Versprechen nicht einhalten kann.
Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.
Was auch immer geschieht, bitte mache nichts Unüberlegtes und denke daran, was du mir in Antibes geschworen hast!"
In der nun folgenden Sprechpause hörte ich ihn förmlich nach Atem ringen und als er dann fortfuhr klingt seine Stimme in meinen Ohren ein wenig verzweifelt:
"Vergiss nicht, ich liebe dich, ich habe dich geliebt und ich werde nie aufhören, dich zu lieben."
Natürlich habe ich sofort versucht ihn anzurufen, aber sein Telefon war aus.
Auch um 10 Uhr und heute Mittag um 12 Uhr habe ich es noch einmal versucht, aber ohne Erfolg.

Jetzt ist es kurz nach 14 Uhr und obwohl gleich das Seminar bei Professor Schmitter startet, kann ich mich kaum konzentrieren, meine Gedanken schwirren um diese rätselhafte Sprachnachricht von João die mich, auch weil ich ihn seitdem nicht erreichen kann, nicht nur verwirrt sondern auch beunruhigt.

Schmitter steht schon vorne am Pult, da piept mein Handy und ich schaue natürlich drauf.
Eine Nachricht von Ricardo Pampuch.
Ein ungutes Gefühl erfasst mich und ich öffne die Nachricht sofort.
Es ist eine aktuelle Pressemeldung der Folha*, ein Bild das Hubschrauber zeigt, die über einer brennenden Barackensiedlung kreisen und die balkenfette Überschrift lautet "Ataque ao Dom João!"
In dem Moment ermahnt mich Schmitter von vorne: "Herr Keran, wenn sie das Chatten mit ihrem Latinlover bitte außerhalb meiner Vorlesung erledigen könnten?"

In meinem Kopf ist jedoch nur noch ein Gedanke: Ich muss hier raus!
Mit dem Smartphone in der Hand stehe ich auf und drängeln durch die Reihen, wie ein Mantra "Muss hier raus!" vor mich hinbrabbelnd.
Schmitter sagt irgendwas und mein Mund antwortet etwas, aber ich bekomme garnichts mit, renne die Treppe des Hörsaals runter und hinaus auf den Flur.
Dann wähle ich die Nummer von Cicero. Ich brauche Anworten. Gleichzeitig aber habe ich so eine immense Angst vor diesen, dass ich zittere.

.
Marco

Wegen einer, zugegebenermaßen ziemlich obskuren, Sprachnachricht von João ist Tom schon seit dem Vormittag ziemlich unruhig.
Andauernd schaut er auf sein Phone, so auch jetzt, als Schmitter mit seiner Vorlesung beginnen will.
Mit süffisantem Ton ermahnt der ihn auch sofort: "Herr Keran, wenn sie das chatten mit ihrem Latinlover bitte außerhalb meiner Vorlesung erledigen könnten?"

Doch Tom scheint das garnicht mitzubekommen, denn deutlich blasser als er heute ohnehin schon war, steht er plötzlich auf und drängelt sich durch seine Reihe Richung Treppe.
Schmitter fragt ihn: "Was ist los? Ist jemand gestorben?"
Und obwohl Tom so wirkt als hätte er das weder mitbekommen noch verstanden merkt er mit verzweifelt-bissigem Ton an: "Ja vielleicht mein Latinlover.."
Schmitter schaut sehr betroffen und empfindet seine zweite Bemerkung nun wohl sehr deplatziert während Tom dir Treppe im Hörsaal hinunter hastet und hinaus auf den Flur stürzt während die Tür mit lautem Donnern hinter ihm zufällt.

"Was war das denn?" flüstert Vergil mir zu und klingt dabei weder sarkastisch noch abwertend.
"Irgendwas mit seinem Freund..." antworte ich, ich weiß nicht mehr als alle Anderen hier.

Die Vorlesung läuft gerade mal fünf Minuten, da hören wir den Schrei.

Es gibt viele Umschreibungen für so einen Schrei in unserer Sprache.
Ein Schrei der durch Mark und Bein geht, ein verzweifelter Schrei, ein herzzerreißender Schrei.
Aber nichts wird dem gerecht, wenn man den Schrei eines Menschen hört, dem es gerade sein Herz zerreißt, den Entsetzen, Angst und Verzweiflung packen, der so aufschreit wie Tom es gerade tat.
Sein Schrei treibt mir, jagt vermutlich uns allen im Hörsaal einen eiskalten Schauer den Rücken hinunter.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt