#94 Tom & João: Planeje um suruba

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Tom

"Vendredi 29 juillet" steht auf der großen Anzeigetafel über der Autobahn.
Obwohl Freitag ist, ist die Autoroute 8 erstaunlich leer.
Ich fahre unter einem Schild mit der grünen Europastraßennummer E80 hindurch und lasse meine Gedanken dieser Straße weiter folgen.
Würde ich dieser Straße immer weiter nach Osten folgen, dann käme ich nach Rom, nach Dubrovnik und nach Istanbul und schließlich an das Ende der E80 am Grenzübergang Doğubeyazıt zum Iran. Von da aus wäre es nicht mehr weit nach Teheran.
Aber soweit werde ich auf der E80 heute nicht fahren, denn schon in San Remo verlasse ich die Autostrada und lasse mich vom Navigationssystem durch die Gassen der Stadt zum Haus von Gianni und Stellario lotsen.
Dort angekommen halte ich nach italienischer Manier, also einfach irgendwo, wo man noch an meinem Auto vorbeikommt.
Denn mitnichten stehen Stellario und Gianni abholbereit vor der Haustür, vielmehr kommt ein hektischer Gianni angerannt und erklärt mir, dass 'la mama' darauf besteht 'i tedeschi' der ihre 'bambini' entführt selbst in Augenschein zu nehmen.
Ich muss also rein und den strengen Augen der Mama der Beiden genügen.

Ich folge Gianni nach drinnen und wie eine Lawine stürzt der Redeschwall von Mama über mich her.
Ich verstehe nur Bruchteile wie "...un così bel ragazzo biondo..." und "ma non litigate per lui!"
Sie findet mich also einen hübschen blonden Jungen und ermahnt ihre Jungs sich nicht um mich zu streiten?
Und die beiden wollen mir erzählen, dass hier ein Coming-Out noch mehr als eine Formalie wäre...

Als die Brüder es endlich schaffen den Redeschwall ihrer Mutter zu stoppen und sich zu verabschieden, verlassen wir sehr zügig ihr Zuhause.
"Sorry, but she is a real Italian mama" entschuldigt Stellario das Ganze.
"Oh, kein Problem, ich fand sie toll!" erwidere ich, "aber glaubt ihr ernsthaft, die ahnt nicht längst, dass ihr schwul seid?"
"Na ja, ich denke ja schon sie weiß es längst" erwidert Gianni, "aber Stellario hat noch Angst es würde sie überfordern..."
"Na wenn sie schon mitbekommen habt, dass ihr euch um denselben Ragazzo streitet, dann wart ihr ohnehin nicht so dezent" spotte ich, "wenn sie das nicht einmal überfordert..."
"Ach das ist bestimmt noch weil wir uns im Kindergarten und der Grundschule immer um Freunde gestritten haben" wendet Stellario ein.
"Na gut, das kann natürlich sein" lenke ich ein und Gianni grient: "Kann sein, muss aber nicht sein."

Inzwischen sind wir wieder auf der Autobahn und ich fahre die E80 Richtung Westen.
Biarritz, Bilbao und Lissabon würde ich in diese Richtung erreichen.

"Warum habt ihr soviel Zeug mit?" verwundere ich mich.
"João meinte wir sollen gleich bis Montag bleiben" erklärt mir Stellario.

Montag, Joãos Geburtstag! Und ich habe noch kein Geschenk!

"Cazzo di merda!" fluche ich, "ich hab noch kein Geschenk für João!"
"Oh, oh..." sagt Stellario und Gianni meint: "Was schenkt man einem der schon alles hat?"
"Ja, das ist eine gute Frage!" erwidere ich.
"Frag' doch mal Cicero..." schlägt Stellario vor.

Das ist eigentlich eine garnicht so dumme Idee!

Bei nächster Gelegenheit halte ich und zücke mein Smartphone und schicke Cici eine Nachricht: >Help! Hab noch kein 🎁 für João!<
Eine Antwort warte ich aber nicht ab und bald passieren wir die Grenze nach Frankreich, dank Schengen aber ohne dafür auch nur einmal anhalten zu müssen.
"Salute all'Europa!" kommentiert Gianni unseren Grenzübertritt.

Dass Freitagnachmittag ist, holt uns schlagartig ein, als wir in Antibes die Autobahn verlassen. Der ohnehin chaotische und zähfließende Verkehr ist eine irrwitzige Vermischung aus regellosen Sprints und Stillstand.
Allerdings, Franzosen machen um kleine Zusammenstöße auch nicht so ein Aufheben wie die Deutschen. Solange die Stoßstange noch dran ist, schert sich keiner um eine Delle.
Zwar bin ich jetzt nicht scharf auf eine Beule im Auto, aber lustigerweise haben Franzosen vor Deutschen die keine Angst vor dem französischen Verkehrschaos haben mehr Angst als ich vor einer Delle und von daher gewinnt hier das 'Prinzip Dreist' einfach mal für mich.
Trotzdem bin ich froh als wir dem Hexenkessel in Richtung Cap d'Antibes entkommen und endlich wieder Zuhause angelangen.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt