#138 Marco: Family

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In der Pause nimmt Tom mich beiseite und fragt mit gedämpfter Stimme: "Sag' mal, darf ich dich um einen Gefallen bitten?"
Etwas erstaunt und auch ein wenig zurückhaltend antworte ich: "Kommt ein bisschen darauf an was..."
"Ich habe meinen Ellis doch versprochen ihnen meinen Freund vorzustellen" beginnt Tom, "und das geht ja jetzt kaum mehr. Ich habe aber keine Lust denen alles zu erzählen, blöde Fragen zu beantworten oder Erklärungen abzugeben oder so. Deswegen meine Frage: Würdest du zu einem Abendessen mit meinem Vater und dessen Freundin und zum Kaffeetrinken zu meiner Mutter mitkommen und dabei als mein Freund fungieren?"

Warte WAS? Er hat mich jetzt nicht gerade gefragt ob er mich seinen Eltern als sein Freund vorstellen darf? Oh Tom, ich wäre so gerne dein Freund, nichts lieber als das!

Nachdem mein inneres Feuerwerk abgefeuert ist, schaue ich ihn ganz ernst an: "Als Freund FUNGIEREN?" Echt jetzt, wer verwendet solche Worte und dann auch noch gesprochen...
Natürlich rafft er meine Ironie in keinster Weise und erwidert ernsthaft: "Ja, du sollst meinen Freund spielen!"
Halblaut murmele ich: "Den würde ich nicht nur spielen, der würde ich auch sein..." Nun spiegelt sich Verwirrung in seinen hübschen blauen Augen und dann meint er: "Ja, ich wäre dir echt voll dankbar, ich mach' auch alles was du willst dafür!" Der Blick des Blondschopfes auf mich wechselt nun zu einem bettelnden Welpenstyle.

Als würde ich da Nein sagen!

"Na wenn du mich schon so anschaust, da kann ich ja garnicht Nein sagen" erwidere ich. Er strahlt richtig vor Freude, fast bin ich verblüfft, dass er das noch kann, dann versichert er mir eifrig: "Oh toll, du bekommst auch alles von mir was du willst!" Ohne mich zu Wort kommen zu lassen plappert er weiter: "Du musst auch nicht viel wissen, die wissen nichts, als dass ich meinen Freund an der Uni kennengelernt habe. Nichteinmal, dass ich mit dir oder João in Brasilien war. Also du musst jetzt nicht so tun als wenn du João wärst, sei einfach du!"

Oh Tommy, du ahnst nicht wie leicht mir das fallen wird.

"Das sollte ich hinbekommen" sage ich dazu.
"Danke, danke, ich revanchiere mich auch ganz sicher, egal was du willst, ich mach alles!" sprudelt es nur so aus ihm heraus.

Alles? So, so..

"Jo, schon gut..." sage ich gleichmütig.
"Okay, ich frage dann mal bei meinen Eltern nach, wann es ihnen jeweils passen würde, dann suche ich mit dir aus, wann es dir passt?" meint er.
"Jo, machmal..." sage ich.

Wie gerne würde ich meinen Eltern auch einen Freund vorstellen können. Wie gerne würde ich meinen Eltern Tom als meinen Freund vorstellen.
Ich werde ihn bei passender Gelegenheit daran erinnern, dass er mir versprochen hat, dass er, wenn er sich duplizieren könnte, mir alles geben würde, was ich brauche.
Denn er muss sich jetzt dafür nicht mehr zweiteilen.

***

Dass wir allerdings schon am nachfolgenden Sonntag auf dem Weg in ein nordhannoversches Dorf und mithin zum Haus von Toms Mutter sein würde, hätte auch ich an dem Montag, an dem Tom mich gefragt hat, nicht geglaubt.
Aber so ist es, Tom hat mich abgeholt und ich habe meinen Eltern erzählt wir würden eine Ausstellung in einem benachbarten, bekannteren Künstlern besuchen.
Die Tatsache, dass Tom mich zu so etwas überredet hat, brachte ihm zusätzliche Punkte bei meinen Eltern ein.

Für mein Gefühl tief in der Pampa verlässt Tom die Autobahn und nach einigen Kilometern durch eine mehr oder minder trostlose Moorlansschaft gelangen wir in einer Siedlung an, die sich offenbar nach dem letzten Weltkrieg um einen zuvor wohl im Nichts befindlichen Bahnhof gebildet hat und seitdem immer wieder um Neubaugebiete ergänzt wurde.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt