#182 Marco & Tom: Niger Dies, Tenebris Diem

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Marco

Es ist 18:45 Uhr und so eine Angst wie jetzt hatte ich noch nie in meinem Leben.
Trotzdem werde ich heute alles auf eine Karte setzen und meinen Eltern sagen, dass ich schwul bin und ihnen Tom als meinen Freund vorstellen.
Entweder sie akzeptieren das oder sie verlieren ihr einziges Kind.
Das Spiel mit psychischer Erpressung kann ich auch spielen.
Ich meine, ich bin durchaus bereit Zugeständnisse zu machen. Wenn sie Tom nicht hier bei sich im Haus sehen wollen bin ich das bereit zu akzeptieren.
Aber ich werde sicherlich nicht ohne Tom auf Familienfeiern oder auf Dauer zu Weihnachten antanzen.

Und dann ist Tom da.
Obwohl wir garnicht darüber geredet haben hat er wohl instinktiv die richtige Wahl bei seinem Outfit getroffen.
Er trägt eine dunkle Jeans zu einem hellblauen Jacket mit einem dunkelblauen Shirt, dazu schwarze Schuhe und seine Haare sind - mit Hilfe von Gel und Haarspray vermute ich - sehr ordentlich gescheitelt. Fast erinnert mich seine Frisur an einen Hitlerjungen.

Rasch bringe ich Tom in den Salon wo meine Eltern schon warten, meine Mutter auf einem der unsäglichen Louis-Quinze-Sessel sitzend, mein Vater mißtrauisch guckend und stehend.

Am besten bringe ich es schnell hinter mir, bevor sie mir ins Wort fallen können.

Tom bleibt ein wenig unsicher hinter mir stehen und schaut zu Boden.
Ob er wohl Angst hat meinem Vater sein Gesicht zu zeigen?

"Mama, Vater" beginne ich entschlossen, "ich habe euch zwei wichtige Dinge mitzuteilen die beide für mich nicht verhandelbar sind!"

Jetzt habe ich die ungeteilte Aufmerksamkeit meiner Eltern.

"Erstens, ich bin schwul und zweitens möchte ich euch meinen Freund Tom vorstellen!" Ich schaffe es ohne das meine Stimme schwankt oder ich unsicher werde und bin wirklich ein wenig stolz auf mich.
Dann ziehe ich Tom in meinen Arm, der nun nicht umhin kommt meine Eltern anzuschauen.

Während meine Mutter sofort zu flennen anfängt und irgendwas vor sich hinschluchzt, dass sie doch gerne Oma werden würde schaut mein Vater erst genervt, dann aber verzerrt sich sein Gesicht und mir ist sofort klar, dass er Tom erkannt hat.

Mit einer vor Wut eiskalten Stimme zischt er: "Mit deiner Homosexualität können wir uns ja noch arrangieren..." Dann wird er lauter: "...aber ganz sicher nicht dass du dich mit diesem Subjekt abgibst!"
Meine Mutter hat Tom wohl nun auch erkannt und wendet so verheult wie verwirrt ein: "Aber, das ist doch der Tom der immer so fleißig ist und unserem Jungen durch das Studium geholfen hat..."
"...und durchs Bett" ätzt mein Vater, dann bekommt er endgültig einen roten Kopf und fängt an zu brüllen. "Das da..." er deutet auf Tom, "das ist kein fleißiger Junge, das ist DRECK, DAS IST ABSCHAUM!" Langsam bewegt er sich auf Tom zu: "EINE MÄNNLICHE HURE IST DAS!"
"Aber, woher weißt du das?" fragt meine Mutter und ich bin überrascht, dass sie doch noch eigenständig denken kann.
"Genau, woher willst du das wissen?" frage ich lauernd nach.
Er wird sich doch nicht vor meiner Mutter die Blöße geben?

Doch wird er.
"Wir haben ihn bezahlt damit er sich von dem Kameltreiber-Hengst bumsen lässt!" raunzt er abfällig.
Jetzt wird Tom sauer. "Wenigstens einer hier im Raum der alles gegeben hat, damit der Verkauf der Boote zustande kam!" höhnt er.
"Wer wir?" insistiert meine Mutter.
"Reineke, Vater und der Horstmann" erkläre ich ihr.
Sie steht auf und mit einem empörten Ton meint sie: "Ihr widert mich so an. Alle Drei!"
Das befeuert die Wut meines Vaters allerdings nur noch mehr.
"Halt du dich da raus Gisela" fährt er sie an, "so wie du das Geld ausgibst machst du mir hier jetzt nicht die Moralische!"

Kurz darauf steht er direkt vor Tom und starrt ihn wütend an während dieser unbeeindruckt lächelt.
"Und nun zu dir du Mietrammler! HALT DICH VON MEINEM SOHN FERN! ICH DULDE KEINEN ABSCHAUM WIE DEINESGLEICHEN IN MEINEM HAUS!"
Daraufhin schubst er mich zur Seite, holt aus und haut dem ebenso überraschten Tom eine runter.
Dessen Kopf fliegt zur Seite und mit vor Überraschung geweiteten Augen schaut er mich hilfersuchend an.
Ich aber fühle mich wie in einem dieser Albträume aus der Kinderzeit, wo man völlig bewegungsunfähig erstarrt. Alles in mir schreit danach zu ihm zu eilen, ihm zu helfen, aber ich stehe nur da wie eingefroren und schaue ihn an.
"Sowas wie du ist nur ein Bauer den man opfert um ein Spiel zu gewinnen" verhöhnt mein Vater weiterhin Tom, "hochschlafen, haste dir wohl so gedacht!"
Voller Abscheu zischt dieser ihm entgegen: "Oh, was das angeht hatte ich schon bessere Kandidaten als Ihren Sohn..."
Erneut schlägt mein Vater zu und seine Faust trifft Tom oberhalb der Nase.
Der taumelt nun rückwärts und wieder trifft mich sein bittender Blick.
"Tu was, hilf mir!" sagen mir seine Augen, aber ich bin weiterhin wie erstarrt.
Kaum hat Tom sich gefangen trifft ihn der nächste Schlag meines Vaters, dieses Mal seitlich auf den Mund.
Schmerzlich keucht er auf und geht auf die Knie. Zum dritten Mal wendet er sich zu mir und ich sehe wie das Blut aus seinem Mundwinkel läuft.
Flehend schaut er mich an, seine Augen betteln förmlich um Hilfe.
Aber obwohl die Panik mich durchflutet und der Gedanke Er wird Tom totschlagen! wieder und wieder durch mein Gehirn hämmert lähmt sie mich und ich kann nur verzweifelt zuschauen.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt