#84 Tom & João: Nie genug bekommen

291 31 37
                                    

Tom

Es ist der 6. Mai, es ist Freitag.
Aufgeregt stehe ich in der Ankunftshalle des hiesigen Flughafens und warte auf João.
Obwohl es nun wirklich nicht das erste Mal ist, dass ich ihn irgendwo abhole, bin ich wieder so aufgeregt, als wäre es mein erstes Date oder so etwas in der Art.

Ja Flughäfen - früher die Kathedralen der Freiheit, aber dann nahmen sich ein paar Irre die Freiheit die Freiheit abzulehnen und bereiteten dem 'Ende der Geschichte' ein Ende und das war dann auch das Ende für die Flughäfen als Symbol der Freiheit - und so hat auch der örtliche Flughafen inzwischen eher den Charme eines Deportationszentrum oder einer Festung.
Und so bin ich überaus erleichtert, als João endlich durch die Glastür kommt und klar ist, dass nichts schief gegangen ist - auch wenn das eine völlig unbegründete Sorge ist, denn was sollte im schlimmsten Fall passieren, dass sein Gepäck abhanden kommt? Und das hat er ja in seiner Hand.

"Olá meu amor, bem-vindo à Alemanha!" begrüsse ich meinen Freund, die Sprachkurse ermöglichen mir zumindest schon ihn auf Portugiesisch zu begrüßen.
Und es freut ihn, denn er antwortet "Olá meu anjo, prazer em ver-te!" und ich verstehe sogar, dass das in etwa mit 'Hallo mein Engel, schön dich zu sehen!' zu übersetzen ist.
Ich nehme ihm ein Teil seines Gepäcks ab und meine: "Komm' nichts wie weg hier!" Dann strebe ich dem Auto zu.
Für den Abend habe ich nämlich schon Pläne in die ich meinen Freund nicht eingeweiht habe. Wir werden essen gehen - und zwar mit meiner Schwester Kristin und derem Boyfriend Niall, welcher, wie sein Vorname verrät, aus Irland ist.

"Ich nehme an du möchtest noch duschen und dich umziehen, bevor wir weggehen?" frage ich meinen Freund während ich meinen Wagen durch das, zahlreichen, halbfertigen Straßenbauprojekten geschuldete, Chaos meiner Heimatstadt steuere.
"Wir gehen aus?" erkundigt sich João und schaut ein wenig überrascht.
"Ja, wir gehen aus!" bestätige ich ihm, "we met my sister Kristin and her boyfriend Niall for diner."
"Deine Schwester?" hakt João nach, "wer denkt sie denn, dass ich bin?"
"Sie weiß nichts, außer dass ich ihr jemanden vorstellen will" erkläre ich, "du kannst also bestimmen, als was ich dich vorstelle und wie!"
"Hmmm..." João ist am überlegen.
"Wenn das okay für dich ich, dann würde ich dich gerne als mein Boyfriend vorstellen, das wäre dann auch gleichzeitig mein erstes offizielles Coming-Out gegenüber jemandem aus meiner Familie" äußere ich meinen Wunsch.
"Dann mach das so!" bestimmt er und schaut mich entschlossen an.
"Danke..." hauche ich und er beugt sich zu mir und haucht mir ins Ohr: "Wofür, wenn du mich nicht als deinen Boyfriend vorgestellt hättest, wäre ich enttäuscht gewesen."
Und ein freudestrahlendes Lächeln ziert mein Gesicht.

"Muss ich sonst irgendetwas wissen" erkundigt sich João während wir mit dem Auto auf dem Weg nach Starkhausen sind.
Er ist also auch nervös weil er jemanden aus meiner Familie kennenlernt!
Ich habe ins Cru geladen, eine feine Adresse in der Deller Chaussee, nicht weit von Marcos Elternhaus gelegen.
Da meine Schwester was gesellschaftlichen Aufstieg angeht weitaus ehrgeiziger ist als ich es bin, wäre sie einer Einladung dahin wohl auch gefolgt, wenn ich ihr den Teufel hätte vorstellen wollen.
Wobei ich mich ja schon frage wie Niall, der außer gutem Aussehen wenig zu bieten hat, zum Ehrgeiz meiner Schwester passt, aber das geht mich nichts an.

Allerdings sollte ich Joãos Frage noch beantworten.
"Also, meine Schwester muss jetzt nicht unbedingt wissen was mich mit Marco zusammengebracht hat und von deinen Zuwendungen muss sie auch nichts wissen" beantworte ich seine Frage, "außerdem, meine Schwester ist sehr ehrgeizig was gesellschaftlichen Aufstieg angeht, das mit dem Herzog sollten wir auch für uns behalten."
"Ja, das halte ich auch für besser für ein unvoreingenommenes Kennenlernen" erwidert João.
"Dann kann es ja jetzt losgehen" scherze ich.

Als höfliche Gentlemen warten wir natürlich am Eingang auf das Eintreffen meiner Schwester und Nialls, ein kurzer Blick über den Parkplatz hat mir gezeigt, dass Nialls auffälliger Sportwagen noch nicht da ist.
Wenige Zeit nach uns treffen die beiden dann auch ein. Energisch wie immer, strebt meine Schwester dem Eingang zu, gefolgt von Niall.
Alles, was mir an Selbstbewusstsein, Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und Dominanz fehlt ist bei meiner ältesten Schwester im Überfluss vorhanden.
Das gepaart mit einem herausstechend guten Aussehen und lange blonden Haaren ist meine Schwester sozusagen die Venusfliegenfalle für alle paarungswilligen Heteromänner und -männchen.

Wer nach den Sternen greift.... (zensierte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt