Kapitel 109

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Montell Fish - Fall in love with you

Für mich bleibt gerade die Welt stehen. Ich kann mich weder bewegen, noch kann ich reagieren. Sein leises Schluchzen schnürt sich um mein Herz, sorgt dafür, dass mein Körper sich versteift. Wie lange trägt er diese Gedanken mit sich? Ardan wirkte sonst immer so gefasst. Was ist mit seinem Zitat? Wann kam es zu dieser Angst? War sie schon da oder hat es mit dem Wissen der anstehenden Operation angefangen? Was soll ich machen? Wie kann ich ihm helfen? Was kann ich tun, damit meine Liebe nicht mehr in meinen Armen weint? "Ardan", setze ich heiser an. Mir rinnen die heißen Tränen über die Wangen. Es tut weh. Es tut so weh. "Was soll ich tun, Cana?" So sehr ich seine sanfte Stimme liebe, so sehr wünsche ich mir, dass er gerade schweigt. Mein Herz erträgt sein Leid nicht. Ich drücke ihn fester an mich, kann meine bebende Brust nicht kontrollieren. Ich kann nicht antworten. Was soll ich denn auch schon sagen? Wie kann ich sein Herz beruhigen? Trauer tut ihm nicht gut. "Wirst du nicht", flüstere ich. Ich komme mir so nutzlos vor, aber ich bin zu überfordert. "Mir geht es immer schlechter. Ich schaffe das nicht mehr." Hör auf! Meine Augen schließen sich gequält, mein Nacken verspannt sich durch den Druck, der dort entsteht. Wieso sagt er sowas? Wenn er das Gerät bekommt, dann kann er die Zeit doch überbrücken? Was hat die Ärztin gesagt? Ich habe den Tag vor seinem Krankenzimmer wieder vor Augen. Ardan wirkte so, als ob er etwas akzeptieren müsste ... ist es das?

Meine Arme fühlen sich plötzlich so schwer an. Nein ... das kann nicht sein ... oder? "Was meinte die Ärztin, Ardan?" Ich fühle mich gerade so überrollt, dass meine Frage so ungewöhnlich fest von mir kommt. In mir herrscht ein Chaos. Mir ist schwindelig und gleichzeitig habe ich das Gefühl, nichts zu fühlen. Ardan schnieft, wischt sich seufzend über sein Gesicht. "Es tut mir so leid, Cana. Ich flehe dich an, mir zu verzeihen." Ich kann mir das nicht mehr anhören! Ich will es nicht hören. Ich will es nicht akzeptieren und auch nicht wahrnehmen, halte ihm deshalb wehleidig den Mund zu, um mein weinendes Herz zu beruhigen, aber mir fließen immer mehr und mehr Tränen hinab. Ich spüre seinen Schmerz über meine Finger fließen. Er soll nicht weinen. Das tut seinem Herzen nicht gut. "Wir schaffen das schon, Ardan. Die Pumpe hilft dir doch." Ich atme tief durch. Ich muss mich von dem beklemmenden Gefühl meines Herzes ablenken. "Mein Herz ist sehr schwach, Cana. Ich weiß nicht, wie lange ich das aushalte." Er soll aufhören damit! Bitte! Ich kann mir das nicht anhören. Es tut weh. Es tut im Herzen weh. So sehr, dass ich schon wieder das Stechen spüre. Ich drücke seinen Kopf fester an meine Brust, verteile verzweifelt Küsse auf seinem nassen Haar, in der Hoffnung, dass es ihn heilt. Wie soll ich ihn so alleine lassen? Wie soll ich es aushalten, warten zu müssen, bis ich ihn wiedersehen kann? Was ist, wenn ihm was passiert und ich ihn nie wieder sehen kann? Nein, das kann und darf nicht sein.

"Nein, das wird nicht so ausgehen. Du kriegst die Pumpe und dann wird es dir Stück für Stück besser gehen. Dann kannst du auch öfter frittiertes Hähnchen essen vielleicht. Dann werden wir ganz viele schöne Momente haben. Wir müssen noch Roxys Abschluss feiern und zusammenziehen und heiraten und wir müssen noch Bilder für unseren Abschlussball machen und ..." Ich kann nicht weiterreden. Meine Trauer versperrt mir jegliche Glückseligkeit. Was kann ich jetzt machen? Wie kann ich helfen? Wie kann ich dafür sorgen, dass Ardan schnell möglichst ein Spenderherz kriegt? "Du wirst dich vor mir ekeln." "Werde ich nicht. Hör auf damit!", bricht meine Stimme am Ende. Wieso denkt er nur so? Ich helfe ihm freiwillig und er denkt, dass ich mich ekeln werde, sobald ich ihn mit der Pumpe sehe. Mein Drang, bei ihm bleiben zu wollen, würde dadurch nur noch weiter steigen. "Ich verbiete dir diese Gedanken, Ardan." Meine Hände umschließen sein Gesicht, drehen es zu mir und wischen ihm die Tränen seiner wunderschönen, grünen Augen weg. "Du bist mein Philosoph. Du bist der weise Teil meines Herzens. Du bist mein Gegenstück. Ich kann es nicht ertragen, wenn du weinst. Das tut uns beiden nicht gut." Meine Unterlippe bebt, mir fließen erneut Tränen ab. "Wie kann ich vor Gedanken fliehen, wenn sie mich umkreisen?" "Wieso ist mein Realist plötzlich ein Pessimist? Was ist mit der Wahrscheinlichkeit, dass es doch gut geht?" Meine Argumente kommen mir gerade so entkräftet vor, weil er hoffnungslos seine Augenbrauen zusammenzieht.

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