Kapitel 45

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Chelsea Cutler - Hell

Der Dienstag mit seinen zwei Stunden Geschichte, so etwas habe ich echt nicht verdient. Aber wenigstens lenkt mich der gestrige Tag mit Ardan ab. Wir hätten uns fast wieder geküsst. Der Glasfisch liegt unter meinem Kissen und die Rose habe ich in einem Glas an meine Fensterbank gelegt. Falls sie vertrocknet ist, dann werde ich sie sicher in meinem Schrank verstauen. Ardan sitzt mit Ramzi und Miran auf der anderen Seite und einen Tisch hinter mir. Ich zähle nur die Minuten, bis ich von diesem Unterricht befreit werde. Gott sei Dank übernimmt die Schlaftablette den Leistungskurs in Geschichte und mein Deutschlehrer den Grundkurs - also so war es die Jahre davor und ich hoffe, dass es auch so bleibt. Ich würde gerne wieder zu Ardan, aber leider geht er heute ins Fitnessstudio und ich habe Yasmin versprochen, dass ich zu ihr gehe. Einen Tag halte ich sicherlich aus. Wie es wohl wäre, wenn ich mich ebenfalls im Fitnessstudio anmelde und Ardan observiere? Er sieht bestimmt gut aus, wenn er irgendetwas macht. Wie viel er schon heben kann? Ich habe seine Oberarme noch nie abgetastet, das sollte ich dringend tun. Er hat mir das Schwimmen bei ihm angeboten. Sollte ich darauf eingehen? Dann sieht er mich in weniger Kleidung, aber das hat er schon einmal. Aber wer sagt, dass er mich wirklich gemustert hat? Aber tun Jungs so etwas nicht? Jetzt bin ich wirklich am Überlegen. Hat er geguckt oder nicht? Sollte ich irgendwann zu ihm und bei ihm schwimmen? Das wäre echt intim. Ich weiß nicht, ob ich mich das trauen würde. Vor allem würden mich Gedanken plagen. Ich will nicht daran denken, sonst kriege ich wieder Schuldgefühle.

Der Schultag geht heute sehr schnell um. Selbst Mathe und die zwei Stunden Chemie vergingen schnell. "Kommst du?", fragt Dilan mich. "Geht schon mal in die Halle. Ich muss meine Binde wechseln." "Hast du Taschentücher?" Ich nicke. Sie gehen aus dem Raum und ich auf Toilette. Nachdem ich untenrum frisch bin, ziehe ich mir mein Bettelarmband aus und tue es wieder in mein lila Säckchen. Danach kontrolliere ich ob die Eingangstür, die zum Flur führt, abgeschlossen ist und höre, dass jemand durch die Hallentür in die Kabine tritt. Gerade will ich in die Halle laufen, als ich sofort stehenbleibe. Mein Herz schlägt ein wenig schneller und mir wird warm auf dem Rücken. Was will Didem hier? Streng ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Ihr Profil kann man gar nicht ernst nehmen. "Was?", frage ich trocken. Ihr passt etwas nicht. "Ich weiß von dir und Ardan Bescheid." Mir wird noch wärmer, aber ich behalte meine Contenance und lasse mir nichts anmerken. Soll ich es bestätigen oder abstreiten? "Herzlichen Glückwunsch." "Du weißt gar nicht, wie er in echt ist." Ich verdrehe meine Augen und laufe mit steigender Wut auf sie zu. "Ich weiß nicht, was dein scheiß Problem ist, aber erhoff dir bloß nicht, dass ich dir Miststück glaube. Ardan mag dich nicht und ich bin mir ziemlich sicher, dass du ihn nicht so gut kennst, wie ich es tue." Zornig schubse ich sie. Dass ich zum Gegenangriff übergehe, hatte sie wohl nicht bedacht. Wütend laufe ich in die Halle und habe vergessen, mein Säckchen in meinen BH zu tun. Schnell laufe ich zurück und finde es nicht mehr. Mein Herz bleibt stehen. Wo ist mein Säckchen? Ich schaue unter der Bank und in meiner Tasche nach. Das Miststück hat es mir geklaut! Das reicht!

Ich trete schon fast die Tür auf und packe ihre hässlichen Haare. "Gib mir mein Armband zurück!" Sie kreischt schrill auf und will meine Hand entfernen. Ich bin so wütend. Niemand klaut mir mein Bettelarmband. "Cana!", ruft mein Lehrer erschrocken. "Gib mir mein Bettelarmband zurück!", schreie ich. Noch bevor mein Lehrer dazwischenkommen kann, schmeiße ich sie an ihren Haaren zu Boden. "Cana, was machst du da?" Er stellt sich zwischen uns und schiebt mich vorsichtig zurück. Vor Wut steigen mir die Tränen auf. Ich will an ihm vorbei, was er nicht zulässt. "Lassen Sie mich los! Sie hat mein Bettelarmband geklaut!" Das hat mir Baba gekauft und mir immer einen Anhänger zum Geburtstag geschenkt. Das Armband ist, abgesehen vom Material, sehr von emotionalem Wert für mich. Meine Freunde kommen auf mich zu. Ardan sieht meine glänzenden Augen. Ich bin so wütend. "Ich bringe sie um!" "Didem, hast du das Armband geklaut?" "Nein", gibt sie patzig zurück. Ich werde rasender. "Sie hat es!", schreie ich schon. "Greif in ihre hintere Tasche", murmelt Ardan zu Yasmin. Diese geht sofort auf sie zu und greift hinein. "Fass mich nicht an!" "Du elende Lügnerin!" Yasmin schubst Didem nach ihrer Aussage und bringt mir mein lila Samtsäckchen. Zitternd schaue ich hinein und hole mein unversehrtes Armband raus. "Das gibt eine Konferenz!", schimpft Herr Rinke in Didems Richtung. "Hey, ganz ruhig", beruhigt mich Dilan mit sanfter Stimme. Ihre Hand fährt über meinen Rücken. Ich bin so wütend. Erst hat sie versucht, mich mit Lügen zu beeinflussen und jetzt klaut sie auch noch? "Wieso kriegt sie keine Konferenz, weil sie an meinen Haaren gezogen hat?", meckert Didem. "Es reicht!", ruft Herr Rinke.

HerzensdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt