Kapitel 15

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Sasha Sloan - Runaway

Es ist so kalt. Es ist so verdammt kalt und ich hasse die Schule dafür, dass man nicht sofort in das Gebäude treten darf, sondern erst um 07:45 Uhr die Türen aufgeschlossen werden. Mein Gesicht versuche ich so gut es geht vor der Kälte zu schützen, indem ich mein Gesicht in meinem Schal vergrabe. Ardans T-Shirt liegt immer noch gut versteckt in meinem Zimmer, zwischen meinem Bett und der Wand. Wie gerne ich wieder seinen Duft einziehen will. Am Sonntag habe ich noch ein Buch gelesen, wo auch die Protagonistin vom Duft des Liebhabers geschwärmt hat und jetzt realisiere ich erst, wie stark sich der Duft einer bestimmten Person auf einen auswirken kann. Wie faszinierend die Liebe doch ist. Meine Schultern sind wegen der Kälte angehoben und meine Haltung angespannt. Ich will einfach nur rein und von Wärme umgeben sein. Es wäre gut, wenn ich an irgendetwas denken könnte, damit ich abgelenkt bin. Meine Musik ist nur eine kleine Ablenkung. Hätte ich meine Haare doch lieber offen gelassen, damit ich einen kleinen Schutz für die Ohren hätte, aber ich wollte unbedingt die Bauernzöpfe tragen. Ich finde mich heute besonders hübsch. Im Spiegel habe ich mich lange betrachtet, ehe ich gefahren wurde. Meine Hose schmeichelt meinen Rundungen und sogar mein weißer Rollkragenpullover betont meine Brüste. Außerdem harmoniert er mit meinen Perlenohrsteckern und meinen Bauernzöpfen ... hoffentlich schaut mich Ardan heute besonders oft an. Meine Gedanken sind so blöd und absurd, aber ich fühle mich einfach so anders ... so komisch.

Vor mir tauchen lange Beine auf. Ich hebe den Blick an und schaue in schöne, grüne Augen, die meinen Bauch zusammenziehen lassen. "Hi", höre ich ihn durch meine Musik sagen. Seine Hand bewegt sich zu meinem rechten Ohr, wo er mir einen Kopfhörer rausnimmt. Das war schon schön. "Hi", begrüße ich ihn lächelnd. "Hast du dich nur für mich so schick gemacht?" Ehrlich gesagt, ja. Trotzig schüttele ich den Kopf. "Schade, ich hätte mich sonst besonders gefühlt." Belustigt schmollt er. Etwas angespannt, was nicht durch die Kälte kommt, schaue ich zur Seite und dann wieder zu ihm. Er setzt sich neben mich hin und lässt ein wenig Platz zwischen uns. Er kann auch ruhig näherkommen, vielleicht wird mir dann wärmer. "Du hast gleich Pädagogik, nicht wahr?" Ich nicke. "Und du Erdkunde?" Wir beide wissen, was wir montags in den ersten beiden haben, da wir schon lange genug auf der Schule sind, aber wir versuchen Smalltalk zu führen. "Nimmst du Erdkunde mit ins Abi?", frage ich ihn. "Ich glaube schon. Erdkunde ist sehr einfach. Was ist mit dir? Nimmst du Pädagogik mit ins Abitur?" Ich bejahe es. "Nur weiß ich nicht, ob es mein LK werden soll oder mein viertes Fach. Pädagogik als LK ist viel Lernstoff und gepaart mit dem Bio-LK, was ich auf jeden Fall so wählen werde, wird das echt viel. Ich muss noch überlegen." Ich spiele an den Enden der Anhänger herum, die aus meinem Ärmel baumeln. "Zeigst du mir dein Armband?" Er zupft an meinem Ärmel, den er dann hochkrempelt. Das kommt mir so bekannt vor. Seine Finger streifen alle Anhänger, ehe er die Sonne festhält und dann die kleine Muschel zwischen seinen Fingern hält. "Das ist ein echt tolles Bettelarmband." Das kommt mir so verdammt bekannt vor. Das ist doch ein Déjà-vu.

"Ardan", säuselt die ekelhafte Stimme, weshalb ich tief einatme und mich auf einen Konflikt vorbereite. Sie hat sich zwar über Monate lang zurückgehalten, aber trotzdem kann es sein, dass sie aus ihrem ranzigen Schneckenhaus tritt. Didem schaut zu Ardan und dann kurz zu mir. Sie ist mal wieder nicht alleine. Was will sie von Ardan? Gibt es nicht genügend andere Jungs in der Stufe? Ardan schaut sie nur kurz an, ehe er sich wieder mit meinem Armband vergnügt. "Ardan, Arsch oder Titten?" Und es geht wieder los. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich diese Situation schon hatte. Was soll diese Frage jetzt schon wieder? Wieso kommt es mir so bekannt vor?Ardan seufzt nur. "Was geht dich das an?", fragt er ein wenig genervt. "Ich will es nur wissen. Viele bevorzugen ja Brüste mehr." "Was ich an Körperproportionen präferiere, interessiert dich nicht." Seine Ausdrucksweise ist so schön und so reif. Didem zieht ihre komisch gemalten Augenbrauen zusammen. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Hä, chill doch mal. Das war eine ganz normale Frage." "Und das war eine ganz normale Antwort", mische ich mich jetzt ein. "Mit dir hat keiner gesprochen", faucht sie mich an. "Gerade tust du es aber." "Arsch oder Titten?" Ich weiß, dass sie mich indirekt damit angreifen will, doch ich lasse es an mir abprallen, weil Ardan gerade sowieso gegen sie ist. "Was willst du damit bezwecken?", faucht er sie an, behält aber immer noch seine Manieren. "Ich will es einfach wissen. Wenn du eher Titten bevorzugst, dann brauchst du ja nicht bei Cana zu sitzen." Die drei Mädchen lachen und so sehr ich auch nicht will, dass es mich irgendwie trifft, in meinem Brustkorb zieht es sich unangenehm zusammen.

HerzensdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt