Lauv - Breathe
Mama schaut sich mit zusammengezogenen Augenbrauen die Werte von gestern an. Die Ärztin, die Mama letztens angemeckert hat, steht hinter ihr und richtet prüfend ihre Brille. "Hier sieht man die Belastung und hier eine Beschleunigung des Herzschlags, der aber schnell abgeklungen ist und hier ist wieder eine leichte Belastung." "Sieht aus, wie bei KHK." Mama verdreht ihre Augen, was die Kardiologin aber nicht sieht. Schmunzelnd halte ich mir die Hand vor dem Mund. "Schauen Sie sich doch die T-Welle richtig an. Die verlängerte QT-Welle", murmelt Mama am Ende. Die Kardiologin summt. "Das sind echt komische Werte. Hier herrscht komplett normaler Zustand, aber dann ist ja höchste Alarmbereitschaft." "Ein Stress-MRT sollte gemacht werden." Und schon wieder verdreht Mama ihre Augen. "Nein, ich mach einfach eine Sonographie und schließe meine Diagnose." "Bei so etwas kann man doch nicht einfach mit einer Sonographie arbeiten?", fragt die Ärztin leicht eingeschnappt. Mama seufzt und fährt sich durch ihr Haar. "Doch, kann man, denn ich kann es. Jetzt gehen Sie sich um andere Patienten kümmern, ich brauche Sie nicht mehr." Mama steht vom Computer auf und verdreht ganz stark ihre Augen, als sie auf mich und Susi zukommt. Die Ärztin verlässt eingeschnappt das Zimmer und lässt uns kichernd zurück. "Gott, das ist echt anstrengend mit der. Samstag ist der Diva-Tag", erzählt sie mir. "Leg dich auf die Liege und mach dich obenrum frei." Sie zwinkert mir zu, was mich grinsen lässt. Es klopft an der Tür, eine Krankenschwester sagt, dass Mama zwei PJler eingeteilt werden. "Nicht jetzt." "Aber-," "Hier wird gleich eine 16-jährige Oberkörperfrei liegen und ich werde niemanden reinlassen, den sie nicht hier haben will. Raus, ich hole die mir schon." Mama seufzt genervt und verdreht ein weiteres Mal ihre Augen, als die Tür ins Schloss fällt.
"Gott, was verstehen Leute an einem einfachen Nein nicht?" Ich zucke belustigt mit meinen Schultern. "Ist es okay, dass ich hier bin?" Ich nicke Susi zu. Sie ist eine echt süße Krankenschwester mit ihren knallroten Lippen und Sommersprossen, die zu ihren roten Haaren passen. Mama grinst mich an, als ich im BH vor ihr bin. "Tittchen freimachen." "Wie?" "Brüste befreien, Süße. Gleich wirst du oben ohne Fahrrad fahren." Was? Wir fangen an zu lachen. Ich kann nicht fassen, dass ich das tun muss. Ein Glück behandelt Mama mich und nicht jemand Fremdes. "Aber ich dachte, es ist nur ein Ultraschall." "Ich wollte sie nur aus der Fassung bringen. Ich muss mir das Herz auch bei Belastung anschauen, auch wenn du meintest, dass du beim Sport keine Probleme hast oder ich geh direkt in dein Herz rein, was die alte Schachtel bestimmt gemacht hätte." Mama verdreht schmunzelnd ihre Augen. Ihr steht dieser weiße Kittel echt und dass sie hier so einschüchternd wirkt und das Sagen hat, lässt mich echt stolz sein. "Ich gucke mir erst dein Herz im Ruhezustand an. Mal gucken, was ich so entdecke." Das kühle Gel wird von Mama auf meiner Brust verteilt, woraufhin man meinen Herzschlag durch den Monitor hört, als sie den Ultraschallkopf auf meine Brust legt. Wir sind still, während Mama ab und zu summt und dann etwas ausdruckt. "Ich will keine Koronarangiographie machen, aber ich kann nicht riskieren, dass du doch eine heranwachsende Herzerkrankung hast. Ich mache jetzt allerhöchstens einen Tag aus, wo wir eine kardiale Magnetresonanztomographie machen. Vielleicht liegt es auch an einem genetischen Aspekt. Eine leichte Minderversorgung ist auf jeden Fall vorhanden."
Nach dem Ultraschall und dem belastenden Teil, wo ich auf einem Fahrradergometer zwanzig Minuten sitzen und fahren musste, bin ich befreit und darf mich anziehen. Mama reibt sich die Wange und seufzt. "Du kannst gehen, Susi, das dauert nicht mehr lange." Die Schwester nickt und verabschiedet sich. "Und was habe ich?" Mama schürzt ihre Lippen. "Du bist komisch, Cana. Dein Problem lässt sich in vielem unterordnen, aber da ist dann immer ein Punkt, der eine konkrete Diagnose verhindert. Ich persönlich habe das Gefühl, dass du gestresst bist. Du bist sehr stark gestresst und ich weiß, wie sensibel du bist." Sie nimmt meine Hände in ihre und drückt sie. "Habe ich recht?" Abwartend schaut sie mir in die Augen. Ich werde nervös, weil sie recht hat. Ich will nichts von meinen Problemen erzählen, weil Mama sonst enttäuscht wäre. "Ich weiß es nicht." Ich zucke mit meinen Schultern und schaue auf unsere Hände. "Ich will dich nicht unnötig mit Tests und aufwendigeren Untersuchungen belasten, Cana. Deshalb will ich, dass du versuchst für zwei Wochen von dieser Belastung wegzukommen, die ich auf den Werten gesehen habe. Nach zwei Wochen machen wir ein MRT, okay?" Ich nicke und gehe dann mit ihr aus dem Raum. Ich wollte eigentlich mit dem Bus zurückfahren, aber Baba bestand darauf, mich zu fahren und auszufragen, was mir etwas unangenehm war, weil ich eben oben ohne Sport machen musste, Mama mich bis aufs intimste geärgert hat und ich ihm all das vorenthalten musste, obwohl es mir die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt hat.

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Herzensdieb
RomanceSpin-Off zu Akzeptanz. Sie hat ihre Mutter als Vorbild und will genau so eine rührende und bissige Liebesgeschichte, wie sie. Sie entspricht dem Ebenbild ihrer Mutter und eifert ihr gerne nach, auch wenn sie vom Charakter her weicher ist. Wie ihre M...