Kapitel 26

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Dean Lewis - Be Alright

Ich senke schnell den Blick und drehe mich um. Sein verletzter Blick lässt mich nur noch mehr Leid fühlen. Ich verstehe überhaupt nichts. Wieso schmerzt mein Herz? Wieso hat ihn diese Aussage so verletzt? Ich zittere und das liegt nicht an der Kälte des Januars. Die Tür hinter mir fällt ins Schloss, genehmigt mir, leise zu schluchzten und meinen Gefühlen ein wenig mehr freien Lauf zu lassen. Mein Nacken schmerzt wieder von dem Druck, der sich wie mehrere Kilos anfühlt. Dieser Besuch war das reinste Gefühlschaos. Wir haben uns umarmt, er hat mir etwas von sich erzählt, sich mir geöffnet und am Ende hatten wir beide Tränen in den Augen. Aber wieso hat er geweint? Anfangs kam es mir wie eine kleine Liebe vor, aber ich erhoffe mir mal wieder zu viel. Vielleicht war er einmal verliebt und wurde abgelehnt und das, was gerade passiert ist, hat ihn wieder in die alte Zeit zurückgeschleudert. Ich wische mir schniefend die Tränen weg und hoffe, dass keiner unten im Wohnzimmer sitzt oder sonst wo. Meine Nase ist bestimmt ganz rot und von meinen Augen will ich gar nicht erst reden. Ich weiß nicht wieso es mir so wehgetan hat, ihn so zu sehen, aber mehr Schmerzen bereitet es mir, dass ich kurz davor war einen riesigen Fehler zu begehen. Ich darf mich nie wieder so leichtsinnig benehmen, nie wieder. Ich wollte ihn küssen und er wollte mich küssen, aber er hat nicht dieselben Gefühle wie ich für ihn ... oder? Mein Herz sagt mir, dass ich nicht so pessimistisch sein sollte, aber man hat ja gerade gesehen, was passiert ist, als ich mein Hirn abgeschaltet habe. Ich atme tief durch und wische mir ordentlich die Tränen weg, ehe ich mit gekränkter Haltung ins Haus trete, mir aber davor die Kapuze übergezogen habe.

Schnell laufe ich die Treppen hoch und schließe die Tür ab, damit auch niemand meine Trauer sehen kann. Nur einmal öffne ich sie, weil Rocky winselt und an der Tür kratzt. Die Hunde lasse ich hinein und drücke mich schmollend an sie. War es ein Fehler, zu ihm zu gehen? Ich hätte ja nicht erahnen können, dass ich so emotional werde. Ich dachte erst einmal, dass ich komplett teilnahmslos sein werde und dann, als er mich zweimal in seine Arme gezogen hat, dachte ich, dass wir ganz friedlich einschlafen können, aber als er dann an meinem Bettelarmband herumgespielt hat, haben meine Gefühle und Gedanken herumgespinnt. Was macht er wohl gerade? Hat auch er Tränen vergossen? Vielleicht hat er sie ja noch zurückhalten können. Gerade sehne ich mich wieder nach ihm und möchte wieder alles klären. Wieder möchte ich von Angesicht zu Angesicht etwas ansprechen und vielleicht ein weiteres Geständnis erfahren. Ich möchte wissen, wieso er sich so verletzt gefühlt hat. Ich will morgen nicht in die Schule, aber gleichzeitig will ich ihn sehen. Wieso widerspreche ich mir so? Ich bin doch vor ihm abgehauen und nicht andersrum. Was wohl passiert wäre, wenn wir uns geküsst hätten? Wären wir ein Paar? Liebt er mich denn, sodass es dazu hätte kommen können? Irgendetwas muss er doch empfinden. Jetzt widerspreche ich mir wieder, weil ich doch vorhin an die vielen Jungs gedacht habe, die ein Mädchen einfach so küssen, ohne wirklich Liebe zu empfinden. Ich wünsche mir so sehr, dass es bei Ardan nicht der Fall ist.

Sollte ich ihm schreiben? Ich bin gerade im Sturm von Stolz und Sehnsucht gefangen. Ich will wissen, wie es ihm geht, aber ich will mich auch gleichzeitig fernhalten von ihm, weil meine Gefühle verrücktspielen und ich mich doch beherrschen will. Ein weiteres Mal will ich nicht mit meinem Herzen handeln, denn sonst endet es im Desaster mit einem gebrochenem Herzen - nämlich meinem. Wie soll ich das dann vertragen? Wie soll ich es vor Mama verstecken, die doch sonst so stolz auf mich ist? Wenn sie davon weiß, dann wird sie ganz und gar nicht stolz sein. Ich umklammere Rocky stärker, der meine Hand in seinen Mund nehmen will, um mich wahrscheinlich wieder so seinem gebuddelten Loch zu bringen, aber ich will hierbleiben. "Nein, Rocky, sitz", befehle ich schniefend. Tyson brummt bedauernd und legt seinen Kiefer auf meinem Kopf ab. Ich muss mich beruhigen, bevor meine Eltern kommen. Wir haben gleich 20:00 Uhr, verdammt! Meine Eltern müssten gleich kommen und ich bin alles andere als auf ein Aufeinandertreffen vorbereitet. Ich ziehe mir meine Jacke aus und halte die Luft an, weil ich immer noch sein Oberteil trage. Gerade fühle ich mich so verdammt wohl und so hübsch damit, egal wie verweint ich aussehe und wie geschwollen meine Augen auch sind. Ich muss es ihm wiedergeben, aber ... aber nicht morgen. Ich will unbedingt Klartext. Er tut mir so verdammt leid, obwohl ich keine Ahnung habe, wieso er so traurig war. Wir sind doch eigentlich Freunde und ich weiß doch, wie sehr er Freundschaften hegen und pflegen möchte. Ich ziehe mir einen Hoodie an, verstecke den grünen Pullover ganz weit hinten in meinen Kleiderschrank und lege mich auf mein Bett.

HerzensdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt