Kapitel 70

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Emily Zeck - Give It All

Der Tag vergeht so schnell, dass wir gleich schon 22:00 Uhr haben. In der Zeit haben wir Mau-Mau und Mensch ärgere Dich nicht gespielt, bevor wir einfach nur gequatscht haben. Dilan will durch ihres Wissendurstes immer noch nicht aufgeben und versucht Ardan alles aus der Nase zu ziehen, welcher sie freundlich abweist und von Yasmin zurechtgewiesen wird. Es hat echt gutgetan, mit den anderen etwas zu unternehmen. Vielleicht ist es nur eine reine Einbildung, aber es kommt mir so vor, als ob ich so lange nichts mehr mit ihnen als Gruppe unternommen habe, vor allem mit Ramzi und das will ich keines Wegs. Auf der anderen Seite will ich eben so viel Zeit mit Ardan verbringen, weil ich ihn so liebe. Ich hoffe, ich vernachlässige niemanden und werde Yasmin deshalb auch noch mal fragen. Eigentlich habe ich es mir immer so vorgenommen, dass ich es immer gerecht aufteile, wenn ich mit jemandem zusammen bin, aber da sieht man ja, wie viel eigentlich unbewusst und unwillkürlich passieren kann, wenn man dann verliebt ist. Ramzi erzählt gerade Ardan von unserer Zeit auf der Realschule, an die ich gerne denke. "Wisst ihr noch, als wir an Halloween dort waren und die Türen mit Ketchup und Spülung beschmiert haben und dann der Hausmeister kam", fragt Ramzi, woraufhin wir alle grölen. Das waren Zeiten! "Dieser Typ wohnt einfach neben der Schule. Oh Gott, wie wir gerannt sind", sagt Amal, die ebenfalls in Erinnerungen schwelgt. "Ich hatte echt Angst, dass er uns hinterherrennt. Das war echt aufregend." "Oh Gott, Cana war so ängstlich", erzählt Yasmin.

Ardan schaut mich lächelnd an. Im Gartenlicht leuchten seine Augen so schön und ich sehe die Reflexionen der Lichter in ihnen wieder, die wie kleine Sterne wirken. Wunderschön. "So ängstlich war ich gar nicht. Ich habe ja mitgemacht, aber es war so neu für mich", verteidige ich mich. "Du hast dich ganz wacker geschlagen", lobt mich Ramzi. Stolz klopfe ich mir auf die Schulter. "Ich muss schon sagen, dass wir so einiges erlebt haben", meint er dann. Unwillkürlich schaue ich zu Ardan, der durch die Gegend guckt und mich dann wieder anlächelt. Irgendwie will ich nicht mehr über unsere aufregende Vergangenheit reden, weil Ardan sich unwohl fühlt. Man sieht es ihm zwar nicht an, aber ich spüre es und trotzdem sehe ich es ihm irgendwie an. "Was machen wir morgen? Habt ihr schon Geld für den Sommerdom?", wechsele ich das Thema. "Ich freue mich so auf den Sommerdom. Ardan und ich gehen in den Liebestunnel." Ramzi gähnt und legt Ardan beim Strecken den Arm um die Schulter. "Sowas gibt es dort?", fragt Dilan, die sich sicherlich fragt, wie sie und Adam dort hingelangen. "Nein, aber ich kann ja mein Zimmer zu einem Liebeszimmer machen." Ramzi zeichnet ein Herz in die Luft und schickt ihn mit einem Luftkuss zu Ardan. Lächelnd senkt er den Blick. Sein Grübchen sticht hervor, wie süß. "Mit Ardan müssen wir auch wilde Geschehnisse erleben", meint Yasmin. Es freut mich, dass sie ihn so einbeziehen. "Ja", schnurrt Ramzi. Verlegen lächelt mein Ardan, seine Schultern heben sich an. Ich bemerke, wie sehr er sich darüber freut. Mich macht diese Tatsache ebenfalls sehr glücklich.

"Ich weiß nicht, ob man mit mir so etwas erleben kann", seufzt er dann. Nein, keine Selbstzweifel, schmolle ich innerlich. "Wieso das denn?", fragt Dilan. "Na ja ..." Ardan senkt den Blick auf seine sich drehenden Daumen. "Ich bin eher ruhig und langweilig." "Was? Du bist nicht langweilig. Hör auf, so von dir zu denken!" Ramzi ist sofort an Ort und Stelle und lässt sich auf seinem Schoß nieder. Ardan hebt überrascht die Augenbrauen und sieht irritiert zu, wie Ramzi über seinen Kiefer streicht. "Meine Freunde sind nicht langweilig." Ich lächele, da die Beziehung der beiden echt schön ist. Ich hoffe so sehr, dass sie auch für immer so bleibt ... auch wenn Ramzi von ihm und mir Bescheid weiß. "Ardan ist unser Philosoph, dem man stundenlang zuhören kann", spricht Yasmin für mich. Sie hat so recht. Ich könnte ihm stundenlang zuhören, wie er über seine Gedanken spricht und Gedankengänge von Philosophen in Frage stellt. Wie er gewisse Dinge sieht, ist einfach faszinierend und beruhigend. "Dankeschön", murmelt er verlegen. Gott, ich will ihn abknutschen! "Wie war das denn früher so?", fragt Amal zögernd. Ich sehe sie undefinierbar an und schaue dann zu Ardan, der zulässt, dass Ramzi an seinen Haarsträhnen zupft. Er bringt es nicht einmal übers Herz, Ramzi von seinem Schoß zu schieben. "Du musst es uns nicht erzählen", wende ich dann ein. Ich weiß doch, wie unwohl er sich dabei fühlt, auch wenn ich unbedingt jedes einzelne Detail wissen möchte. Er schaut mich mit gemischten Gefühlen an. Denkt er wirklich darüber nach, uns etwas über seine Vergangenheit zu erzählen?

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