Kapitel 46

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gnash - the broken hearts club

Heute ist Samstag und dieser Samstag wird gut, denn Mama ist von ihren ganzen OPs befreit und hat Zeit für mich. Ich bin verdammt glücklich darüber und habe die Tage zudem gespürt, wie viel Aufmerksamkeit mir meine Eltern geschenkt haben. Mama muss Baba von meinem Problem mit der mangelnden Anwesenheit erzählt haben. Er hat mir seitdem immer etwas aus dem Krankenhaus mitgebracht - und Burger. Jetzt habe ich schon mein eigenes, kleines Hirnmodell. Eigentlich bin ich so, dass, wenn ich am Wochenende müde aufwache, mich wieder in den Schlaf wälze, aber diesmal reibe ich mir die Augen und mache mich in meinem Bad frisch. Ich will so viel vom Tag mitbekommen. Es ist halb sieben - das ist nicht normal für mich. Jedoch kann es an meiner inneren Uhr liegen, dass ich so früh aufstehe, denn, wenn ich mich am Tag davor innerlich vorbereite, früh am nächsten Tag aufzustehen, dann ist es auch so gut wie immer so. Es ist noch sehr still im Haus, selbst die Hunde schlafen noch. Munter tapse ich die Treppen hinunter und öffne die Schlafzimmertür meiner Eltern. Unzufrieden murre ich. Wieso sind sie noch am Schlafen? Sofort brummt Baba und schaut mich halb schlafend an. "Wie viel Uhr haben wir?", murmelt er rau. "Halb sieben." "Wieso bist du schon wach?" "Weiß ich nicht." Er rutscht an den Rand und schlägt die Decke zurück. Grinsend schlüpfe ich zwischen die beiden und schaue an den Spiegel an der Decke über dem Bett. Das füllt mich mit total viel Energie. Ich bin so glücklich. Müde schmunzelt er mich an. Mama schläft noch tief und fest. Sie ist, was den Schlaf angeht, das komplette Gegenteil von Baba. Baba steht bei dem kleinsten Geräusch auf und braucht nicht so viel Schlaf, wie Mama.

Sie windet sich und öffnet ihre Augen. Streckend windet sie sich und schließt dann wieder ihre Augen, legt aber ihren Kopf auf meine Brust. "Seit wann hast du so große Brüste, Can?", murmelt sie. Mir schießt die Hitze und Röte ins Gesicht. Das hat sie doch nicht ernsthaft gefragt. Mit offenem Mund schaue ich zu Baba, der sich über seine Stirn fährt. Ihm ist es genauso unangenehm wie mir. Oh Gott, Mama ist so ein Dussel! "Das ist deine Tochter." Sie brummt. "Sie wächst so schnell." Brummend drückt sie mich fester an sich. "Can, dein Gewebe gibt nach, du Fettsack." Ich halte mir die Hände vor mein Gesicht. "Das ist immer noch deine Tochter." Er zieht an ihrer Haarsträhne. Murrend öffnet sie ihre Augen und glubscht auf meine Brüste. Dreckig grinst sie und schaut zu mir hoch. "Das ist ein guter Morgen." "Mama!", quietsche ich. Sie muss mich immer blamieren. Lachend zieht sie mich auf ihren Oberkörper und fällt wohl wieder in den Schlaf. Ich spüre ihr Satinnegligé und decke ihre Brust zu, weil der Spitzenstoff an ihrer Brust leicht transparent ist. Wieso mache ich das überhaupt? Ich glaube, ich sollte nie wieder in das Schlafzimmer meiner Eltern kommen. Aber trotzdem fühle ich mich wohl, einfach, weil ich die beiden so vermisst habe. Ich klammere mich an meine Mama und ziehe Baba näher zu mir. Ich brauche diese positive Energie. Das tut mir mehr als nur gut. Sofort beruhige ich mich und könnte glatt wieder einschlafen. Wann war ich das letzte Mal im Bett meiner Eltern? Als Kleinkind. Es ist schon etwas sonderlich - glaube ich -, dass eine 16-Jährige in das Bett ihrer Eltern kommt. Aber, wenn man eine sehr emotionale 16-Jährige ist, die die Zeit mit ihren Eltern nicht so routinemäßig, wie andere, genießen kann, dann kann man es sich auf jeden Fall erlauben.

Ich habe noch ein wenig Geschlafen, bin aber genau dann aufgewacht, als Mama in die Küche gegangen ist und für Baba Frühstück gemacht hat. Baba verabschiedet sich mit einem Kuss auf die Stirn von mir und geht auf seine Ehefrau zu, die sich schmunzelnd zu ihm dreht. "Was möchtest du?" Er spitzt mit starken Kussgeräuschen seine Lippen und knutscht ihr ganzes Gesicht ab. "Cana, schau weg." Das macht mich echt glücklich. Glücklich, weil ich an Ardan und mich denken muss. Das würden wir doch auch tun, oder? Manchmal freue ich mich über die gedanklichen Szenarien so sehr, dass mir Tränen in die Augen steigen. "Viel Spaß auf der Arbeit." "Dank mir lieber, dass du zu Hause bleiben darfst." "Mache ich", säuselt sie. Baba tritt schmunzelnd aus der Küche und verabschiedet sich noch einmal von uns. Da kriege ich schon viel mehr Lust auf eine Beziehung, wenn ich die beiden sehe. Aber Mama möchte das nicht. Sie will, dass ich mich auf die Schule konzentriere. Sie will das, was ich am Anfang auch wollte. Ich habe nicht das erreicht, was ich mir gesetzt habe. Etwas unwohl kratze ich meinen Kopf. Ich will mir deshalb nicht allzu viele Sorgen machen. Am besten vergesse ich es wieder ganz schnell. "Heute gehen wir einkaufen und dann machen wir ... keine Ahnung, was wir danach machen. Nach den ganzen OPs will ich einfach nur entspannen." "Wie viel musstest du operieren?" "Frag nicht", stöhnt sie erschöpft. "Am Montag gab es eine Not-OP auf der Kardio-Station, während ich an jemanden in der Allgemeinchirurgie operiert habe. "Und was ist mit den beiden anderen Ärzten?" "Die alte Zicke ist nur Kardiologin und hat keine Befugnis zum Operieren und der andere war selber im OP." "Und wie hast du das dann getan?" Sie legt den Teller mit dem Gemüse auf den Tisch.

HerzensdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt