Lewis Capaldi - Hold Me While You Wait
Ich bin in einem negativen Gefühlschaos. Wut, Trauer und Resignation schwirren umher und geben mir mit jedem Wirbel mehr dieser Empfindungen. Der Grund trägt einen schönen Namen: Ardan. Ardan, was mache ich nur mit dir? Es ist nach Mitternacht und ich weiß, dass du all die Nachrichten auf deinem Sperrbildschirm gelesen hast. Um diese Uhrzeit gibt es keine Untersuchungen mehr und ich weiß doch, dass du nach deinen Angina Pectoris Anfällen nicht schlafen kannst, aus Angst. Wieso meldet er sich nicht, statt sich zu isolieren? Ich tue ihm doch nichts. Ich gebe ein kleines Seufzen von mir, als ich die Decke wegschlage. Ich kann sowieso nicht schlafen, dann beschäftige ich mich in der Küche oder so. Die Tür öffne ich nur einen Spalt weit, weil Yasmins Tür nachts gerne zu knarzen beginnt. Hoffentlich wacht keiner der Eltern auf, da ich nicht weiß, was ich als Begründung nehmen soll. Ich könnte zwar einfach sagen, dass ich nicht schlafen kann, aber so wie ich die beiden kenne, weiß ich, dass sie mir helfen wollen und sich um mich sorgen. Wie es morgen mit Mama sein wird? Ich vermisse sie. Ich will wieder ihre Aufmerksamkeit kriegen. Wie lange das noch so weitergehen wird? Wie unser Silvester sein wird? Es ist ja schon bald. Die Ferien sind nah. Wird es Ardan bis dahin gut gehen? Ich frage mich seit Stunden, wie es zwischen uns sein wird, wenn er entlassen wird. Wie wird unser nächstes Treffen? Wie werden wir aufeinander reagieren? Wie wird es enden?
Ich tapse leise die Treppen hinab und schalte das Blitzlicht meines Handys ein, um die Lichter nicht anzuschalten. Es ist so still hier, da will ich niemanden stören. Im Kühlschrank gibt es Pudding, den ich mir nehme, genau wie den Löffel aus der Schublade, dann aber zusammenzucke, weil jemand oben die Treppen hinunterkommt. Mit dem Pudding stehe ich mitten in der Küche, warte, bis die Person in die Küche kommt und erkenne anhand Silhouette Ramzi, der das Licht anschaltet. Durch die plötzliche Helle kneife ich meine Augen zusammen. "Willst du unseren Kühlschrank ausrauben?", fragt er mich. Es beruhigt mich, dass ein typischer Ramzi-Spruch gekommen ist. "Ihr habt guten Pudding da." Ich zucke schmunzelnd mit meinen Schultern und deute mit meinen Augen auf den Schokopudding. Er soll doch bitte noch einen Spruch raushauen. Es lockert mich auf. "So, so, du kommst nur hierhin, um unseren Pudding zu klauen, du kleine Puddingdiebin." Wie gut es tut, dass er so ist. Ich lächele. "Willst du auch?" Nun schnappt Ramzi empört nach Luft. "Jetzt darf ich mir nicht einmal allein einen Pudding aus meinem Kühlschrank nehmen! Ich sollte dich hier hochkant rausbefördern." Ich kichere, wegen seiner nasalen Aussprache.
Diese Konversation tut mir so unfassbar gut. Ramzi zieht seine Shortbund hoch und watschelt breitbeinig auf mich zu, um mir meinen Löffel und den Pudding zu klauen. "Bevor ich noch die Polizei alarmiere", murrt er. Ich hebe belustigt und ergebend meine Hände, bevor ich mir wieder Pudding aus dem Kühlschrank hole und mir einen Löffel aus der Schublade nehme. "Komm, lass uns ins Wohnzimmer." In der Küche ist es sowieso zu kühl. Wie kann er in diesen Shorts nicht frieren? Ich lege Pudding und Löffel auf dem Couchtisch ab, um die Tagesdecke, die auf der Sofalehne liegt, auszubreiten. Ramzi macht sich auf dem Sofa breit und denkt gar nicht daran, aufzustehen. "Gut, wenn du es so willst", summe ich bescheiden, bevor ich mich auf seine Beine setze und er ein Drama beginnt. "Um Gottes Willen, du kleiner Fettsack wiegst mehr, als ich heute gestemmt habe! Wie viel Pudding hast du gefressen?" Ramzi fängt an zu hyperventilieren und anscheinend verschlimmere ich es, indem ich durch seine hellbraune Mähne fahre. "Das sage ich Ardan", murrt er. Ouh. Ich entziehe meine Hand abrupt aus seinem Haar. Es zieht sich in meiner Magengegend zusammen und meine Laune sinkt leicht. Ihm böse sein, kann ich nicht. Er weiß ja nicht, was los ist. Ramzi bemerkt anhand meines Gesichtes, dass etwas nicht stimmt und setzt sich langsam auf. Um es ihm zu erleichtern, hebe ich mein Becken kurz an.
"Was ist passiert?", fragt er mich nun sanft. Ich will nicht, dass meine Gefühle jetzt hochkommen und ich kämpfe gerade sehr damit, es irgendwie zu unterdrücken - sei es durch das leichte Schaukeln oder das Zudrücken meiner Hände. Er schlüpft vorsichtig unter die Decke. Ich spüre seine besorgten Augen, die meine angespannte und gleichzeitig gekränkte Haltung mustern. "Cana, gibt es ein Problem?" Ich nicke, obwohl ich es nicht wollte. Ich kann es ihm nicht sagen. Ardan will es nicht. "Was ist passiert?", möchte er besorgt wissen. Die Sanftheit seiner Stimme macht mich noch sensibler, genau wie sein Arm, der sich um mich legt. "Es ist die Tage so stressig ..." Was soll ich ihm bloß sagen? "Wieso denn?" Wenn ich es dir doch bloß sagen könnte, Ramzi. "Keine Ahnung, die Dinge spitzen sich einfach zu und dann war ja noch die Sache mit Didem, was mich schon eine längere Zeit belastet hat." "Wieso das?" Ich seufze. "Sie hat es irgendwie mitbekommen und mich darauf angesprochen. Sie hat mir indirekt damit gedroht, dir zu erzählen, dass ... du weißt schon ... er und ich zusammen sind", flüstere ich am Ende. "Ich wollte das unbedingt verhindern, weil ich nicht wollte, dass du verletzt wirst, was am Ende ja doch irgendwie passiert ist", nuschele ich gegen Ende leicht trotzig. Ramzi hätte es nicht auf diese Wege erfahren sollen, aber andererseits weiß ich gar nicht, wie ich es ihm hätte sagen sollen.
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Herzensdieb
RomanceSpin-Off zu Akzeptanz. Sie hat ihre Mutter als Vorbild und will genau so eine rührende und bissige Liebesgeschichte, wie sie. Sie entspricht dem Ebenbild ihrer Mutter und eifert ihr gerne nach, auch wenn sie vom Charakter her weicher ist. Wie ihre M...