Herzensdieb

Kapitel 115

Sleeping At Last - Chasing Cars

28. Dezember

Heute besuche ich dich wieder. Es hat den Abend davor geschneit, Ardan und ich habe mich so danach gesehnt, mit dir und den Hunden spazieren zu gehen bei dem schönen Schnee. Du weißt gar nicht, was alles in der kurzen Zeit, in der du im Koma liegst, passiert ist. Ein dreckiger, ehrenloser und inkompetenter Arzt hat dir etwas angetan, was er bereuen wird. Du liegst deshalb im Koma, aber das weißt du noch nicht. Du schläfst tief und fest unter Beobachtung aller Ärzte und Schwestern hier auf der Station. Du wirst überfordert sein, sobald du erwachst und ich stelle es mir schon so süß vor, wie deine grünen Augen Verwirrung und Überforderung zu gleich zeigen. Mama weiß von uns. Nicht, weil ich es ihr erzählt habe. Sie hat eins und eins zusammengezählt, als die OTAs sie geholt haben, weil du in Gefahr schwebtest. Wenn ich könnte, würde ich dich verprügeln dafür, dass du mir verheimlicht hast, dass Mama dich die ganze Zeit behandelt, aber das hebe ich mir für dein Erwachen auf, denn mit dem Erfahren unserer Beziehung hat sie etwas anderes auch erfahren und dafür will ich dich umbringen. Wir durften dich zwei Tage nicht sehen, weil dein armer Körper ganz viele Untersuchungen durchmachen musste, von denen du einige Namen sicherlich kennst. So, wie ich dich einschätze, würdest du die Physik und Mathematik der Verfahren vor Augen holen. Sicherlich hast du dann Zahlen und Formeln vor deinen schönen, grünen Augen.

Als ich dich endlich besuchen durfte, wusste ich nicht, ob ich glücklich oder traurig sein sollte. Du lagst reglos vor mir und deine Mutter hat schrecklich geweint. So sehr, dass es mir wehgetan hat. Das Stechen in meiner Brust kam wieder und das so stark, dass ich mich kaum bewegen konnte. Da durfte ich mich einmal so fühlen wie du. Heute bin ich nach meinen Untersuchungen wieder bei dir und ich reinige dich. Deine Mutter hat dich gestern schon gewaschen, aber ich will es auch unbedingt machen. Ich möchte deine Wärme spüren. Es tröstet mich, über deine reine Haut du fahren, deine Hand zu streicheln und deine Haare zu berühren. Mein schöner Ardan. Ich weiß nicht, wann du erwachst und es bricht mir jedes Mal das Herz, wenn ich Mama verzweifelt frage, ob die Wahrscheinlichkeit doch besteht, dass du früher als gedacht aus dem Koma erwachen kannst und sie es mir leider verneinen muss. Ich will deine Stimme wieder hören. Es macht mir Angst, dich so zu sehen, auch wenn du in Sicherheit bist. Wenn ich dich jetzt sehe, will ich dich am liebsten mit nach Hause schleppen. Ich trage dein Parfüm. Ich liebe den frischen Duft und bin sogar zur Parfümerie gegangen, um nach Cool Water zu fragen. Jetzt habe ich auch eine Flasche davon und trage es jedes Mal auf deinen grünen Hoodie auf, bevor ich schlafen gehe. Ich trage ihn auch jetzt. Er ist kuschelig und warm und bei jedem neuen Vernehmen deines Parfüms stelle ich mir vor, wie du mich von hinten umarmst. Nachdem ich dich mit dem Lappen gereinigt habe, sprühe ich dich auch mit dem Parfüm ein. Ich sprühe es sogar ins Wasser, bevor ich damit über deine Haut fahre.

Ich habe es unseren Freunden erst gestern erzählt. Ramzi hat wieder geweint. Du kannst dir nicht vorstellen wie rot seine Augen jetzt schon wieder sind. Er kann dich nicht lange anschauen, weil ihm die Tränen wieder aufsteigen. Miran ist völlig verstummt sowie Adam. Aiman weiß auch Bescheid. Er ist erst gestern wieder nach Hause gekommen. Ihm ging es nicht gut und er brauchte Auszeit, die er bei meinen Großeltern bekommen hat. Er ist auch hier. Er weiß auch von uns Bescheid und du weißt ja, wie streng ich ihn fand. Er war angespannt und hatte Schuldgefühle, weil er etwas getan hat, was er niemals tun sollte, aber er kriegt Hilfe. Er hat es erstaunlich gut verkraftet, als ich es ihm gestern kurz vor Mitternacht erzählt habe. Er findet, dass du ein guter Junge bist und er dir vertraut. Das stimmt auch. Du bist ein reiner Junge, der so viel Liebe in sich trägt. Du wirst geliebt, Ardan. Ich kenne niemanden, der trotz so viel Unruhe um sich herum so viel Ruhe und Frieden ausstrahlen kann. Ramzi legt gerade den Kopf auf deinen Bauch und drückt sich an dich. Du spürst es zwar nicht, aber jeder andere hier im Raum. Wie sehr ich mich freuen würde, wenn du ganz plötzlich deine Hand auf seinen Kopf legen könntest, aber das ist gerade unmöglich. Dein Körper muss heilen. Dein Herz heilt sowie meins.