Kapitel 3

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Hailee Steinfeld ft. Alesso - Let Me Go

Etwas ausgeschlafener stehe ich vor meinem Schrank und suche mir Kleidung raus. Freitags habe ich immer die ersten beiden frei, weil ich Sozialwissenschaften abgewählt habe. Tante Ranja meinte, dass der Zusatzkurs in der dreizehnten Klasse sowieso ganz entspannt ist. Heute sind es fünfundzwanzig Grad, also nehme ich mir meine dunkelblaue, high-waisted Jeans und versuche mit meinen Füßen nicht an den Löchern hängenzubleiben. Summend suche ich nach einem passenden Oberteil und entscheide mich für das gelbe Top, welches ich mir dann in die Hose stopfe. Gleich habe ich Spanisch. Mama meinte, dass alle lügen, was Vokabeln angeht. Sie hat die Vokabeln auch nicht jedes Mal wieder aufgefrischt, sondern nur gelernt, falls sein Vokabeltest angekündigt wurde. Na ja, Mama findet sowieso vieles einfach. "Cana, ich gehe schon mal in die Küche", sagt Amir. "Ja." Ich gehe ihm nach, als ich fertig bin und ziehe mir in der Küche die Socken an. Das Wochenende wird endlich wieder gemeinsam mit unseren Eltern sein. Baba kommt etwas später als Mama und muss morgen leider wieder arbeiten gehen. "Amir, ist dein Studium schwer?" Er seufzt. "Es geht. Man hat viel zu schreiben, aber eigentlich ist es einfach, wenn das Interesse groß ist. Eigentlich wollte ich ja eher in die mathematische Richtung, aber Mama ist ausgerastet. Du weißt ja, wie sehr sie Mathe hasst." Ich schmunzele. "Kann ich verstehen." "Mathe ist das Einfachste der Welt." Ich verdrehe meine Augen. Alle können Mathe, nur Mama und ich nicht. Ich streife mir meine Locken zurück und belege mein Brot.

Ob der scheiß Junge auch in Spanisch ist? Am Montag haben wir auch Spanisch, aber da wir nur vier Stunden hatten, weiß ich es nicht. Aber das ist doch eigentlich egal. Danach habe ich zwei Stunden Biologie und freue mich schon sehr darauf. "Immer noch kein Mädchen gefunden?" Er schüttelt seinen Kopf. "Willst du deinen liebsten Bruder loswerden?" Amir schmollt. "Dich doch nicht", gebe ich sarkastisch von mir. Amir ist von uns allen der Ruhigste und hat am meisten Geduld. Er ist schon fast die Ruhe selbst. Wir erheben uns kurze Zeit später und kommen rechtzeitig an der Schule an. Wieder schauen einige das Auto und dann mich beeindruckt an. Ein Mädchen zieht ihre Augenbrauen zusammen. Was ihr Problem ist, weiß ich nicht. Na ja, mein Problem wird es jedenfalls nicht. Alleine sitze ich auf der Bank, genieße die Wärme und schreibe in die Cliquengruppe, wo sie sind. Ramzi, Miran und Yasmin haben Sozialwissenschaften und da jetzt Pause ist, müssten sie eigentlich jetzt kommen. Amal die Glückliche hatte schon eine Fremdsprache und hat freitags immer die ersten vier frei. Mein Blick gleitet nach links zum Oberstufengebäude, wo sie auch schon kommen. Ich lächele sie an und winke freudig, was Ramzi vor allem erwidert. Ich schaue Yasmin an und dann in grüne Augen. Moment, was sucht er denn bei meinen Freunden? Ich schaue nach vorne und ziehe leicht die Augenbrauen zusammen. Ramzi legt natürlich wieder seinen Arm um mich und singt meinen Namen. "Wo ist Dilan, der sprechende Mozzarella?" Schmunzelnd haue ich gegen seine Brust. Dilan ist nun mal sehr blass und wird von allen außer mir geärgert. Na gut, ab und zu drücke ich ihr auch mal einen Spruch rein, aber sonst halte ich mich zurück und schmunzele.

Ich will ihn nicht ansehen. Okay, er hat sich immer noch bei mir entschuldigt, aber irgendwie fühle ich mich so unwohl, weil er hier ist. Jetzt kann ich nicht mehr so sein, wie ich eigentlich bin. Ich schaue zu Yasmin, die wie verrückt grinst. "Yasmin", warne ich. "Yasmin, guck nicht so hässlich. Ach, das geht ja bei deinem Gesicht nicht." Gleichzeitig schlagen wir Ramzi, der schreit und schnurrt. Ich muss lachen und schaue automatisch zu dem scheiß Jungen, weshalb ich schnell wieder wegschaue. Oh Mann, das war irgendwie komisch. Gott, was ist los mit mir? Ich schaue an ihm vorbei und sehe Dilans strahlend grün-blauen Augen. Sie begrüßt uns alle und auch den scheiß Jungen. "Wie heißt du eigentlich?", fragt sie ihn. "Wie unhöflich er doch ist", schnaubt Ramzi. "Ardan", antwortet er dann mit dieser sanften, rauen Stimme. Oh Mann, das hat sich echt schön angehört. Ardan, der Feurige, der Feuergeber. Der Name hört sich echt schön an. Es stört mich, dass ich so viel an ihn denke und er eben nicht. Also, ich bin mir sehr sicher, dass es so ist. "Cana, wann haben wir unser Date?", fragt Ramzi gestresst und fährt sich über seine Stirn, die er in Falten legt. "Ich muss in meinen Terminkalender gucken, ich habe keine Zeit für dich", sagt er dann und schnipst Miran zu. "Termine für heute, schnell, Sklave." Miran trinkt seinen Durstlöscher aus und schmeißt die leere Packung gegen Ramzis Kopf. "Scheint wohl nichts drinzustehen", meine ich. Er kneift mir in meine Wange. Ich winsele, weil alle immer so feste zukneifen. "Kommt, lasst uns hoch. Es klingelt gleich", meint Miran. Wir laufen hoch und auch der scheiß Junge kommt wieder mit. Ich zucke mit meinen Lippen. Irgendwie stört es mich, dass er bei uns ist. "Cana, setzt du dich wieder nach vorne?", fragt Dilan mich, was ich bestätige. Keiner will vorne sitzen.

HerzensdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt