Kapitel 22

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Chelsea Cutler - The Reason

Wie soll ich jetzt vorgehen? Ardans Nachricht hat mich jetzt noch mehr aus der Bahn geworfen. Wie soll ich das aufnehmen? Vielleicht meint er es ja anders, als ich es aufgenommen habe. Oh Gott, wieso kommen direkt zwei Felsen auf mich zugerollt? Ramzi liebt mich und Ardans Nachricht lässt mich ahnungslos da. Es sind mehrere Stunden nach beiden Neuigkeiten vergangen und trotzdem muss ich immer und immer wieder daran denken. Ich bin schon in der Luft, aber selbst die First Class der Emirates lenkt mich nicht ab. Ramzi hat nicht auf meine Nachricht geantwortet, was mich verrückt macht. Ich will ihn nicht verlieren, ich werde ihn nicht anders sehen. Er ist immer noch mein bester Freund, auch wenn er Gefühle für mich hat. Sein enttäuschter Blick ... ich habe Ramzi noch nie so gesehen. Konnte er schnell einschlafen? Ich habe keinerlei Informationen über sein Wohlbefinden jetzt. Ich könnte mir einen Film oder eine Serie anschauen, aber ich will nicht. Ich will nur Tacheles. Weder Ramzi noch Ardan können mir alles sagen. Ramzi hat sich jetzt von mir abgeschottet, sodass ich nicht weiß, wie es mit unserer Freundschaft weitergeht und Ardans Nachricht ist mir sowieso ein Dorn im Auge. Kann er mir nicht auch einfach seine Gedanken preisgeben? Ramzi hat es doch auch geschafft. Gerade stelle ich mir vor, dass Ramzi dezent eifersüchtig wird, wenn er von den Konversationen zwischen Ardan und mir wüsste, und dass ich gerade die von Ardan geschenkten Schokobons zu mir nehme, lässt mich irgendwie schuldig fühlen. Aber ich kann doch auch nichts machen! Ich darf mich nicht allzu stressen. Ich will Ablenkung.

Ich nehme mir das Tablett aus der edlen, Hochglanz-Holzhalterung und entscheide mich bei der riesigen Auswahl für The Big Bang Theory. Die Kopfhörer setze ich mir auf, habe mein Handy vorsichtshalber auf Laut gestellt und auf meinen Schoß gelegt, für den Fall, dass Ramzi schreibt. Ein Glück gibt es WLAN an Board, sonst wäre ich bestimmt verrückt geworden, wenn ich keine Auskunftsquelle hätte. Ich bin froh, dass mich Sheldon ablenkt und auch das Essen, welches auf dem ausziehbaren Tisch für mich serviert wird. Ich würde gerne wissen, was Baba zu dem Chicken Pahadi Kebab hält, denn, da er früh mit dem Kochen angefangen hat und mehrere Restaurants in verschiedenen Städten besitzt, kennt es sich gut aus mit Essen. Ich bedanke mich und beginne zu Essen, als meine kalte Cola mit der schwimmenden Zitronenscheibe auf den Tisch gelegt wurde. Das kann doch nicht wahr sein. Selbst das Hähnchen grün! Toll, selbst hier verfolgt Ardan mich. Die Minze steigt mir in die Nase, genau wie der Koriander, der für die grüne Marinade des Fleisches verantwortlich ist. Unwillkürlich muss ich an mich und Ardan in der Küche denken, wo er mir erzählt hat, dass er nur das Fleisch isst, welches seine Mutter zubereitet, weil er zweimal in einen Burger gebissen hat, dessen Fleisch nicht ganz durch war. Also würde er das hier mit wenig Genuss verspeisen können, oder? Er wäre sicherlich skeptisch, aber ich bin mir sicher, dass die Hähnchenbrustteile ganz durch sind.

Was macht er wohl gerade? Werden wir wieder schreiben? Ab Montag werden wir eigentlich vier Tage in Dubai verbringen, weil der Kongress am 28. Januar beginnt, aber wir bleiben bis Freitag. Wenn Didem das wüsste, würde sie ganz grün vor Neid werden - da haben wir wieder das Grün-Sehen-Phänomen. Gerade überkommt mich ein Impuls, die private Suite hier zu posten. Ich mache ein Video, bei dem ich erst die Wolken filme und dann zum Essen übergehe. So, das kann ich auf Snapchat posten. Zwar hat Didem mich nicht, aber mir ist bewusst, dass jeder andere, der mich aus der Stufe auf Snapchat hat, ihr das schicken oder zeigen kann. Aber kommt das nicht irgendwie abgehoben vor? Ach, was rede ich da? Sonst bin ich das stille Mäuschen, das nie über das redet, was ich besitze und was meine Eltern mir und sich selbst ermöglichen. Ich darf doch wohl zeigen, dass ich es mir auf exquisite Art und Weise einen Flug gönne. Die einzige Person, die mir unterstellen würde, ich sei Abgehoben, ist Didem. Ich werde ihr Problem niemals verstehen können. Ich habe ihr überhaupt nichts angetan und sie hat direkt Hass empfunden. Wie Ardan es wohl ausdrücken würde? Bestimmt würde er sagen, dass sie eine große negative Ader hat - so würde ich es eher sagen. Während ich mein Essen verspeise, schaue ich nach rechts, wo in der Mitte Mama und Baba sitzen und sich ärgern. "Ich will dem Chefkoch einen Kuss für das Fleisch geben." "Du bist schon ziemlich frech, wenn wir nicht alleine sind, huh?" Baba schaut sie grimmig an, während Mama sich nicht halten kann und loslacht. "Ach, komm." Sie drückt ihm einen Kuss auf die Wange. "Wenn wir die Türen schließen sind wir alleine", flüstert sie. Innerlich kreische ich und schließe meine Türen sofort. Oh Mann, das ist ja schon das zweite Mal hintereinander. Ich schüttele den Kopf und hoffe, dass die beiden artig ihre Speisen zu sich nehmen. Ich muss trotzdem schmunzeln und als ich Ardans Namen auf meinem Handy lese, strahle ich.

HerzensdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt