Mit einem Geistesblitz bahne ich mir einen Weg nach vorn zu Astrid. Sie läuft ganz vorn und hat gerade ihr Gespräch mit Frau Gerlach beendet, soweit ich das beurteilen kann.
Als sie mich bemerkt, schenkt sie mir ihr bereits bekanntes Lächeln, welches direkt positive Gefühle auf mich überträgt.
„Es ist wirklich schön hier", beginne ich, könnte mich dafür im selben Moment jedoch selber ohrfeigen. So war mein Geistesblitz nicht aufgebaut. Zumindest klang dieser nicht so in meinen Gedanken.
„Deswegen bin ich auch in diesen wunderschönen Ort gezogen", antwortet sie grinsend. Perfekt.
„Du hast noch nicht immer hier gewohnt?" So bekloppt ich mir auch vorkomme – immerhin fühlt es sich so an, als könnte ich es nicht offensichtlicher machen – ich bin scheinbar auf dem richtigen Weg.
Mein Gefühl scheint mich dieses Mal jedoch wirklich zu täuschen. Zurecht, denn Astrid wird meine Intention nicht erahnen können. Sie ist mit ihrer offenen Art wohl auch bereit, mir ihre Herkunft auszubreiten.
„Nee, das war ein langer Weg, bis ich hier sesshaft wurde", beginnt sie und zieht ihren Zopf fester. Anni hat die paar Schritte zu uns aufgeholt und hört nun ebenfalls gespannt zu. Seit ich sie gestern Abend von meinem Misstrauen überzeugen konnte, ist sie scheinbar auch ganz Ohr, Informationen zu bekommen.
„Geboren wurde ich in Hamburg. Meine Eltern sind viel gereist. Also damit meine ich nicht, dass sie gern in den Urlaub gefahren sind, sondern dass sie sich nicht wirklich entscheiden konnten, wo sie nun wohnen wollen. Zumindest habe ich das damals immer so aufgefasst und bin noch immer sehr überzeugt davon." Ihr Lächeln erlischt nicht, obwohl man das nach dieser Aussage denken könnte. Im Gegenteil, ihr Lächeln wird breiter. „Für mich war das eher stressig, nie ein wirklich standhaftes Umfeld aufbauen zu können. Aber ich habe es in gewisser Weise auch genossen und mein Leben ausgekostet. Damit auch die Vorteile, die mit einem ständigen Wohnortwechsel kommen. Ich habe schon immer probiert, die positiven Sachen hervorzuheben."
Ich hebe eine Augenbraue. „Was kann ich mir da für Vorteile drunter vorstellen?"
Sie lacht. „Ein richtig gutes Beispiel, gerade für euer Alter, sind Jungs. Glaubt mir, man lernt sehr viele kennen. Und wenn man sowieso weiß, dass man demnächst ganz woanders wohnt, was hat man da dann noch zu verlieren?"
Verstehe. Anni und ich tauschen einen Blick und wissen beide, was der andere denkt. Solch einen Vorteil hätten wir nicht von Astrid erwartet.
„Und wo war der schönste Wohnort?", gehe ich einen Schritt weiter.
Astrid muss dafür nicht lang überlegen. Es wirkt, als wäre das sowieso ihr nächster Punkt gewesen.
„Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es wirklich Köln war, worin ich mich verliebt habe, oder ob es der junge Mann war, der es mir mehr angetan hat." Sie schmunzelt verschmitzt. „Aber ja, Köln war eine ziemlich schöne Station für mich", ergänzt sie nun eine Spur nachdenklich.
Ich schlucke. Anni guckt mich an. Ihre Gedanken überschlagen sich. Ebenso wie meine.
Hinter mir kommen immer schnellere Schritte auf mich zu, ehe sich ein Handy in mein Blickfeld schiebt. Nur schwer erkenne ich Paulas Namen, zu sehr spiegelt sich der blaue Himmel mit den leichten weißen Wolken im Bildschirm. „Sie möchte dich kurz sprechen, geht es gerade?", fragt Alex und reißt mich komplett aus dem Kontext meiner Gedanken. Das passt gerade nicht wirklich zu meinen Überlegungen.Paulas und mein Gespräch lief auf wenige Minuten hinaus, in denen sie sich einfach nur versichern wollte, dass bei mir alles gut ist und ich eine schöne Zeit habe. Trotz meiner darauf folgenden kritischen Musterung von Alex rückt er nicht mit dem kleinsten Hinweis heraus, dass dieses Gespräch nur von ihm initiiert wurde, um mich von Astrid wegzuholen. Sollte dies sein Plan gewesen sein, hat er es erfolgreich geschafft, denn sie ist inzwischen in einer euphorischen Unterhaltung mit zwei anderen Schülerinnen.
Die Dämmerung hat bereits eingesetzt, als wir die letzte Strecke zur Jugendherberge zurück anstreben. „Also doch irgendwas mit Alex", grübelt Anni weiter. „Aber es bringt uns irgendwie auch nicht weiter, wenn wir uns so den Kopf darüber zerbrechen, oder?" Ich zucke mit den Schultern. „Da hast du wahrscheinlich recht. Aber trotzdem lässt es mich nicht in Ruhe, dafür ist meine Neugierde zu groß", gebe ich zu. Ich frage mich nicht zum ersten Mal, warum wir Menschen so an Geschichten interessiert sind, die uns eigentlich gar nichts angehen. Kommt man mit seinen Überlegungen und Anhaltspunkten nicht von der Stelle, wird der Drang nach Antworten nur noch schlimmer. Zurück bleibt dann ein einziger Bandsalat wie bei Kassetten, auf dem zwar einige Fakten abgespeichert sind, sie jedoch nicht mehr zum Ausdruck kommen können, bevor jemand nachhelfen kann.
Nachdem der Abend mit etwas zu lautem Gegröle in einem der Jungszimmer geendet ist, welches durch Frau Gerlach beendet wurde – es war wirklich ein lustiger Abend mit zu schnellem Ende nach meinem Geschmack - startet der Morgen unspektakulär. Anziehen, eine schnelle Katzenwäsche, Frühstück. Ungelegen kommen mir hier jedoch meine Tage, die mich schon mit Bauchkrämpfen geweckt haben.
„Hier hast du eine Tablette." Alex legt sie mir im Vorbeigehen auf den Tisch und gesellt sich dann zu den anderen Erwachsenen, um mit ihnen zu frühstücken. Hat er meine Nachricht in der letzten Sekunde wohl doch noch gelesen.
Ich drücke die einzige Tablette aus dem fein ausgeschnittenen Stück Blister und stürze sie mit einem Glas Wasser runter. „Bleibt wohl so ziemlich das einzige, was ich heute zu mir nehme. Mein weiblicher Körper zeigt mir mal wieder in vollem Umfang, wozu er fähig ist", sage ich und verziehe mein Gesicht.
„Nicht mal eine Scheibe Brot?", fragt Anni mit hoffnungsvollem Unterton. Ich schüttle den Kopf. „Es sei denn, du möchtest es halb verdaut vor dir liegen haben", entgegne ich.
„Ich glaube, das will keiner von uns. Nimm dir lieber was Leichtes mit, falls du auf dem Weg doch etwas Kleines essen möchtest", kommt von der anderen Seite ein Kommentar. Alina lächelt mich mitleidig an.Ich hoffe, dass mich mein Körper bei der bevorstehenden Wanderung nicht verlässt. Mein Geist hat es immerhin schon fast getan.
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Lang ist's her - viel zu lang. Aber ich habe es geschafft. Die ersten Zeilen dieses Kapitels sind tatsächlich letztes Jahr im Sommer entstanden. Der weitere Teil in den letzten Tagen.
Ich habe mich in letzter Zeit etwas mehr mit meiner Geschichte auseinandergesetzt, ein paar Teile gelesen, um hineinzukommen, und habe nebenbei auch eure Kommentare nicht unbeachtet gelassen. Da ich es nach so langer Zeit unglaublich fand, diese mal wieder zu lesen und zu merken, wie viele diese Geschichte hier tatsächlich gern gelesen haben, habe ich Motivation zum Schreiben gefunden. Und was soll ich sagen? Es hat Spaß gemacht, wirklich.
Deswegen hoffe ich, dass ich euch hiermit etwas Freude bereiten konnte. Denen, die nach all der aktiven, aber vor allem auch nach all der stillen Zeit, noch immer hier sind. Danke an euch!
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...