19 - Nicht ganz so hohle Höhlen

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Die Tür des Sekretariats geht auf und Paula erscheint in meinem Blickfeld. Sie platzt mitten in eine neue Eisdusche. Mein Körper zittert vor sich hin, möchte mich mit allen möglichen Mitteln wärmen, doch nicht mal meine dicke Winterjacke spendet mir einen Funken Wärme.
"Frau Martinson, gut, dass sie so schnell kommen konnten", beginnt Frau Melcher, die Sekretärin. "Josefine hat starke Kreislaufprobleme und Schüttelfrost. Sie sehen ja, dass sie gar keinen guten Gesamteindruck macht."
Paula kniet sich vor den Stuhl, auf dem ich sitze. "Wirst du wohl von Phil haben", stellt sie seufzend fest und greift mit der einen Hand an mein Handgelenk, die andere legt sie an meine Stirn. "Fieber, eindeutig."
Super, Frau Doktor Martinson, das habe ich mir sogar ohne Doktortitel denken können. "Ging es dir heute Morgen schon so schlecht?"
Ich zucke schwach mit den Schultern. "Es ging", flüstere ich mit brennendem Hals. Ich kann die Viren praktisch spüren, die sich an meinen Rachen klammern und freuen, auszubrechen.
Paula hilft mir hoch und ich brauche eine kurze Verschnaufpause, um meinen Kreislauf wenigstens etwas zu regulieren.

"Du siehst scheiße aus", brummt Phil mit kratziger Stimme.
"Selber", flüstere ich und ziehe mir die Decke bis unters Kinn. "Du hast das angeschleppt, ich darf es jetzt ausbaden. Vielen Dank."
Phils Lippen verziehen sich zu einem schrägen Grinsen, während er sich etwas auf der Couch aufrichtet und die Tasse Tee entgegennimmt, die er von Paula bekommt. Danach fühlt sie seine Stirn. "Du bist immer noch heiß."
Phils Grinsen wird breiter. "Das werde ich wohl auch immer bleiben."
"Selbstverliebt", murmele ich leicht lachend, bereue das im nächsten Moment jedoch, als mich der Husten einholt.
Paula boxt ihm gegen den Oberarm. "Du siehst gerade höchstens aus wie ein gekochter Sack Kartoffeln. Die nicht gründlich geschält wurden."
"Das, meine Liebe", beginnt Phil mit erhobenem Zeigefinger, "bekommst du zurück. Irgendwann. Wenn du krank auf der Couch liegst. Dann werde ich dich auch mit Komplimenten überschütten."
Das muss wahre Liebe sein. Ich kann mir ein Augenrollen nicht verkneifen. "So scheiße kanns dir ja nicht mehr gehen."
"Wenn ich ehrlich bin, dann..." Paulas Blick springt von Phil zu mir, "habe ich gedacht, dass Phil völlig übertreibt. Aber ihm gings die letzten drei Tage anscheinend wirklich mehr als bescheiden, wenn ich dich sehe."
Phil öffnet erbost über diese Aussage seinen Mund. "Was soll das denn jetzt heißen? Als wäre ich ein Jammerlappen."

So wirkte er vor drei Tagen schon ein wenig, als Paula und er aus deren Urlaub kamen. Es hatte ihn am letzten Tag erwischt. Man kann es auch positiv sehen: erst am letzten, nicht schon am ersten.

Die Buchstaben auf meinem Handy verschmelzen zu einem einzigen leuchtenden Ball.
Nur mit großen Anstrengungen schaffe ich es, auf den Chat mit Simon zu drücken. Unser heutiges Treffen kann ich ja nun absagen.
Wir haben uns nach Silvester noch öfter getroffen. Auf reiner Freundschaftsbasis - von beiden Seiten aus.

Völlig verschwitzt strampele ich die Decke von mir. Ich fächere mir Luft zu, doch ich fühle mich trotzdem noch wie in der Sahara.
"Ouh, das Krankenlager erweitert sich", kommentiert Alex, der gerade das Wohnzimmer betritt. Doch als er mich genauer unter die Lupe nimmt, verzieht sich sein Gesicht zu einer besorgten Miene. "Du siehst ja schrecklich aus."
Ich schlucke, um den Schleim in meinem Mund loszuwerden, doch diese Aktion ist nicht von größtem Erfolg gekrönt. "Kann ich was gegen Fieber haben?", frage ich dafür leise.
"Franco, bring mal ein Thermometer", ruft Alex in den Flur, statt mir zu antworten.
"Liegt da. Paula hat vorhin gemessen. 39,5." Schwach hebe ich meinen Arm und zeige auf den Tisch.

Und auch die folgende Messung zeigt keine Besserung. Phil greift neben sich und wirft mir einen Blister zu. "Paracetamol", kommentiert er. Da hat der Gute wohl auch schon ein paar vernichtet.
Alex reicht mir ein Glas Wasser, welches ich nur allzu gut gebrauchen kann.
Nach einer halben Stunde fühle ich mich so, als würde ich schweben. So plötzlich ohne Fieber, oder zumindest niedrigerem, fühle ich mich ganz leicht und frisch. Dennoch schlafe ich binnen weniger Minuten ein und habe kaum etwas von dieser Wirkung.

In den nächsten zwei Tagen vegetiere ich so vor mich hin. Phil war nach meinem ersten Tag schon wieder etwas auf den Beinen und hat sich um mich gekümmert.
Taschentücher und Nasenspray sind meine besten Freunde, die immer für mich da sind. Griffbereit stehen sie auf dem Couchtisch. Ich scheine bereits mit der Couch verschmolzen zu sein. Da ich eh immer wieder einschlafe, bleibe ich einfach über Nacht auf der Couch. Ist gemütlich, ist einfach, ist pflegeleicht. Also ich werde dadurch pflegeleichter.

"Geht es dir immer noch nicht besser?" Papa runzelt seine Stirn, während er mal wieder meine Stirn fühlt.
"Mir gings auch vier Tage richtig schlimm. Also bleibt ihr noch ein Tag", mischt sich Phil von der anderen Seite der Couch mit ein. Er ist noch immer krankgeschrieben und auch noch nicht zu hundert Prozent fit, also lassen wir gemeinsam die Zeit tatenlos vergehen.
Immerhin tolle Aussichten von Phil. Noch ein langer Tag in diesem Zustand.

Der viele Tee, der mir von allen Seiten gegeben wird, ja, sie baden mich praktisch darin, möchte natürlich irgendwann auch wieder raus. Natürliche Prozesse, alles kein Problem.
"Wohin des Weges?", fragt Phil sofort, obwohl ich mich gerade erst hingesetzt habe.
"Auf Toilette", gebe ich die knappe Antwort und stehe langsam auf. Mein Kreislauf dreht mal wieder durch, doch ändern kann ich daran eh nichts.
Seufzend verdrehe ich meine Augen. Und bereue diese Tat sogleich, als ein mir unbeschreiblich ekelhafter Schmerz durch die Stirn rollt. Automatisch fährt meine Hand an den Kopf. "Was war das denn?"
Phil richtet sich nun auch richtig auf und ist kurz darauf an meiner Seite. "Was war was?"
Ich reibe mir noch immer über die Stirn. Probehalber drehe ich meine Augen nach oben. Und wieder dieser stechende Schmerz. Jammernd verziehe ich mein Gesicht. "Meine Stirnhöhle ist voll."
Phil klatscht in die Hände. "Lauf mal los."
Ich weiß, worauf er hinaus möchte. Denn ich habe vorhin schon die ersten Anzeichen gespürt.
Statt Phils Anweisung zu befolgen, lasse ich mich wieder auf die Couch fallen. Ein leises Fluchen entweicht mir und ich lasse meinen Kopf nach hinten fallen. Noch ein leises Aua.
"Du hörst dich auch schon nach einer Nebenhöhlenentzündung an. Herzlichen Glückwunsch." Phil setzt sich zu mir und streicht mir mitleidig über die Schulter.
Von ihm habe ich doch diesen ganzen Mist. Also nicht die Entzündung, aber die Ursache.

Auf der Seite kann ich nicht mehr liegen - ein zu großes Drücken hinter meiner Stirn.
Nur schwerfällig kann ich nach meinem Handy angeln, als es vibriert. Und ich gucke nicht schlecht, während ich die Nachricht lese.

>Kann ich zu dir kommen? Ich würde gern mit dir reden.<

Verwirrt hebe ich eine Augenbraue und rufe Simon an, statt noch länger auf mein Handy zu starren.
Er hebt keine Sekunde später ab.
"Ich bin krank, das weißt du. Und hörst du", fange ich an, ohne ihn überhaupt zu begrüßen.
Im Hintergrund raschelt es. Er schluckt. "Ich weiß, aber ich muss wirklich mit dir reden. Bitte."
Ich schiele zu Phil, der sich mit seinem Handy beschäftigt. Spüre jedoch sofort, dass ich nicht hätte schielen dürfen. Meine Stirn.
"Na schön, wenn du das Risiko eingehen möchtest, dich anzustecken. Meinetwegen."
Erleichtert atmet er aus. "Okay, danke, bin in zwanzig Minuten da."
Es scheint wirklich sehr wichtig zu sein.

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Hier stand mal ein Text. Jetzt steht er nicht mehr hier. Vielleicht im nächsten Kapitel (:

Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt