14 - Laute Gefahr

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Das gelöste Problem lässt mich aufatmen. Doch dass mich dieses gelöste Problem direkt vor ein neues stellt, habe ich auch noch nie erlebt.
Immerhin wird keiner hinter meine Lüge kommen. Egal, was passiert.
Obwohl ich mir zutraue, dass ich selbst das verscherzen würde.

Plötzlich hält mich Simon wenige Meter vor den anderen am Arm zurück. "Alles okay bei dir? Du wirkst so angespannt."
Ich nicke, doch mein Blick wird ganz andere Dinge sagen.
Simons linke Augenbraue schnellt in die Höhe. "Aha. Also ich kenne dich zwar nicht lang, aber dein Ausdruck zeigt mir etwas anderes."
Seufzend lasse ich meine Arme zur Seite fallen und werfe einen Blick auf die kleine Gruppe, die uns schon wild zuwinkt. Unter dem Lichtkegel der Laterne sind sie alle gut zu sehen. Und daher konnte ich auch direkt mein Problem erkennen.
"Warum ist Anni hier?", frage ich schließlich. Bei unserem Treffen vor zwei Tagen habe ich ihm wirklich noch die Ohren vollgejammert, was unsere Freundschaft betrifft. Zumindest das, was davon noch übrig ist.
"Sie ist Daniels Freundin. Ich dachte, dass ihr heute vielleicht mal miteinander reden könntet." Verlegen kratzt er sich am Kopf.
Auch wenn das einen netten Hintergedanken hat, versetzt mir diese Aussage einen Fausthieb in meine Magengrube. Das hat gesessen. Ich habe nicht mitbekommen, dass Anni mit ihm wirklich zusammengekommen ist. Mit Daniel, ihre Bekanntschaft aus dem Supermarkt. Sollte mir das beweisen, dass Anni wirklich nichts mehr von mir wissen möchte? Sie hätte sich ja wenigstens mit dieser Neuigkeit melden können.
"Hey, zieh nicht so ein Gesicht, bitte. Dein Lächeln steht dir besser." Simon zieht mit seinen Daumen meine Mundwinkel hoch. Und diese bleiben sogar oben, als er seine Hände wieder aus meinem Gesicht nimmt.
"Geht doch." Lächelnd legt er mir eine Hand in den Rücken und schiebt mich die letzten Meter nach vorn.

In meinem Kopf veranstalten alle möglichen Fragen ein Wettrennen.
Wie sollte ich auf Anni reagieren?
Dieser Zufall, dass Simon nun auch Daniel kennt. Warum kennen sich alle immer?
Wie reagiere ich, wenn Anni mich gänzlich ignoriert?
Was mache ich hier überhaupt noch?
Eine Lösung für die letzte Frage rennt über die Ziellinie. Einfach umdrehen, nach Hause gehen und Silvester allein feiern. Das wäre die...
"Das ist Josefine, das angekündigte Mädchen", platzt Simon in meine Gedanken.
Das wäre die Lösung verdammt nochmal! Andererseits...
"Schön, dich kennenzulernen. Ich bin Manuel", höre ich da schon jemand anderen in meine Richtung sagen.
Kann ich nicht mal einen Gedanken bis zum Ende führen?
Andererseits kann ich mir diese Blöße auch nicht geben, wenn ich einfach ohne triftigen Grund wieder umdrehe.
Ich lächle den Jungen schräg an, habe seinen Namen jedoch bereits wieder vergessen.
Mir fliegen noch ein paar andere Namen zu, die allesamt keinen Eingang zu meinem Gedächtnis finden. Nur eine Sache ist mir klar: Anni hat noch kein einziges Wort an mich verloren.

Natürlich gehört zu so einer Party Alkohol, den ich konsequent ablehne. Und wie ich erleichtert feststellen darf: Anni ebenfalls. Immerhin eine Sache, die sich bei ihr nicht verändert hat. Beachtet hat sie mich während der ersten Stunde dennoch nicht.
Ich war anfangs davon überzeugt, dass sich Tonis Erzählungen nun bewahrheiten. Doch auch hier darf ich bemerken, dass Simon den Alkohol nicht hemmungslos nach hinten kippt, sondern mit Bedacht ab und an ein wenig trinkt.

Meine Gedanken sind überall, nur nicht hier, als mir jemand in die Seite kneift. Erschrocken drehe ich mich zu Simon, neben dem ich auf der Bank sitze.
"Möchtest du nicht mal mit ihr reden?" Er deutet mit einem unauffälligen Nicken in Annis Richtung.
"Sie ist schwer beschäftigt", entgegne ich abwehrend und probiere, sie nicht weiter anzustarren. "Außerdem habe ich nichts gemacht, wofür ich mich entschuldigen müsste. Überhaupt habe ich keine Ahnung, weshalb sie sich so verhält", ergänze ich leise und strecke meinen Kopf gen Himmel. In diesem Moment geht irgendwo in der Ferne eine Rakete hoch. Zischend schießt sie in die Luft und explodiert mit einem lauten Knall. Knisternd platzen die kleinen Teilchen hoch im Himmel und funkeln uns golden an.

Das Feuerwerk ist schon lang erloschen, als ich meinen Blick vom Himmel wende.
"Das sah schön aus, oder?"
Die Stimme beschert mir beinahe eine Gänsehaut. Ich traue mich nicht, meinen Kopf nach links zu drehen. Ein leichtes Nicken ist die einzige Reaktion, die mir gerade möglich scheint.
Anni holt tief Luft. "Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen", sagt sie schließlich leise.
Nun drehe ich meinen Kopf doch zu ihr. "Das glaubst du?"
Sie nickt. "Eigentlich habe ich dich wirklich ohne Grund ignoriert. Das ist mir auch aufgefallen. Aber ich hatte irgendwie Angst, dass das mit Simon wie mit Tim wird. Und dann war ich irgendwie etwas beleidigt, dass du mir nichts von ihm erzählt hattest."
Bevor ich etwas erwidern kann, lässt mich ein lauter Knall zucken. "Fangen die jetzt ernsthaft mit Böllern an?", stöhne ich genervt. Diese Dinger fand ich schon immer unnötig. Da kann man gleich die Geldscheine anzünden und dem Feuer dabei zugucken.
"Vielleicht können wir ja reden", schiebt Anni noch schüchtern ein und lässt es eher wie eine Frage klingen.
"Es hat mich schon verletzt. Immerhin ist mir einfach kein wirklicher Grund eingefallen, der dein Verhalten erklären könnte", beginne ich wahrheitsgemäß. "Und zwischen Simon und mir läuft auch nichts, falls du das denkst."
"Tut es nicht?", mischt sich Simon von der Seite ein. "Schade."
Lachend boxe ich ihm gegen den Oberarm. "Nein, tut es nicht."
"Was noch nicht ist, kann ja mal werden, oder?" Er zwinkert mir zu, doch ich ignoriere diese anzügliche Aussage und drehe mich wieder zu Anni. "Erzähl mir lieber etwas über deinen Daniel." Grinsend zwinkere ich sie an.
"Komm, ich stell ihn dir vor", beschließt sie und hält mir ihre Hand hin, die ich ergreife.
Dass das so schnell zwischen uns geht, hätte ich nun auch nicht gedacht.

Doch wirklich weit kommen wir nicht.
"Aus dem Weg!", schreit irgendein Jugendlicher uns an.
Vielleicht reagieren Anni und ich nicht richtig, wenn wir stehenbleiben. Aber genau das tun wir.
Ich höre noch ein Fluchen, doch mein Blick ist auf das funkende Etwas gerichtet, welches direkt auf Anni und mich zufliegt.
Diese Sekunden kommen mir wie Minuten vor.
Mit der leisen Ahnung, in der nächsten Sekunde von einem Böller getroffen zu werden, weist mein Gehirn mir an, mich irgendwie wegzudrehen. Eine viel zu späte Reaktion, doch besser die als keine.
Im nächsten Moment höre ich einen lauten, viel zu lauten Knall, spüre jedoch gegen meiner Erwartung nichts an meinem Körper.
Was ist hier gerade passiert?

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt