"Josefine, ehrlich. Lass es, wenn du dir nicht sicher bist", redet Anni auf mich ein, während ich versuche, ordentlich in meine Leggings zu kommen. "Wenn du so aufgeregt bist, wird das erst recht nichts."
"Ich bin nicht aufgeregt", meine zittrige Stimme sagt ganz andere Dinge, "und ich bin mir sicher."
Anni sieht nicht zufrieden aus, scheint aber aufzugeben. Endlich.
"Franco ist zum Glück da, falls du in einer Panikattacke enden solltest", nuschelt sie, ehe sie einfach die Umkleide verlässt.
Sie ist immer noch sauer auf mich. Sauer, weil ich Adrian aus meinem Leben gestrichen habe.
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ich den Kontakt halten sollen.
Nur blöd, dass die Entscheidung, Adrian gehen zu lassen, ganz allein bei mir lag.
Wie es mir damit geht, kann ich selbst kaum beschreiben. Verdrängen steht an erster Stelle, wobei ich mich frage, was ich überhaupt verdrängen muss.Die Erwärmung durchflutet mich mit Gefühlen des Glücks. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, nach dieser langen Zeit wieder in der Halle zu sein.
Die Runden um die Turngeräte fliegen an mir vorbei. Ab und an rutscht mein Blick zu Papa, der auf einer Bank am Rand sitzt und auf sein Handy guckt.
Es beruhigt mich, ihn an meiner Seite zu wissen, doch die schwitzigen Hände kann ich trotzdem nicht verhindern.Schwer atmend komme ich nach einem Pfeifen zum Stehen.
"Ganz schön aus der Form gekommen, was?", grinst Larissa. "Aber es freut mich, dass du das wieder versuchen möchtest."
Marc stimmt ihr nickend zu, doch seine Gesichtszüge sind nicht annähernd so entspannt wie Larissas. Immerhin war er unmittelbar an meinem Unfall beteiligt. Eventuelle Schuldgefühle werden ihn noch lange begleiten, obwohl es nicht sein müsste."Was steht denn heute an?", frage ich, während ich auf meine Wasserflasche zusteuere.
"Eigentlich wäre heute..." Marc stoppt.
Mir wird klar, was heute wäre. Ich bleibe stehen und atme tief ein. Allein der Gedanke daran bringt mein Herz zum Rasen.
Alles gut, rede ich mir still zu. Ich muss nicht, aber ich kann.
"Wir machen Boden und Balken", grätscht Larissa dazwischen.
Ich drehe mich um. "Ihr müsst wegen mir nicht eure Pläne streichen. Wir können meinetwegen an den Stufenbarren, ehrlich."
Doch meine Trainerin schüttelt den Kopf. "Nein, wir machen heute Boden und Balken. Das passt eh besser."Ich fühle mich, als könnte ich fliegen.
Es ist befreiend, den gewohnten Anlauf zu nehmen, nach hinten zu springen und zu wissen, was man macht.
Das Gefühl der Schwerelosigkeit, wenn man in der Luft ist und die Drehungen genau abschätzt.
Das Gefühl der Befreiung, wenn man auf dem Boden aufkommt und steht.
Erst jetzt spüre ich, wie sehr mir das Turnen gefehlt hat.Parallel zu meinem Aufprall klatscht jemand laut in die Hände.
Erschrocken kneife ich meine Augen zusammen und achte auf den leichten Schmerz, der mir durch das Steißbein zieht.
"Alles gut?", fragt Anni neben mir und reicht mir ihre Hand. Sie wird von Larissa fast übertönt, die den Wechsel ankündigt.
Nickend ergreife ich Annis Hilfe. "Hab mich nur ein bisschen verschätzt", gebe ich lachend zu, obwohl mein Herz doller als sonst bei solchen kleinen Fehlern reagiert.
Es kommt nicht selten vor, dass ich auf dem Po statt auf meinen Füßen lande, doch gerade hat mir diese Landung ein kleines bisschen Unsicherheit zurückgegeben.
Ich blicke zu Papa, der mich mit einem Lächeln beobachtet. Unauffällig hebt er einen Daumen.
Und schon ist die Unsicherheit wieder wie weggeblasen."Der gewohnte Aufgang?"
Larissa nickt. "Wenn du den noch kannst, dann mach ihn. Aber achte darauf, dass du dir wirklich sicher bist." Mit ihrem Fuß schiebt sie mir das Sprungbrett hin.
Bin ich mir sicher?
Wieder der Blick zu Papa. Wieder sein Lächeln.
Ich atme tief durch.
Ich bin mir sicher.Eine Sache, die man beim Turnen nicht machen sollte: Den Kopf völlig ausstellen.
Eine Sache, die ich gerade getan habe: Meinen Kopf fast völlig ausgestellt.
Alles ging wie von allein. Ich fühlte mich sicher, hatte die nötige Körperspannung. Wollte mir keine Gedanken machen.
Bis jetzt.
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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...