"Adrian!" Der Schrei löst ein Piepen in meinen Ohren aus, so laut war dieser.
Die Bremsen des Autos zerfließen hingegen in ein Rauschen, welches den Schrei immer wieder hervorrufen lässt.
"Adrian!" Wieder diese hohe Stimme voller Überforderung.Ich weiß nicht, wo ich zuerst hingucken soll, denn mitbekommen habe ich gar nichts.
Das Auto ist neu, welches vor Adrians zum Stehen gekommen ist - mitten auf der Straße. Von Adrian ist nichts zu sehen.
"Adrian, verdammt!" Mimis Stimme wird von ihrem Zittern verschluckt.
Die Fahrertür öffnet sich und eine junge Frau steigt aus, völlig blass im Gesicht.
Warte, wurde...Automatisch fällt mein Rucksack auf den Boden, ehe ich einen Sprint einlege.
Und tatsächlich - Adrian liegt vor dem fremden Auto auf dem Boden. Reglos mit geschlossenen Augen. Mimi kniet unbeholfen neben ihm, während auch der Rest der Umgebung, die nur aus Schülern besteht, völlig überfordert diese Situation verlässt oder wie angewurzelt stehenbleibt.Ich kneife meine Augen zusammen, doch das Bild ändert sich nicht, als ich diese wieder öffne.
Ein Zittern empfängt mich mit offenen Armen und lässt mich sofort schwitzen.
Richtig handeln. Jetzt.
In der Theorie gar nicht so schwer, die Umsetzung dafür umso mehr.Ich hab schon mal reanimiert, wiederhole ich für mich, während ich mein Handy aus der Hosentasche ziehe. Gegen eine Reanimation ist das hier nichts.
Dabei knie ich mich ebenfalls zu Adrian. Sein Gesicht ist wie versteinert, neben seinem Kopf bahnt sich ein Rinnsal an Blut seinen Weg. Nicht mehr lang und es erreicht meine Hose.
"Hey, Adrian, hörst du mich?" Ich rüttle an seiner Schulter, doch die Reaktion bleibt aus. "Adrian!" Nichts.
Seine kräftige Atmung lässt meine immer weiter aufkommenden Sorgen wenigstens etwas verwischen."Mimi, was ist passiert?", frage ich konzentriert, wende meinen Blick jedoch nicht von Adrian ab. Ich probiere, ihn als fremde Person zu sehen, einfach ein Passant, doch immer wieder blitzt in mir sein Lächeln auf, welches ich zu Beginn so besonders fand.
Ein Lächeln von ihm. Von dem mürrischen Typen, der einfach nur genervt wirkte. Da wusste ich noch gar nichts über ihn.
"Weiß ich doch nicht", kommt ihre wirklich hilfreiche Antwort.
Wobei - kann man sich das nicht denken?Meine Finger schweben über dem Display und wählen den Notruf.
Das unterdrückte Zittern meiner Stimme geht nach hinten los und äußert sich nur umso lauter.
Nur halbherzig höre ich dem Leitstellendisponenten zu, weiß ich doch so ungefähr, was er mir zu sagen hat.
Auch als die stabile Seitenlage fällt, liegt Adrian schon längst in dieser. Ich handle, ohne zu denken. Handle automatisch.Die Schulklingel übertönt Mimis hektische Atmung neben mir zumindest für einen kurzen Augenblick.
Mein Handy brummt synchron, doch ich werfe keinen Blick auf dieses.
Die Autofahrerin wandert nervös umher, für sie bleibt bei mir jedoch nichts übrig. Adrians Atmung muss überwacht werden.In weiter Entfernung erklingt das Martinshorn.
Mimi guckt mich mit aufgerissenen Augen an. "Kommen die mit Alarm?"
Ich kann mir ein Augenrollen nicht verkneifen und atme tief durch. "Ja. Aber es wird alles wieder gut", höre ich mich sagen, wobei ich mir wie gesteuert vorkomme. Alles kommt mir wie gesteuert vor.
"A-aber das bedeutet doch, dass das wirklich schlimm ist", redet sie völlig außer sich weiter.
Ich hebe meine Schultern und beschließe, einen erneuten Versuch zu starten, Adrian zu uns zu bekommen. "Adrian, hey, Augen auf!" Meine Fingerknöchel legen sich auf sein Brustbein und üben leichten Druck aus.
Erleichtert kann ich feststellen, dass das Wirkung zeigt. Seine Lider flackern, sein Mund bewegt sich.
"Adrian, hörst du mich?" Ich gehe näher an ihn heran, da die Sirenen immer lauter werden.
"Mh", brummt er schwach und lässt sich auf den Rücken rollen.
"Oh Gott, Adrian!"
Auch wenn diese Situation ernst ist, kann ich nicht verhindern, dass Mimi einen entscheidenden Teil zu der Strapazierung meiner Nerven beiträgt.Es ist ein Wunder, dass knallende Autotüren immer wieder andere Emotionen hervorrufen können.
Haben sie an Adrians Auto vor wenigen Minuten eine bedrückende Stimmung ausgelöst, ist es jetzt eine Welle der Erleichterung, die mich überkommt.
Mit einem letzten Blick zu Adrian, der gegen das grelle Licht der Sonne anblinzelt, stehe ich auf und gehe auf wackeligen Beinen ein paar Schritte zurück.
Schneller als gedacht stoße ich dabei gegen jemanden.
Mit einem Schrecken drehe ich mich um, verliere mein Gleichgewicht und lande auf dem Boden. Zumindest nach meinen Berechnungen, doch Papa macht mir einen Strich durch diese, indem er meine Oberarme schnell im Griff hat.
"Komm, wir gehen etwas zur Seite", sagt er mit seiner ruhigsten Stimme und zieht mich sanft auf den Gehweg. Ich kann ihm dabei nur hinterherstolpern, widersprechen ist jetzt die am weitesten entfernte Möglichkeit.Papas Augen liegen besorgt auf mir und würden mich in den nächsten Minuten wohl gar nicht mehr loslassen.
"Was ist denn passiert?", möchte er wissen, denkt dabei jedoch nicht daran, seinen Griff zu lockern.
"Angefahren?", bringe ich hervor. "Hab nicht zu ihm geguckt. War mit anderen Dingen beschäftigt." Zum Beispiel damit, auf Anni zu warten, die noch immer nicht aufgetaucht ist. Vielleicht sollte man sich da mal mehr Sorgen machen.Es ist für mich unerklärlich, woher diese plötzliche Gleichgültigkeit Adrian gegenüber herkommt. Sie ist da, von jetzt auf gleich, und erfüllt mir beinahe den Wunsch von vor wenigen Minuten, ihn als völlig fremden Passanten anzusehen.
"Keine Ahnung, woher das Auto kam. Und ich weiß auch nicht, warum er das nicht gehört hat", erkläre ich ausführlicher, da Papa seinem Blick zu urteilen nichts verstanden hat. "Ist mir im Endeffekt aber auch ziemlich egal. Ich muss zum Unterricht, bin schon viel zu spät dran."
Den Blickkontakt zu Papa breche ich ab und bewege mich unter seinen Armen, um aus diesem Griff zu kommen.
Auch wenn ich probiere, keinen Blick auf Adrian zu wagen, bemerke ich Phil und Flo, die bei ihm knien. Jacky kümmert sich um die hysterische Mimi. Ich kann der ihr Verhalten nicht wirklich abkaufen. Mag sein, dass sie sich sorgt, aber steigert sie sich nicht etwas da hinein?Die ersten Schritte fühlen sich gewagt an, doch die Festigkeit kommt schnell zurück.
Papa lässt hingegen nicht so schnell nach. "Du willst jetzt einfach gehen?"
"Was soll ich sonst hier machen?" Ich drehe mich zu ihm, laufe dabei jedoch weiter und steuere auf meinen Rucksack zu. "Adrians Hand halten und ihn in die Klinik begleiten? Dafür ist doch seine bezaubernde Freundin Mimi da."
"Die Polizei möchte dich bestimmt nochmal sprechen, wenn sie mit der Fahrerin des Autos fertig sind."
Ich stoße genervt Luft aus und schließe meine Augen kurz. Meine Beine stoppen. "Mir egal. Ich hab nichts gesehen, nur erste Hilfe geleistet." Ich schweife kurz zu den Polizisten ab. "Marc und Paul wissen, wer ich bin. Mehr hab ich auch nicht zu sagen. Denkst du, ich kann denen erklären, weshalb Adrian das Auto nicht gehört und die Frau ihn nicht gesehen hat? Oh nein, das kann ich eben nicht."
Mir ist alles egal, nur eines weiß ich - ich will hier weg.
Weg von Adrian, weg von Mimi. Weg von jedem, der etwas mit dieser Situation zu tun hat.Sein Blick gleitet an mir herunter. "Möchtest du so in den Unterricht? Das ist nicht dein Blut, oder?"
Welches Blut? Ich gucke selbst an mir herunter und bleibe an meinem rechten Knie hängen.
Blut an der Hose. Adrians Blut.
Mir läuft es kalt über den Rücken, während ich eisern meinen Kopf schüttle. "Wasche ich kurz mit Wasser aus, trocknet doch schnell."
Meine Beine nehmen ihre Arbeit wieder auf, stolpern mehr als gehen.
"Fine, pass auf. Gleich kommt-"Und da habe ich es auch schon gespürt. Deutlicher als nötig.
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Ich bedanke mich für eure Kommentare und werde noch antworten, bin bis jetzt jedoch noch nicht zu gekommen :)
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...