Ein ungeheures Gefühl rollt durch meinen ganzen Körper, beschert mir eine Gänsehaut und treibt mir Tränen in die Augen.
Ich weiß nicht, woher das kommt. Adrians Geschichte nimmt mich mehr mit, als sie es eigentlich sollte.
Das war sie nun. Die Wahrheit. Im Endeffekt weiß ich nicht, ob ich lieber ohne geblieben wäre."Ich weiß nicht, was ich sagen soll", gebe ich ehrlich und unverständlich zu.
"Du musst gar nichts sagen. Ich fand es nur gerecht, dir alles zu erzählen, bevor du denkst, dass du vielleicht der Auslöser meines Verhaltens bist."
Mit meiner rechten Hand taste ich in der Dunkelheit zu Adrian rüber. Schneller als gedacht treffe ich auf seine Hand und umschließe sie fest, ohne wirklich zu wissen, was ich da gerade tue.
"Mir tut das alles so schrecklich leid", sage ich unbeholfen und drücke seine Hand fester.
"Dir muss nichts leid tun", erwidert er fest.
"Nein, das meine ich nicht." Ich schlucke, erziele damit jedoch kaum einen Erfolg. "Warum musstest du deswegen Ablehnung erfahren? Es ist verständlich, dass du dadurch nicht mehr ganz so offen damit umgehst. Aber du hast meinen größten Respekt, ehrlich. Für mich ist es unbegreiflich, wie man darauf mit Ablehnung reagieren kann." Vielleicht ist es das, was meine Tränen nicht stoppen kann. Was in mir einen gewaltigen Schmerz auslöst.
Wie absurd Menschen sein können.Adrian zieht mich still in eine Umarmung.
"Danke, dass du zugehört hast", flüstert er.
"Danke, dass du mir das erzählt hast", antworte ich nach einer kurzen Zeit ebenso leise.
Ich löse mich etwas umständlich aus seiner Umarmung, die mir mit der Zeit ein wenig unangenehm wurde. War das Schweigen zwischen uns vor dem Reden noch angenehm, fühlt es sich jetzt falsch an. Ich gerate innerlich in Hektik, krame planlos in irgendwelchen Dingen, die ich vielleicht als nächstes sagen könnte.
Doch Adrian übernimmt diesen Part für mich. "Ich sollte jetzt gehen. Es ist schon spät und ich muss morgen wieder früh raus. Aber diesmal zur Schule."
Wir stehen beide auf und ich strecke mich kurz. Die Abende sind noch immer sehr kalt - immerhin haben wir es erst Mitte März - und meine Glieder fühlen sich an, als hätte man sie frisch aus dem Kühlschrank genommen. "In die Schule? Ist deine Arbeit beendet?", hake ich interessiert nach und bin insgeheim unendlich froh über diesen Themenwechsel.
Er nickt. "Bald sind die Prüfungen."
"Dann wünsche ich dir jetzt schon mal viel Glück", sage ich mit einem Schmunzeln und gehe voraus ins Haus.Ich gucke seinem Auto wohl ein bisschen länger hinterher, als es eigentlich nötig wäre.
"Und?"
Ich mache einen Satz nach hinten und schlage vor Schreck die Haustür mit einem lauten Knall zu. "Paula!"
"Sorry", sie fängt an zu lachen, auch wenn es in einem traurigen Ton endet, "das nächste Mal kündige ich mich an. Aber wie soll man sich bei dir ankündigen, ohne dich zu erschrecken?"
"Lustig." Augenrollend gehe ich ins Wohnzimmer und kuschle mich in die Decke, die ich mit im Garten hatte. Sie riecht nach Adrian, wie ich feststellen muss.
Was mir nur etwas Sorge bereitet: Dieser Geruch löst in mir eine ungewöhnliche Nachdenklichkeit aus. Und eine gewisse Traurigkeit, die ich so noch nicht kannte.
"Das war irgendwie alles gerade ziemlich komisch", beginne ich mit dem Wissen, dass Paula genau darauf hinaus wollte. "Dieses Ende nach seiner halben Offenbarung. Einfach so 'Ja tschüss, auf Nimmerwiedersehen'." Im Moment ist es, als wäre Adrian nie hier gewesen. Als hätte ich nicht mit ihm im Garten gesessen. Dieser Abschied war so abrupt, wie eine Flucht vor der Wahrheit. Oder vor der Zukunft?
"Habt ihr Nummern getauscht?", hinterfragt Paula aufmerksam.
Das ist es ja. "Nein, eben nicht. Was bedeutet, dass wir wohl nie wieder Kontakt haben werden."
Meine Gedanken sind nicht mehr in der Qualität, sie ordnen zu können. Ein einziges Durcheinander schlängelt sich seinen Weg und drückt sich schmerzhaft gegen meine Schläfen.
Verwirrt, zerstreut, durcheinander, aufgewühlt? So könnte man mich beschreiben ... wenn es die Lage denn überhaupt zulässt.
Kraftlos lasse ich mich gegen Paula fallen, die mich sofort in den Arm nimmt.Verwirrt schrecke ich auf. Das Klappern des Geschirrs dröhnt mir entgegen und liefert sich einen gewaschenen Kampf mit meinem ohnehin schon schmerzenden Kopf.
Mit Mühe blinzle ich gegen das helle Licht an, welches mir meine Netzhaut gerade erbarmungslos wegätzen will.
"Jetzt hast du sie aufgeweckt", ruft Papa in die Küche.
Ich erschrecke mich vor ihm. Woher soll man denn auch ahnen, dass er neben meinen Füßen auf der Couch sitzt?
"Sorry", brummt Alex aus der Küche.
Sollte nicht eher Papa in der Küche stehen und Alex sich schonen?
"Na, gut geschlafen?", wendet Papa sich an mich und streicht mir über das Bein.
"Mh?" Meine Fähigkeit, irgendwas zu verknüpfen, schlummert noch und träumt von Schäfchen.
Statt ihm eine Antwort zu liefern, krabble ich über die Couch und kuschle mich in Papas Arme.
"Bin ich gestern ernsthaft hier eingeschlafen?", frage ich und habe meine Augen bereits wieder geschlossen.
"Ja, das bist du. Und Paula auch. Die musste dann von Phil heute Morgen geweckt werden, damit sie nicht zu spät kommt. Phil hat sie in der Nacht wohl schrecklich vermisst."
Verwundert runzle ich meine Stirn, halte es jedoch nicht für nötig, ihn anzugucken, geschweige denn meine Augen überhaupt zu öffnen. "Und davon bin ich nicht aufgewacht?"
Papa lacht leise auf. "Du hast ganz entrüstet gebrummt, irgendwas davon gefaselt, dass Phil dir doch nicht deine Paula wegnehmen könne und dann warst du wieder weg."
Klingt entspannt.
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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...