1 - Wie ein Neustart

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"Das wird eine Arbeit. Aber irgendwie", Phil kratzt an der Wand und hat im nächsten Moment ein Stückchen Rauhfasertapete zwischen den Fingern, "ist das auch langsam mal nötig. Der Schrank musste raus."
Ich nicke nur und lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Die Möbel sind in die Mitte gerückt, alles ist mit Plastikfolie abgedeckt.

Und dann kommt Alex, der Phil und mir nun einen Spachtel in die Hand drückt.
"Lasst uns abkratzen!", haut er viel zu euphorisch raus.
"Falsche Wortwahl. Bei Fines Glück kratzt sie dabei wirklich ab", bemerkt Phil schmunzelnd. Doch dann räuspert er sich plötzlich und seine Miene wird ernster. "Also das wäre nicht witzig, wenn sie abkratzen würde", schiebt er schnell hinterher.
"Ja ja, wir kennen das doch", grinse ich und wende mich dem Teil Wand zu, an dem schon ein großes Loch in der Tapete klafft. Das Loch, welches durch den Schrank verursacht wurde, den wir nun entsorgt haben.

Das Wohnzimmer ist mit Musik durchflutet, das Kratzen des Metalls auf der Betonwand wird immer wieder durch rhythmisches Geklopfe zum Takt unterbrochen.
Summend, singend, wippend tanzen wir durchs Wohnzimmer und sagen der Rauhfasertapete den Kampf an.
Dabei kommt man ganz schön ins Schwitzen.

Wir blenden unsere Umgebung aus. Ich hätte niemals gedacht, dass man so einen Spaß beim Renovieren haben kann.
Ich will gerade zum Refrain des momentan laufenden Liedes ansetzen, als ich genau in eine Kamera gucke.
Seit wann steht Paula mit ihrem Handy in der Wohnzimmertür und filmt uns?
Es dauert kurz, bis auch Phil sie bemerkt und vor Schreck einen Satz nach hinten macht.
Paula prustet los. "Ich bins nur, deine Freundin, falls du das vergessen hast."
"Wenn ich jetzt auf der Leiter gestanden hätte, wäre das nicht so ausgegangen", bemerkt Phil noch immer mit einem Schrecken im Gesicht, wendet sich richtig von der Wand ab und begrüßt Paula liebevoll.
"Deine Lippen sind salzig", stellt sie fest, nachdem er sich von ihr löst.
"Das ist hier auch schweißtreibende Arbeit!", kommt es von Alex, der gerade am anderen Ende des Wohnzimmers tatsächlich auf einer Leiter steht, um auch die Tapete von oben zu lösen.
"Dann werde ich mich mal ans Essen machen." Paula verschwindet nochmal kurz in den Flur, bevor sie über den ganzen Müll im Wohnzimmer hinweg zur Küche geht.

"Wie war denn der Dienst? Und wo ist Papa?", frage ich, nachdem ich die Musik leise gedreht habe.
"War ganz ruhig für mich heute, aber die RTWs sind kaum zu einer Verschnaufpause gekommen. Franco hat kurz vor Schluss noch einen bekommen und seine Ablöse war noch nicht da", informiert Paula zwischen klappernden Töpfen und laufendem Wasser.

"Das fühlt sich irgendwie gut an." Grinsend spieße ich ein Stück Kartoffel auf und schiebe es in meinen Mund. Den Hunger, der meinen Magen protestieren lässt, bemerke ich jetzt erst.
"Was fühlt sich gut an?", will Alex genau wissen.
Ich nehme einen Schluck Wasser, ehe ich zu einer Antwort ansetze. "Na alles. Mit Tim ist es nun endgültig geklärt. Und wir sind in einem mehr oder weniger guten Verhältnis auseinandergegangen. Der Tapetenwechsel kommt irgendwie genau richtig. Es ist, als würde es auch in meinem Inneren einen Tapetenwechsel geben."
Phil hebt eine Augenbraue. "Du... klingst so erwachsen", nuschelt er mit vollem Mund.
Ich hebe nur meine Schultern. "Mein Spiegel hat mich eben vor sehr viele Hürden gestellt, die ich alle irgendwie bewältigen und vor allem verarbeiten musste. Da bin ich vielleicht etwas reifer durch geworden", spekuliere ich.
"Aber pass bitte auf dich auf. Das erste Jahr ist erst in guten drei Monaten um. Und danach ist das Ende noch nicht zu sehen", bringt Alex mal wieder seinen Aberglauben ans Licht.
"Ach, wird schon, ich habe ein gutes Gefühl", wische ich Alex' zweifel einfach weg und konzentriere mich wieder auf mein Essen.
Papa, der pünktlich zum Essen ins Haus geschneit ist, bedenkt Alex mit einem strengen Blick. "Du möchtest den Teufel aber auch an die Wand malen, oder?"
"Nein, ich sage ja nur. Nicht, dass sie plötzlich nicht mehr aufpasst", setzt Alex zu einer Verteidigung an.
"Das klingt, als würde nichts passieren, wenn ich aufpasse. Uns wurde ja das genaue Gegenteil präsentiert. Vielleicht sollte ich wirklich mal unvorsichtiger werden", werfe ich in die Runde, bekomme aber nur entsetzte Blicke zurück, die Bände sprechen.
"Ja gut, dann nicht." Ich rolle mit den Augen und ziehe das Stück Fleisch mit meinen Zähnen von der Gabel.

"Autsch", fluche ich schon kurz darauf.
"Auf die Wange gebissen?"
Ich bestätige Papas Vermutung mit einem knappen Nicken und spüre mit meiner Zunge die Haut an meiner Wange. Lecker.
"Tja, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort", säuselt Alex mit deutlich gehobenen Mundwinkeln.
Meine Augenbrauen heben sich. "Bitte? Was für eine Sünde?"
"Ach, nichts." Er schüttelt noch immer schmunzelnd den Kopf. "Aber vielleicht solltest du nicht beim Streichen helfen. Ich meine, du könntest ausversehen in die Farbe fallen, wobei das eher harmlos wäre. Oder die Farbe trinken..."
Ich fahre Alex ins Wort. "Trinken? Oh ja, das passiert mir ganz ausversehen, sicher. Ich verwechsle die graue Farbe bestimmt mit dem dreckigen Wasser, welches ich sonst immer trinke."

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Willkommen zum zweiten Teil :)

Ein noch recht langweiliger Einstieg, aber ein wenig Ruhe sei ihr auch mal vergönnt.
Ein wenig... vielleicht geht es im nächsten ja sofort los ;)

Ich hoffe, ihr freut euch über die Fortsetzung, die ich sehr überlegt an diese Stelle gesetzt habe. Denn hier wird es voraussichtlich zeitraffender geschrieben, also es wird mehr Zeitsprünge geben. Damit es einen sauberen Cut gibt und übersichtlich bleibt, habe ich perfekt zu Josefines gefühltem 'Neustart' auch den Teil neu gestartet.

Zu meinen 100 Kapiteln hatte ich ja schon eine kleine 'Danksagung' gehabt, die ich nun um eine Person erweitern möchte.
Denn niemandin hat mir so sehr damit geholfen, diesen zweiten Teil zu beginnen.
Vielen Dank, dass du dir jedes Mal mein Gejammere anhörst, vielen Dank, dass ich dich da immer um Rat fragen kann, wenn ich mir nicht sicher bin xD
Und vielen Dank für dieses unglaublich schöne Cover, welches perfekter nicht sein kann. (Und falls hier noch irgendjemand, sei es auch nur eine Person, ihre Shorts noch nicht kennt: ich würde sie mir mal ganz schnell durchlesen :))

Ich kann gar nicht abschätzen, wie viele Kapitel es in diesem Teil geben wird - bei mir kommen oft ja auch sehr spontane Wendungen.

Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Lesen, wenn ihr euch dafür entscheidet, auch beim zweiten Teil zu bleiben.

Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt