Zitternd schlage ich meine Decke zurück und stütze mich auf meinen Händen nach oben. Bei dieser Bewegung schreit mich mein Kopf förmlich an.
Mein Shirt klebt unangenehm am Oberkörper, das Bettlaken unter meinen Fingern gibt eine Feuchtigkeit ab.
Orientierungslos gucke ich durchs Zimmer, welches schwach von meiner Nachttischlampe mit einem warmen Licht beleuchtet wird. Die habe ich wohl nicht ausgestellt.
An dem Wecker, der auf meinem Nachttisch steht, bleibe ich hängen. 1:24 Uhr. Daneben eine große Wasserflasche, die ich kaum angerührt habe, und eine Tasse, deren Inhalt schon längst abgekühlt ist. Auch den Tee habe ich nicht getrunken, den Papa mir direkt gekocht hat, nachdem wir aus der Klinik nach Hause gekommen sind.Mit Hammer und Meißel sitzen die kleinen Männchen da und malträtieren meinen Kopf.
Ich möchte Luft holen, merke jedoch schnell, dass das nichts wird. Brennend bettelt mein Hals nach Flüssigkeit, während meine Nase nach Erlösung schreit.
Ich kann mich nicht um alles gleichzeitig kümmern.
Nur mit halber Aufmerksamkeit taste ich nach meinem Nasenspray, welches ich vorhin schon mitgenommen habe.
Bevor ich jedoch an dieses komme, schubse ich mit einer überrascht starken Handbewegung meine Tasse vom Nachttisch.
Bereit, das laute Klirren zu hören und meine Kopfschmerzen damit nur zu provozieren, kneife ich meine Augen zusammen und zucke vorsorglich. Doch statt das ganze Haus in der Nacht aufzuwecken, landet meine Tasse mit einem dumpfen Laut.
Tja, ein unaufgeräumtes Zimmer hat nicht nur Nachteile.
Der zwangsläufig ausgelaufene Tee weckt mein Interesse eher weniger. Stattdessen spüre ich schon Erleichterung, als ich allein das Spray gegriffen bekomme.
Gleich bekomme ich wieder Luft, herrlich.Eigentlich zittert alles an meinem Körper, als ich aufstehe. Ein Griff an meine Stirn verrät mir, dass ich Fieber haben muss.
Warum schon wieder? Wird das jetzt ein ewiger Kreislauf?
In der Schublade meines Nachttisches suche ich nach dem Blister mit Schmerztabletten. Wenigstens diese elendigen Kopfschmerzen löschen.
Meine Beine tragen mich unter Anstrengung zum Schrank - ob die Schmerzen vom Ausdauerlauf oder von woanders kommen, kann ich nicht sagen.
Bevor ich die Tablette nehme, möchte ich wenigstens noch eine kleine Scheibe Brot essen. So auf völlig leeren Magen ist mir das nichts.
Mit willkürlichen Griffen ziehe ich mir neue Kleidung aus dem Schrank, ziehe mich unter großem Kampf mit dem Gleichgewicht um und trete dann den Weg zur Küche an.Doch im Wohnzimmer werde ich überrascht.
Der Raum ist vom flackernden Fernseher ausgeleuchtet. Phil liegt auf der Couch, unter seinem Kopf sein Kissen, seine Bettdecke über ihm ausgebreitet.
Er schläft noch nicht, sondern guckt mich ziemlich erschrocken an.
"Was ist denn mit dir passiert?" Mit geweiteten Augen stellt er den Fernseher auf lautlos und knipst umständlich die Stehlampe neben dem Sofa an.
"Mh", brumme ich und huste im nächsten Moment.
Ihm entweicht ein lautes Seufzen. "Du hast mir schon so ausgesehen, als würdest du wieder krank werden. Super."
"Mh", kommt es wieder von mir. "Was machst du denn hier unten?", frage ich danach mit heiserer Stimme, um wenigstens kurz von mir abzulenken.
Immerhin scheint er hier sein Lager aufgeschlagen zu haben.
Seine Lippen bilden ein Grinsen. "Paula war laut ihren Angaben zu heiß, wenn ich mit im Bett liege. Ich habe ihr zu viel Wärme ausgestrahlt, sagt sie. Da bin ich kurzerhand umgezogen, damit die Dame in Ruhe schlafen kann."
"Zu warm?" Ich muss stutzen. "Mir ist gerade eisig."
"Du hast auch ordentlich geschwitzt, oder?"
Irritiert verziehe ich mein Gesicht.
"Dein Haaransatz", erklärt Phil besorgt.
Weiter können wir das jedoch noch nicht ausführen, denn Schritte auf der Treppe lassen uns beide zum Flur gucken.
Eine verschlafen aussehende Paula kommt ins Wohnzimmer. "Phil?"
Phils Gesicht wird sofort von einem Grinsen umrahmt. "Ja mein Schatz?"
"Es ist so kalt im Bett, wenn du nicht da bist. Ich kann ohne dich nicht schlafen", jammert sie schon beinahe mitleidserregend und legt sich einfach zu ihm auf die Couch. Direkt in seine Arme.
"Du hast doch gesagt, dass du bei dieser Hitze nicht schlafen kannst", erwidert Phil lachend.
"Ja, aber jetzt ist es viel zu kalt. Kommst du wieder nach oben?", nuschelt sie gegen seine Brust.
Phils Hand fährt über ihren Rücken. "Schmeißt du mich dann wieder raus?"
"Niemals", sagt sie sofort. "Dafür liebe ich dich doch viel zu doll. Ich brauche dich bei mir."
"Mhm, hat man vorhin gemerkt", murmelt er und guckt zu mir. "Irgendwie wurde sie von der Nachricht über die Schwangerschaft total aus der Bahn geworfen."
"Das stimmt nicht", protestiert Paula sofort, hält dann aber inne. "Warte, mit wem redest du?" Sie befreit sich aus Phils Armen und dreht sich zu mir. "Fine, was machst du denn hier? Du siehst ja gar nicht gut aus."
"Eigentlich wollte ich kurz was kleines essen und danach eine Tablette nehmen", entscheide ich mich für die Wahrheit.Auch eine Woche später liege ich noch ziemlich schlapp im Bett. Langsam habe ich die Nase voll - leider wortwörtlich.
Ein leises Klopfen veranlasst mich dazu, meine Augen wieder zu öffnen, die ich gerade für ein kleines Schläfchen geschlossen hatte.
"Wie geht es dir?", erkundigt sich Alex bei mir, doch etwas verwirrt mich. Er guckt weniger besorgt, dafür bilden seine Lippen ein Schmunzeln.
"So muss sich ein Vogel fühlen, der gegen eine Fensterscheibe fliegt." Ein idealer Vergleich, wenn man mich fragt.
"Klingt nicht ganz so gut", erfasst er leider total richtig.
Ich hebe meinen Daumen. "Gut erfasst, Sherlock."
Er stellt mir eine Schüssel mit geschnittener Orange auf den Nachttisch. "Weißt du, was heute in einer Woche ist?"
"Mittwoch?", schätze ich, obwohl ich den Überblick schon lang verloren habe.
"Donnerstag", berichtigt er mich. "Aber das ist es nicht. Heute in einer Woche hast du genau vor einem Jahr den Spiegel zerschmettert."
"Cool."
"Hey, ein bisschen mehr Euphorie bitte", wendet Alex ein. "Ich habe ja immer noch die Hoffnung, dass dein Unglück nach einem Jahr abnimmt."
Eigentlich sollte mich das echt nicht wundern, dass Alex auf den Tag genau weiß, wann das passiert ist. Auch wenn er mich zugegebenermaßen damit ein wenig angesteckt hat, habe ich den Tag schon längst wieder vergessen. Irgendwann im Februar, ja, aber den genauen Tag?
"Mhm. Und ich habe Angst, dass mein Unglück am Jahrestag extra doll zuschlägt."
Alex' Gesichtszüge scheinen zu vereisen. "Wow", flüstert er und guckt mich ehrlich geschockt an. "Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht."
"Siehst du. Also warum Euphorie, wenns noch gar nicht vorbei ist?"
Er lächelt. Total gequält, das würde jeder sehen.
"Mann Alex", sage ich lachend. "Dir fallen vor Angst ja gleich die Augen raus. Das war ein Spaß."
Er blinzelt, sein Blick bleibt ernst. "Vielleicht solltest du an dem Tag einfach im Bett liegen bleiben. Ich schreibe dich als Arzt auch krank."
Ich beiße mir auf die Zunge. Warum habe ich diesen durchaus dämlichen Witz gebracht? Und warum beschleicht mich nun auch ein ziemlich ungutes Gefühl?
Ich lache über meine eigenen Sorgen, die wie aus dem Nichts aufgetaucht sind, hinweg. "Mach dir keine Gedanken. Was soll schon passieren?"---------------
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...