Ich kneife meine Augen zusammen. Das Klirren der Scheibe hallt in meinem Kopf nach, sucht nach einem Ausgang, bleibt jedoch hängen.
Auch nach dem Schütteln meines Kopfes bietet sich kein anderes Bild auf der Straße. Es ist wahr. Und ist nicht nur bei einer kaputten Fensterscheibe geblieben.
Gebannt starre ich auf Phils Auto. Oder Alex'? Schaden bleibt Schaden.Schutzlos schmilzt der Schnee dahin. Die Jugendlichen klatschen sich ab und feiern ihr vollbrachtes Werk.
Jetzt sind es nicht mehr nur allein die Laternen, die die Straße in ein orangefarbenes Licht tauchen.
Es braucht eine erhebliche Zeit, ehe ich adäquat reagieren kann.
Mit einem Satz drehe ich mich um und renne aus meinem Zimmer. Dass ich dabei auf dem Geschenkpapier ausrutsche und mich gerade noch so auf den Beinen halte, dafür aber mit dem gleichen Knie wie vorhin schmerzhaft gegen die Wand stoße, ist mir ziemlich egal.
Der Schmerz hat bei mir kaum eine Chance, zu sehr werde ich von dieser Dreistigkeit der Jugendlichen und meiner Fassungslosigkeit gelenkt.Phils Schlaf ist leicht, das ist er immer, doch wenn ich mitten in der Nacht in sein Zimmer platze, ist er sofort auf hundert Prozent hochgefahren.
"Ist dir was passiert?" Seine Stimme ist alles andere als müde. Bei ihm müssen schon wieder die übelsten Gedanken vorgehen, was mir passiert sein könnte.
Er ist wach, also renne ich eine Tür weiter und stürze in Alex' Zimmer.
Bei ihm läuft es ab wie bei Phil, nur mit dem Unterschied, dass Phil mich in seinem Zimmer aufhält und am Arm packt.
"Fine, bist du wach? Was ist in dich gefahren?" Phil rüttelt leicht an mir.
Verdammt, ja, ich bin wach. Wacher als ihr alle. "Dein Auto. Oder Alex' Auto", bringe ich mit hoher Stimme hervor.
"Eines unserer Autos ist in dich gefahren?", wiederholt Alex verwirrt. "Du wurdest angefahren?"
"Nein!" Meine Atmung geht schnell, ich bin zu aufgebracht. "Feuer, ein Auto von euch steht in Flammen!" Erst nach diesem Satz merke ich, dass ich viel zu laut geredet habe. Meine Ohren rauschen, es scheint meine eigenen Worte zu übertönen.
Phils Blick fällt auf Alex, der sich sofort sein Handy schnappt und verschwindet.Ich winde mich aus Phils Griff und eile Alex hinterher.
Phil ruft nach mir, seine Schritte sind schwer, beeilen sich, doch ich habe nur Alex im Blick. Sein Handy schon am Ohr haltend, schlüpft er in seine Schuhe und reißt danach sie Haustür auf.
Phil und ich tun es ihm gleich.Entsetzen überflutet Alex' Gesicht. Es ist nicht zu übersehen, sein ganzer Körper steht im Schein der lodernden Flamme und wird erleuchtet.
"Frohe Weihnachten", murmelt Phil neben mir. Seine Stimme ist ungewöhnlich heiser. Genau das habe ich mir auch schon gedacht.
Das Feuer brennt auf meiner Haut, doch mich überkommt trotzdem eine Gänsehaut. Ich zittere. Aus innerer Kälte, aus dieser Situation, die mich aus der Dunkelheit überrascht hat. Die Hitze des Feuers hat keinerlei Chance, mich zu erwärmen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass Alex keine wichtigeren Dinge in seinem Auto hatte. Es ist meines Wissens nach sein Auto, soweit ich das noch identifizieren kann. Und diesem ist leider gar nicht mehr zu helfen.Es braucht wenige Sekunden, bis ich die vier Jugendlichen ausmachen kann, die noch immer in der Nähe des Autos stehen und ihr Werk bewundern. Und auch von deren Seite aus dauert es, bis sie uns wahrnehmen.
Doch kaum besinnen wir uns alle dieser Situation, geht es schnell. Viel zu schnell.
Sie ergreifen die Flucht, geraten jedoch schnell ins Wanken. Bei denen scheint eine beträchtliche Menge Alkohol geflossen zu sein.
Einer der vier stolpert über seine eigenen Füße, rutscht vielleicht auf dem Schnee aus, und macht sich lang. Bleibt liegen. Rührt sich nicht mehr.
Phil und Alex kommen nicht mehr aus der Starre. Sie trauern wohl gerade eher dem Auto hinterher, als sich auf die Kerle zu konzentrieren.
Meine Gedanken liefern sich indes ein stummes Rennen. Für andere stumm, für mich die pure Kulisse an Geräuschen.
Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, keine Möglichkeit wirklich überdenken und abwägen, was nun besser wäre. Ich renne einfach.
Die drei anderen der Bande sind nicht mehr in Sicht, während sie ihren letzten Kumpel einfach auf dem Boden liegen lassen. Das nenne ich wahre Freundschaft.Erst, als ich mich kurzerhand von Alex und Phil entfernt habe, werden die beiden darauf aufmerksam.
"He, Fine, bleib hier!", ruft mir Phil hinterher.
Ignoranz ist gerade alles, wozu ich in deren Richtung fähig bin. Ein Wort hallt in meinem Kopf nach und übertönt für den Bruchteil einer Sekunde alles andere. Gerechtigkeit.
Als sich der Junge auf dem Boden langsam bewegt, kommt eins zum anderen.
Es ist dumm von mir, das wird mir direkt bewusst. Pure Dummheit, die mich mal wieder fest in ihren Händen hat. Aber kennt man andere Reaktionen von mir? Nein.
Meine folgende Tat kann ich selbst nicht erklären. Es hat von Anfang an danach geschrien, dass ich der Verlierer bin. Dass ich nur der Verlierer sein kann.
Ich schmeiße mich auf den Boden. Und mit der weichen Landung habe ich die Bestätigung, dass mein Plan aufgegangen ist. Zumindest der kleinste Teil, der Anfang. Und auch nicht zu hundert Prozent. Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht zieht sich ein stechender Schmerz durch mein Knie. Warum auch zum dritten Mal das linke, welches diesmal den Boden knutschen musste?"Du bist doch verrückt", höre ich Alex fluchen.
"Kümmer dich um dein Auto", presse ich angestrengt hervor. Langsam werden die Bewegungen des Jungen doller, er bemüht sich, mich von seinem Rücken zu werfen.
"Da gibt es nichts, worum ich mich kümmern könnte. Das Auto ist hin, futsch, nicht mehr zu retten, ein einziger Klumpen Metall und geschmolzener Kunststoff."
Alex, ich habs verstanden. Er scheint es nicht als nötig anzusehen, mir mal zu helfen. Aber kann ich ihm das verübeln? Eher weniger, immerhin muss er dabei zusehen, wie sein Auto abbrennt.
Kurz finde ich diese Situation absolut absurd. Ich liege auf einem Jugendlichen, dessen Kapuze tief in seinem Gesicht zu hängen scheint, den ich nicht kenne, der auf einer leichten Schneedecke total auskühlen muss. Doch das wird schnell von dem präsenteren Gedanken abgelöst. Das hier muss sein, sonst hat die Polizei gleich noch weniger Anhaltspunkte. Ein Täter dieser Gruppe ist wie ein Sechser im Lotto. Wenn mir der Typ durch die Lappen geht, werden sie die Spur womöglich nie wieder finden.Und jetzt? Meine Gedanken reichen nicht weit. Alex hält erneut sein Handy am Ohr, zumindest schließe ich das aus seinen Worten, mit denen er nur so um sich wirft.
Planlos liege ich auf gepolstertem Boden.
Die Entscheidung über das weitere Vorgehen wird mir durch Sirenen abgenommen. Doch mit diesem Geräusch scheint auch der Jugendliche unter mir gehörige Probleme zu haben.
Sein Arm, der eigentlich über seinem Kopf am Boden liegt, schnellt unkontrolliert nach oben.
Diese Aktion wäre wohl glimpflicher ausgegangen, wenn der Spiegel einmal nicht alles gegen mich gerichtet hätte.-------------------
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...