35 - Vom Sinn und Unsinn

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Francos Sicht

"Das kann doch nicht so lang dauern", murmle ich nervös. Meine Finger trommeln auf das Lenkrad ein. Ich habe das Gefühl, nichts dagegen machen zu können. Irgendwo muss die aufgestaute Angst, die von Sekunde zu Sekunde wächst, hin.
Der gewünschte Erfolg bleibt zwar aus, doch diese erdrückende Stille im Auto wird dadurch immerhin etwas erträglicher.

Die Türen der Klinik gehen auf, und augenblicklich springe ich aus dem NEF.
"Franco, immer mit der Ruhe", besänftigt Alex mich vergeblich.
"Ruhe? Mein Sohn wurde gerade unter Sonderrechten dort abgeliefert und ich soll ruhig bleiben? Was ist mit ihm?"
Ich wurde schon aufbrausend, als Alex mich dazu verdonnert hat, draußen zu warten. Anscheinend ist etwas passiert, was er mir ersparen wollte. Natürlich hätte ich nicht darauf hören müssen, aber bevor ich Dinge sehe, die mich noch in meinen schlimmsten Träumen verfolgen, bin ich lieber seinem Rat gefolgt.
Alex deutet auf die wieder geschlossenen Türen hinter sich. "Du kannst zu ihm. Aber er hatte gerade einen Krampfanfall, bevor die Ein- und Austrittsstelle versorgt werden konnten."
Ich fasse mir an den Kopf, kneife meine Augen zusammen. "Das ist nicht dein Ernst. Und wie sieht es sonst aus?" Ein stechender Schmerz breitet sich in meinem Kopf aus, der bis in die Seele dringt und dort eine weitaus schlimmere Welle auslöst.
"Bis jetzt noch keine Extrasystolen. Aber du weißt, dass die Störungen noch kommen können."
Ich fuchtle mit einer Hand vor meinem Gesicht herum, als könnte ich dadurch das alles einfach wie eine lästige Fliege ungeschehen machen. "Sag mir bitte nicht, was noch alles passieren kann. Ich möchte nur wissen, was bis jetzt eingetreten ist", bitte ich ihn.
"Wie bereits gesagt", äußert sich Alex knapp. In seinem Gesicht kann man die Besorgnis ablesen. Natürlich geht das alles nicht spurlos an ihm vorbei, es handelt sich immerhin um Toni.

Ich drücke mich zwischen NEF und Alex durch und bin mit wenigen Schritten am Eingang der Notaufnahme. "Wer behandelt ihn?"
"Charlotte", sagt Alex und eilt mir hinterher.

"Nur Überwachung bringt ihn weiter, das weißt du", sagt Charlotte seufzend.
Toni wurde soeben auf die Intensivstation gebracht.
Ich fahre mir wirsch durch die Haare. "Weiß ich. Das muss ich jetzt doch irgendwie noch Fine erklären, ohne dass sie ausrastet. Und das genau heute", jammere ich und bin nervlich kurz vor dem Ende.
"Genau heute? Was ist denn heute?", hakt Charlotte interessiert nach.
Alex öffnet seinen Mund, doch ich komme ihm zuvor. "Nichts, nichts."
Grummelnd guckt Alex mich an, geht jedoch nicht weiter darauf ein. "Soll ich uns abmelden?"
Ich schüttle meinen Kopf. "Muss schon irgendwie."

Zusammen mit dem Piepsen unserer Melder drücke ich Fines Telefonat weg. Schon beim Gehen kann ich nichts mehr an mir halten. "Kannst du nicht einmal deinen verdammten Mund halten? Lass Fine doch in Ruhe zum Training gehen", schnauze ich Alex an. "Du versetzt sie in totale Angst. Dass daraus auch Unfälle entstehen können, ist dir schon bewusst, oder?"
Ihn scheint das jedoch ziemlich kalt zu lassen. "Ich habe vielleicht auch Angst und mache mir Sorgen? Man muss doch kein Risiko eingehen!" Seine Stimme wird lauter. Ob er das mit Absicht gemacht hat, damit ich ihn auch beim Einsteigen verstehe, weiß ich nicht.
"Ich mache mir keine Sorgen oder was?", erwidere ich und starte den Motor. "Aber dein ganzes Gelaber um den Spiegel ist einfach übertrieben, verstehe das doch mal!"
"Na ja", beginnt Alex und atmet tief durch. "Ich trage keine Schuld, wenn ihr am Ende des Tages etwas passiert." Die plötzliche Ruhe in seiner Stimme klingt gefährlich.
"Dass keiner irgendeine Schuld trägt, ist dir klar? Passieren kann immer was. Aber es wird nichts passieren."
Alex erwidert darauf nichts mehr. Lässt mich einfach so sitzen und wendet seinen Blick aus dem Fenster. Er nimmt eine Abwehrhaltung ein.
Ich haue aufs Lenkrad. "Du bist so ein Idiot", nuschle ich, gepackt von der Wut, die nicht aufhören will, in mir zu brodeln. Doch dass sich das Gemisch aus Wut, Angst und Sorge nicht positiv auf meinen Zustand auswirkt, muss ich jetzt irgendwie verdrängen.

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt