Es ist nicht mal eine Frage weniger Sekunden, da spüre ich die brodelnde Hitze in meinem Kopf. Womöglich versprüht mein Gesicht schon Funken, so heiß ist es.
Augenblicklich ist mein Mund ausgetrocknet. Ich kann Adrian nur mit offenem Mund anstarren.
"Ich..." Es fällt mir beim besten Willen nichts ein. Als hätte mir soeben jemand einen Schlag gegen den Kopf gegeben, bei dem jeglicher Wortschatz aus meinen Ohren gesegelt ist.
"Wieviel hast du gehört?", bringe ich schon beinahe in einem Krächzen zustande."Ach, Josefine", Adrian macht eine abwinkende Handbewegung, "weißt du, ich dachte, du hättest ein anderes Bild von mir. Aber schön, man kann nicht alles wissen. Ist doch okay, wenn du das so siehst. Auch wenn es nicht ganz so nett ausgedrückt war."
"Ich..." Wieder will ich schlagfertig sein. Wieder will ich mich rechtfertigen, das alles richtigstellen. Kein Wort schafft es über meine Zunge, die mir mit Sekundenkleber an den Gaumen geklebt wurde.
Er hat also alles gehört. Alles, was zu meinem Ausraster zählt.
Mein Ausraster, der aus einem Witzebuch hätte stammen können."Wir müssen wieder zum Unterricht", rettet Anni mich aus dieser Situation und zieht mich weg.
Adrians Gesichtsausdruck hat sich bei mir eingebrannt.
Seine coole Art, mit diesen Vorwürfen umzugehen, war nur gespielt. Vor allem Enttäuschung war ihm ins Gesicht geschrieben. Meine Worte haben ihn getroffen. Mitten ins Herz.
Das weiß ich. Weil ich ihn kenne.
Kenne.
Wo ist nochmal der Knopf, mit dem man zurückspulen und Dinge ändern kann?"Irgendwie sieht eher Josefine nicht ganz so gesund aus", stellt unser Lehrer fest.
Kommentarlos lasse ich mich auf meinen Platz fallen und starre auf das Blatt Papier vor mir."Warum hast du nichts gesagt?", frage ich nach einer kurzen Zeit leise. "Du hättest einschreiten müssen."
"Ich dachte, mein Blick würde alles sagen", antwortet sie mir eine Spur verbissen. "Kann ich ja nichts dafür."
Jetzt sagt ihr Blick alles. Jetzt. Vorhin hat er mir rein gar nichts gesagt.
Verwundert bleibt meine Aufmerksamkeit ganz bei Anni liegen. "Was ist los mit dir?"
Doch sie schüttelt nur den Kopf. "Nichts."
Mit einem lauten Klappern landet ihre Federtasche im Rucksack.
"Anja, Ende ist erst in zehn Minuten", kommt es mahnend von vorne.
"Möglich", zischt sie zurück und verschränkt ihre Arme vor der Brust.Es ist wie ein schrecklicher Unfall. Man will nicht gucken, doch alle Kräfte zehren an den Augen und ziehen sie praktisch zu dieser Situation.
Mir kommt beinahe Galle hoch, als ich Mimis Grinsen sehe, während sie mit großen Schritten auf Adrian zugeht. Ihre blonden Haare wippen Schritt für Schritt im Zopf, ihr Gang wirkt beschwingt.
Adrian schielt dafür zu mir. Sein Blick brennt auf meiner Haut, die Enttäuschung umhüllt mich wie ein sanfter Windzug.
Ein sanfter Windzug mit ganz mieser Intention.
"Naaaa."
Ich kann mir nur knapp ein Würgen verkneifen, als auf Mimis Begrüßung ein Kuss folgt.
Adrians Lächeln, nachdem er sich von ihr gelöst hat, wirkt falsch. Wieder schielt er zu mir, greift nach Mimis Hand, dreht sich um und geht mit großen Schritten weg. Dass Mimi kaum mit ihm mithalten kann, scheint ihm egal zu sein."Glotz nicht so", zischt Anni und gibt mir einen Stoß in die Seite.
"Du hast selbst gestarrt", gebe ich zurück.
Es braucht keine Zaubersprüche, um Annis Meinung darüber zu bemerken. Sie ist ganz und gar nicht begeistert von dieser Beziehung.
Und das lasse ich mir auch gründlich durch den Kopf gehen, während wir auf dem Weg zu mir nach Hause sind. Gerade jetzt, wo ich nichts lieber als meine Ruhe hätte, müssen wir einen Vortrag in Politik vorbereiten."Weißt du", ich drücke die Klingel durch und habe jetzt schon Tonis genervtes Gesicht vor Augen, "ich würde gern verstehen, warum dir das mit Adrian so nah geht. Aber ich kann es nicht. Hast du eine Erklärung für mich?"
Verlegen lässt sie ihre Schuhspitze im Kies neben unserem Eingang kreisen.
"Also doch, ich habe eine Idee. Doof von mir ausgedrückt. Aber verstehen kann ich es trotzdem nicht", ergänze ich unter dem Geräusch der Kieselsteine.
Anni macht keine Anstalten, mir eine Antwort zu liefern.
Sogar Toni kommt ihr mit dem Öffnen der Tür zuvor. Und wie ich vermutet habe - seine Mundwinkel hängen in den Kniekehlen.
"Es gibt eine wunderbare Erfindung Namens Schlüssel. Ganz abgefahrene Technik, musst du mal ausprobieren." Nur zu einem ironischen Lächeln lassen sich seine Mundwinkel bewegen.
Ich zucke mit den Schultern und schiebe mich an ihm vorbei ins Haus.Meine Augen brennen. Sie betteln nach einem Blinzeln, doch dann würde ich den Tränen eine Freikarte schenken. Kann ich nicht einmal stark sein?
Appetit verspüre ich nicht, wenn ich auf den Teller mit den Kartoffeln und dem Spinat vor mir gucke. Eigentlich ein Essen, welches ich total gern esse. Doch heute löst es eher das Gegenteil aus.
"Was ist los?" Alex' einfühlsame Stimme macht das nicht besser.
Er hat den Schalter umgelegt.
Auch Phils Gabel hört auf, auf dem Teller zu kratzen. "Ist heute was passiert?", fragt Phil erschrocken.
"Nein." Meine Stimme zittert, während ich mir meine Tränen aus dem Gesicht wische. "Also nicht wirklich", schiebe ich leiser hinterher. Ich kann mir ehrlich nicht erklären, woher diese Tränen kommen.
Phil und Alex gucken sich überfordert an. An dieser Stelle hätten sie wohl gern Paula bei sich, doch sie ist in der Klinik. Und da auch Papa arbeiten ist, sind die beiden jetzt auf sich allein gestellt. Dabei können die beiden mit meinen Tränen am wenigsten umgehen. Neben Papa.Alex' Augen strahlen pure Besorgnis aus, Phil wirkt dafür mehr überfordert.
"Ich hab Adrian heute gesehen", beschließe ich, einfach das zu sagen, was ich weiß. Wobei mir der Auslöser trotzdem versteckt bleibt. Ich kann mir daraus keinen Reim bilden. "Er hat eine Freundin. Mimi, aus meiner Klasse. Sie wiederum erzählt Dinge über ihn, die nicht stimmen."
Die Blicke der beiden sprechen Bände. Sie verstehen nur Bahnhof.
Und das tue ich auch.
"Seitdem verhält sich Anni komisch. Wisst ihr, mir tut Adrian so leid, dass er in Mimi augenscheinlich nicht die Freundin gefunden hat, die er verdient. Aber schlimmer ist eigentlich, dass..."
Adrians Gesichtsausdruck taucht vor mir auf. Ich habe ihn enttäuscht, ihn verletzt. Dabei sind wir uns gegenseitig doch eigentlich völlig bedeutungslos.Es bringt alles nichts.
So sehr ich mir auch einreden will, dass wir uns gegenseitig nichts bedeuten, wir keinerlei Kontakt haben und zwei verschiedene Leben führen, in denen der andere keine Rolle spielt - es klappt nicht.
Er hat sich mir anvertraut, mir seine Geschichte erzählt, die er nur einer handvoll Personen erzählt.
Und das habe ich in den Dreck gezogen.
Ich kann mich nicht entscheiden, was ich besser finden soll. Dass ich ihn nie wieder sehe und deswegen in keine unangenehme Situation gerate, oder dass ich womöglich für lange Zeit mit einem miesen Gewissen leben muss, da ich mich eben nicht erklären kann.Schlussendlich lande ich zwischen Alex und Phil auf der Couch, die alles mögliche probieren, um mich auf andere Gedanken zu bringen.
Nur leider wirken ihre liebenswerten Bemühungen nur oberflächlich.Am nächsten Tag stehe ich unschlüssig vor dem Schulhof und warte auf Anni.
Hoffnung, dass ihre Laune besser ist, habe ich kaum. Ihre Erklärung gestern blieb aus.
Ich verstehe sie nicht. Sie hatte überhaupt nichts mit ihm zu tun. Anders als ich.
Wobei ich auch hier hin- und hergerissen bin. Vielleicht sind es einfach viel zu viele Gedanken, die mich quälen. Ich mache mir immer über alles zu viele Gedanken.Mit wippendem Fuß stehe ich noch weitere zehn Minuten vor der Schule.
Zeitmanagement war nie meine Stärke.
Anni taucht oft ziemlich knapp auf, während ich immer viel zu früh ankomme.
Und dafür werde ich direkt bestraft.
Ein Auto fährt vor. Sein Auto.
Ich schließe meine Augen, schlucke die aufkommenden Gefühle herunter, die mir unerklärlich scheinen.
Super, das Timing stimmt mal wieder perfekt.
Findet Mimi nicht mehr allein zur Schule?
Na ja, schlimmer kann es nicht mehr kommen.Und wenn man das denkt, dann trifft eben auch genau das ein.
--------------
Mir tut diese Inaktivität total leid, aber leider wird sich das eher weniger ändern. Meine nächsten beiden Wochenenden sind voll und unter der Woche gestaltet sich das Schreiben auch eher schwierig.
Ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis :)Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
DU LIEST GERADE
7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...