13 - Nicht unbekannt

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Toni geht durch mein Zimmer und setzt sich auf den Schreibtischstuhl.
"Was möchtest du? Du siehst so ernst aus." Argwöhnisch beobachte ich ihn dabei, wie er sich mein Zimmer anguckt, als wäre er zum ersten Mal hier.
Er holt tief Luft. Seine Augen liegen besorgt auf mir, scheinen mich durchdringen zu wollen. "Woher kennst du Simon?"
Es ist, als würde jemand einmal an meinem Kopf rütteln und alle Gedanken aufmischen. Was?
"Simon. Mit dem du heute draußen warst", präzisiert Toni seine Frage.
Langsam nicke ich. "Ist mir klar", murmele ich verwirrt. Meine Augenbrauen treffen sich in der Mitte. "Woher kennst du ihn?", stelle ich ihm die gleiche Frage, ohne auf seine zu antworten.
"Man kennt sich halt." Er klingt, als würde er nicht viel detaillierter darauf eingehen wollen. "Wie findest du ihn?", fragt er stattdessen interessiert.
Toni und ich haben noch nie solche Gespräche geführt. Sein Anliegen ist ein ganz anderes, das spüre ich. "Ganz nett, würde ich mal sagen. War heute lustig. Aber worauf möchtest du hinaus?" Etwas sagt mir, dass Toni gleich keine tollen Neuigkeiten für mich hat. Mein Herz verschnellert wie aus dem Nichts sein Tempo.
"Ich glaube", Toni zupft an seiner Jogginghose und dreht sich nervös auf dem Stuhl hin und her, "dass er kein guter Umgang für dich ist."
Ich würde das gern hinterfragen, doch mir fehlen irgendwie die Worte. Zu sehr bin ich damit beschäftigt, seine Aussage zu verarbeiten. Toni hat mich damit einfach überrumpelt. Wer rechnet auch schon damit, dass er Simon kennt? Und das anscheinend genügend, um diese Vermutung in meiner Gegenwart zu äußern.
Schnell merke ich, dass Toni gar nichts von mir erwartet. "Er ist jetzt achtzehn geworden, oder?"
Mein Kopf nickt, doch ich habe kaum das Gefühl dazu.
"Hör mir mal bitte zu", beginnt er und klingt wirklich ziemlich überzeugt. Ernsthaft überzeugt.
"Ich mache nichts anderes", bestätige ich unnötigerweise.
"Simon trinkt sehr oft wirklich viel Alkohol. Zudem habe ich ihn schon des öfteren bekifft erlebt. Und ich habe aufgehört, zu zählen, mit wie vielen Mädchen der was in den letzten zwei Jahren hatte."
Ungläubig starre ich ihn an. "Du bist dir sicher, dass wir hier vom gleichen Simon reden?"
Er bejaht mit einem Brummen.
Ich falte meine Beine auf meinem Bett zu einem Schneidersitz, lege meine Hände ineinander und fixiere einen unbestimmten Punkt hinter Toni. "Und jetzt?", möchte ich schließlich wissen.
"Ich würde es gut heißen, wenn du dich nicht mehr mit ihm triffst", sagt er ehrlich.
"Wenn ich es doch mache?" Immerhin kann ich nicht wirklich glauben, dass er so schlimm ist.
"Dann werde ich mit Papa darüber reden."
Mein Stuhl quietscht, als Toni sich erhebt.
"Das machst du nicht", wende ich schnell ein. Toni hat bereits die Türklinke in der Hand.
"Mache ich. Ich möchte nicht, dass du dich da in etwas verrennst und womöglich noch in sehr schlechte Hände gerätst." Damit verlässt er mein Zimmer, ohne auf eine Antwort von mir zu warten.
Mit offenem Mund starre ich an die geschlossene Tür, durch die Toni gerade verschwunden ist.
Was war das denn bitte? Dieses ganze Gespräch war vom ersten bis zum letzten Satz einfach komplett komisch.

Papa macht mich am nächsten Morgen wach. Und ich ziehe mir sofort die Decke über den Kopf.
"Du musst aufstehen, wir haben einen Termin", macht er mir einen Strich durch die Rechnung und zieht mir die Decke weg.
"Ich möchte nicht", murre ich verschlafen und drehe mich von Papa weg.
"Es muss aber gemacht werden. Na los, komm." Er zwickt mir in die Seite, was mich schreiend zur Seite weichen lässt. Leider ist mein Bett nicht unendlich. Mit einem lauten Geräusch lande ich auf dem Boden.
"Geht doch", sagt Papa triumphierend und verlässt mein Zimmer.

Aufmerksam mustere ich ihn, wie er sich auf die Straße konzentriert. Im Auto ist es still, nur der Straßenverkehr ist zu hören.
Ohne ersichtlichen Grund lacht Papa auf. "Ich finde es irgendwie witzig, dass du Alex gestern angelogen hast. Als wäre das irgendein Tabuthema bei uns."
Eine Sache weiß ich nun: Papa ist nicht sauer deswegen. Dennoch muss ich schlucken und meinen Blick nach draußen richten. "Hatte keine Lust auf diese Fragen", rechtfertige ich mich kurz. Hat Toni gestern noch mit ihm geredet?
Mir wollen seine Worte nicht mehr aus dem Kopf gehen. Da wird schon etwas dran sein, er denkt sich das ja nicht zum Spaß aus. Andererseits... ich werde doch selbst schnell genug merken, an wen ich geraten bin.
Papa winkt lächelnd ab und lenkt auf den Parkplatz der Klinik. "Alles gut, dir ist keiner böse."
Erleichtert atme ich aus, hole im nächsten Moment jedoch schon wieder angespannt Luft. Vielleicht ist es wirklich nicht richtig, weiterhin mit ihm Kontakt zu haben.
Meine Hände zittern, beginnen langsam zu schwitzen. Das liegt nun aber daran, dass meine Fäden gleich gezogen werden. Immerhin eine kurze Ablenkung.

Vielleicht ist es wirklich nicht richtig, weiterhin mit ihm Kontakt zu haben.
Über diesen vorherigen Gedanken kann ich jetzt nur noch lachen.
Ich weiß auch nicht, wer gerade einer Silvesterparty zugestimmt hat.
"Fine? Essen ist fertig!", schreit Papa durchs Haus.
Ich springe vom Bett und stolpere erst mal über einen Wäscheberg. Da hätte ich doch mal auf Papa hören und den wegräumen sollen. Oder ich mache einfach das Licht an, dann sehe ich ihn das nächste Mal. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht?
"Wo bleiben denn die anderen?", frage ich irritiert nach. Nur Papa und Toni sitzen am Tisch.
Papa zuckt mit den Schultern. Aha, informativ wie eine zerrissene Landkarte.

Während nur das Klappern des Bestecks auf den Tellern zu hören ist, arbeitet es in meinem Kopf. Ich habe Silvester noch nie woanders gefeiert.
Nach etlichen möglichen Varianten, wie ich Papa beibringen kann, dass ich zu einer kleinen Silvesterparty gehe, entscheide ich mich für die Wahrheit.
"Papa?"
"Mhm?"
"Kann ich morgen..." Mein Blick huscht zu Toni, der mich nun ebenfalls neugierig mustert. Doch nicht die Wahrheit. "Kann ich morgen mit Anni Silvester feiern?"
Papa lässt überrascht seine Gabel wieder sinken. "Du hast Anni gestern schon als Ausrede benutzt. Nicht, dass ich dir nicht glauben möchte, aber ihr hattet doch jetzt keinen Kontakt mehr."
Bedacht nicke ich. Das muss ich jetzt schlau anstellen. Zumal Toni mich mit seinem Blick durchbohrt. Kurz bekomme ich Angst, dass er meine Gedanken lesen könnte. "Sie hat mich aber gefragt. So als Friedensangebot, verstehst du? Da sind noch ein paar andere dabei, wohl aus der Schule oder so."
Papa entspannt sich sichtlich. Komplettes Gegenteil zu Toni, der mir mit seinem Blick zeigen will, wie schlecht diese Lüge doch war.
"Paula und Phil sind die einzigen beiden, die morgen hier sind. Sie werden sicherlich nichts dagegen haben, Silvester allein zu verbringen", ist Papas Erlaubnis.
Toni klappt der Mund auf, doch er bleibt still und schüttelt nur den Kopf.
Warum kann er mich durchschauen?

Es passt alles perfekt.
Toni ist am nächsten Abend bereits bei Freunden, Paula und Phil sind ebenfalls schon aufgebrochen.
Simon holt mich um acht ab. Die Party ist in einem nahegelegenen Park, der mir zum Glück nicht unbekannt ist.
Erleichtert konnte ich feststellen, dass Toni nicht nochmal auf dieses Thema eingegangen ist. Und ich bin ihm dankbar, dass er das erst recht vor Papa nicht gemacht hat.

Zum letzten Mal kämme ich durch meine Haare, da klingelt es pünktlich um acht an der Tür.
Ich schnappe mir mein Handy und meinen Schlüssel, öffne die Tür und begrüße Simon mit einer Umarmung.
"Du riechst gut", stellt er grinsend fest, ehe er mich wieder loslässt.
Ich lächle nur und schließe die Tür ab. Das ist Paulas Deo zu verdanken.

Die Straßen werden von dem Schein der Laternen beleuchtet. Ab und an ist bereits ein Feuerwerk aus der Ferne zu hören.
"Da hinten sind die anderen schon." Simon deutet auf eine hörbare Gruppe junger Menschen.
Ich bin froh, dass es eine milde Nacht werden soll. Auf abgefrorene Zehen hätte ich weniger Lust gehabt.

Mit dem Betreten des Parks und Aufeinandertreffen mit den anderen verpufft binnen Sekunden ein Problem. Dafür tut sich ein für mich momentan viel größeres auf.
Am liebsten würde ich auf dem Absatz kehrt machen.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt