55 - Eine Tür von vielen

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Leider wird mir gerade keiner einen Klebezettel an die Stirn gepappt haben, auf dem in roter Warnfarbe VERSCHWINDE raufgeschrieben wurde, denn Adrian bleibt hinter Phil stehen.
Was macht er hier? Jetzt? Einen unpassenderen Zeitpunkt hätte er sich nicht aussuchen können. Zumal mein Bedürfnis, ihm zu begegnen, auf einer Skala von eins bis zehn bei minus hundert einzuordnen wäre.
Oder einfacher gesagt: Ich könnte gleich in Hundescheiße treten, die Freude wäre die gleiche.
Okay, das ist vielleicht ein bisschen sehr mies, aber wenn es nun mal die Wahrheit ist...
Wahre Worte sind nicht schön und schöne Worte sind nicht wahr. So ist das nun mal.

Phil möchte zu etwas ansetzen, doch ich drücke mir meinen rechten Zeigefinger auf meine Lippen. Er versteht und bleibt still, während ich die Treppe runtergehe.
"Was zum Teufel macht Adrian hier?", flüstere ich an Phil gewandt.
"Er wollte..."
Annis Handy, dessen Klingeln durch das ganze Haus schallt, lässt uns alle zucken.
"Na ja, egal jetzt", hindere ich Phil am Fortfahren. "Aber er muss hier verschwinden. Anni ist oben." Wenn ich eines verhindern will, dann die Begegnung zwischen Anni und Adrian.

Verständnislos guckt Adrian mich an, während ich mit vollen Kräften probiere, ihn irgendwie ins Wohnzimmer zu schieben. Angesichts seiner Größe, die mich um doch nur einen Kopf überragt, und seinem leicht trainierten Körper, ist das eine nicht ganz so leichte Aufgabe.
Irgendwann scheint der verehrte Herr jedoch mal zu verstehen und lässt sich freiwillig von mir steuern.

In der Küche bleibe ich stehen und gucke zwischen Phil und Adrian hin und her.
"Okay, du bleibst jetzt hier stehen. Und ich probiere, Anni loszuwerden."
Phil zieht seine Augenbrauen zusammen. "Du weißt schon, dass du gerade dabei bist, ihr eine Lüge aufzutischen? Zumal ich den Sinn nicht ganz durchblicke. Warum bist du nicht einfach ehrlich?"
"Weil ich den Sinn verstehe", zische ich und drehe mich um.
Mir ist es schleierhaft, dass ich heute direkt gereizt bin, wenn einer aus diesem Haus nur den Mund öffnet.

Mit jedem weiteren Schritt nach oben scheint ein Teil meines Wortschatzes gelöscht zu werden.
Anni ist noch am Telefonieren, doch die Zeit bringt mir rein gar nichts. Planlos stehe ich da und kann nicht mal überlegen, womit ich sie nun loswerden könnte.
"Ja Mama, bin unterwegs. Bis gleich." Seufzend nimmt sie ihr Handy vom Ohr.
Ich werde derweil hellhörig. Sie ist unterwegs? Kann es sein, dass sich mal ein klitzekleines - wobei, mir scheint das gerade sehr groß - Problem ernsthaft von allein löst?
Sie grinst mich schief an. "Wir fahren übers Wochenende spontan zu meinen Großeltern. Ich soll jetzt nach Hause kommen und meine Sachen packen. Sorry." Entschuldigend lächelnd steht sie auf.
"Na ja", ich mache eine wegwerfende Handbewegung, "Phil wirkte gerade eh so, als wolle er mit mir reden."
Ich bringe sie nach unten, verabschiede mich mit einer Umarmung und schließe hinter ihr die Tür.

Tief durchatmend lehne ich mich kurz an diese und lasse meinen Kopf nach hinten sinken. Was um alles in der Welt möchte Adrian jetzt hier?
Rausbekommen werde ich das wohl nur, wenn ich mit ihm rede. Doch die Lust dazu macht gerade dort Urlaub, wo der Pfeffer wächst.
"Fine?", fragt Phil vorsichtig aus der Küche und bringt mich automatisch zum Maulen.
"Was ist denn?"
"Wow", stößt er aus. "Alles okay mit dir?"
Nein, zufällig ist hier gar nichts okay.
Ich gehe zu ihm, statt ihm nochmal durch das halbe Haus zu antworten.

Adrian sieht ziemlich schüchtern aus, wie er da so steht und ein Glas Wasser in der Hand hält. Unschlüssig wandert sein Blick durch die Küche.
"Natürlich ist alles okay mit mir", die Ironie ist kaum zu überhören, "bei euch auch?"
Phil schüttelt den Kopf über meine sichtlich rhetorische Frage. "Wo ist Alex?"
"Im Keller, er kümmert sich gerade um die Wäsche."
Genervt schnalzt er mit der Zunge. "Der Typ soll sich doch schonen", flucht Phil und verlässt die Küche.

Mit erhobenen Augenbrauen wende ich mich an Adrian, kann ein Seufzen jedoch nicht unterdrücken. Inständig hoffe ich, dass er das nicht als genervt ansieht. Das würde mir irgendwie doch wieder leid tun. "Und was machst du hier? Ich meine, Phil kommt nicht alle Tage mit einem Pfleger nach Hause."
"Mir tut mein Verhalten leid", beginnt er. Seine Wangen werden augenblicklich von einem leichten Rot durchzogen. "Ich dachte mir, dass ich dir vielleicht ein paar Antworten schuldig bin. Auch wenn mir das alles andere als leicht fällt."
"Sag bloß." Ich drehe mich von ihm weg und nehme mir ebenfalls ein Glas Wasser. "Dann schieß los. Du hast meine Aufmerksamkeit." Ich bereue schon beim Reden diese Gleichgültigkeit in meiner Stimme, doch ich kann sie irgendwie nicht unterdrücken.
Mein ganzes Verhalten des heutigen Tages ist mir ein großes Rätsel, wogegen ich einfach machtlos bin. Nur noch eine weitere Frage, die mich kurzzeitig unter eine große Welle taucht und mir die Luft ein weiteres Stückchen nimmt.
Adrian räuspert sich. "Können wir das in deinem Zimmer klären? Oder draußen? Ich würde dir das ungern zwischen Tür und Angel erzählen."
Ihn muss dieses Thema wirklich doll belasten, wenn er daraus so ein Geheimnis macht.

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt