"Vielen Dank. Du hast es ja wirklich geschafft." Seine Stimme trieft vor Erstaunen.
"War gar nicht so schwer wie gedacht. Hat mich ziemlich gewundert", sagt Anni verschmitzt grinsend und schiebt mich etwas nach vorn. "Jetzt gratuliere dem Geburtstagskind mal, das ist sonst unhöflich."
Mein Mund ist staubtrocken, meine Zunge besteht aus Schleifpapier. Auch das tausendste Mal blinzeln lässt die Person, die verdächtig nach Adrian klingt und aussieht, nicht verschwinden. Es taucht kein Mädchen auf, welches ich an der Tür als Gastgeber erwartet habe. Es ist und bleibt Adrian, der mich erwartungsvoll mustert.Panisch drehe ich mich um. Annis Grinsen lässt nicht nach.
"Das war ein ausgeklügelter Plan. Wie... Warum..." Durch ein ungewöhnliches Kratzen äußert sich meine Stimme und macht mir das Sprechen nicht ganz so angenehm. "Anja, ich will hier weg. Sofort. Das war so nicht geplant."
"Und wie geplant das war", widerspricht sie mir ohne Zögern. "Jetzt mach hier keinen Aufstand und geh ins Haus."
"Anja!" Ich erhebe meine Stimme, möchte zu einem weiteren Einspruch ansetzen, werde jedoch von ihrem warnenden Blick daran gehindert.
Sie packt mich am Arm und zieht mich ein paar Schritte vom Eingang weg. Adrian schenkt sie entschuldigende Worte mit dem Abschluss, er solle kurz hier warten."Was soll das?", knirscht sie leise.
"Ich habe dir doch schon oft genug gesagt, dass ich mit Adrian nichts mehr zu tun habe. Ich hatte nie etwas mit ihm zu tun und werde es auch nie haben. Warum schleppst du mich zu seinem Geburtstag? Und das vollkommen geplant?"
Ihre Augenbrauen heben sich. "Schalt mal einen Gang runter. Er hat dir nichts getan, okay? Genieß doch einfach mal die Zeit und hab Spaß."
Schnaubend schiebe ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, die mir störend ins Gesicht gefallen ist. "Hat er nicht?", frage ich, ihren restlichen Vorsatz ignorierend. "Er hat mir nichts getan?" In meinem Kopf arbeitet es. Er hat mir... nichts getan.
"Merkst du selber, oder?", zischt Anni, ehe sie ihr typisches zuckersüßes Lächeln aufsetzt, meine Hand greift und mich zurück zur Tür schleift.Adrian erwartet uns mit angehaltener Luft. "War keine gute Idee, hab ich ja gesagt", nuschelt er mit gehobenen Schultern. Sehe ich da ein entschuldigendes Schmunzeln, welches an mich gerichtet ist?
Und plötzlich greift das schlechte Gewissen nach mir, welches immer in den unpassendsten Momenten zeigen muss, dass es existiert. Ich möchte nicht diejenige sein, die ihm den Geburtstag versaut hat.
Nachdem mir das tiefe Seufzen lauter hervorkommt, als es sollte, reiße ich mich zusammen.
"Alles Gute", murmele ich, kann mich jedoch nicht überwinden, ihm dabei ins Gesicht zu gucken, und schiebe mich an ihm vorbei in den einladenden Flur.Abgestandene Luft. So ziemlich das Einzige, was mir in den nächsten fünf Minuten auffällt.
Während ich Anni dabei beobachte, wie sie freudig die anderen Gäste begrüßt, stehe ich verloren an der Seite und probiere krampfhaft, Adrians bohrenden Blicken auszuweichen.
Was ein Arsch, denke ich verbissen, doch das macht es trotzdem nicht leichter, seinen Blick zu ignorieren.Mein Blick, so grimmig wie eben möglich, starr auf Adrian gerichtet. Er wiederum wird von Mimi belagert, die hysterisch auf ihn einredet. Dieses Schauspiel will ich mir dann doch nicht entgehen lassen, trotz aller -
"Hey."
Zuckend drehe ich mich zur Seite. Doch statt ein Gesicht sehe ich breite Schultern. Ziemlich breit.
"Hier oben", lacht eine tiefe Stimme, die mir bei seiner Begrüßung nur halb so männlich erschien.
Langsam hebe ich meinen Kopf und suche die Augen meines Gegenübers. Vergeblich.
Ein kurzes Schütteln seinerseits setzt meiner Suche ein Ende. Unter den dunkelbraunen Haaren, die ihm gerade noch im Gesicht hingen, stechen nun seine strahlend blauen Augen heraus.
"Ich bin Julian", stellt er sich schmunzelnd vor und schiebt seine Hand in mein Sichtfeld.
"Josefine", erwidere ich stockend und ergreife nur mit einem verwirrten Zögern seine Hand. So stellt man sich auf Partys vor? Das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.
Sein Schmunzeln wird breiter. "Deine Freundin Anni hat sich schon bei allen von allein vorgestellt. Ist alles okay mit dir? Du siehst hier so verloren aus."
"Gleich nicht mehr, wenn du-" Ich verziehe mein Gesicht und zische. "Es hat geknackt, ich könnte schwören."
Sofort lässt er meine Hand los. "Sorry, ich hab vergessen, dass-"
"Dass du stark bist? Das hab ich gemerkt."
Sein Lachen beschert mir eine Gänsehaut, so angenehm und sanft, wie es aus ihm kommt.
Seine aufrechte Haltung verliert an Spannung. "Warte kurz, bin gleich wieder da", nuschelt er und verschwindet in Richtung Adrian.Wenige Minuten später sitze ich mit einem Becher in der Hand neben Julian auf der Couch.
Argwöhnisch betrachte ich die rote Flüssigkeit und den dünnen Film Schaum, der immer mehr verschwindet.
"Erdbeerbowle. Ganz ungefährlich. Ich habe Mimi gefragt, was ihr Mädels so mögt. Das soll immer gut ankommen", springt Julian in die entstandene Stille und unterbindet somit, dass ich noch länger zweifelnd in das Getränk starre.
Mit gehobenen Schultern lege ich meinen Blick auf ihn. "Wird schon schiefgehen", murmele ich, drehe mich weg und nehme einen kleinen Schluck.
Meine Gesichtsmuskeln drohen mir augenblicklich mit Muskelkater, wenn ich davon noch mehr trinke. Definitiv keine reine Erdbeerbowle.
Doch als Adrian meinen Blick streift und gleich darauf Mimi angesprungen kommt, verabschieden sich in sekundenschnelle ein paar Synapsen.
Um nicht noch länger diesem Schauspiel zuzugucken, nehme ich einen weiteren Schluck. Einen größeren, der meinen Ekel auf der einen Seite dämpft, auf der anderen ins Unermessliche steigen lässt.Räuspernd beschließe ich, mich zusammenzureißen. Der Abend kann schön werden. Ich muss nur etwas daraus machen.
Entschlossen drehe ich mich erneut Julian zu und lächle ihn an - wenn auch etwas erzwungen, denn das leichte Brennen in meinem Hals würde mich am liebsten flüchten und nach Wasser suchen lassen.
"Und, woher kennst du Adrian?", beginne ich ein Gespräch und kann nur hoffen, dass dieses nicht lang auf Adrian haften bleibt.
Auch er dreht sich etwas mehr zu mir. "Wir kennen uns durch die Ausbildung."
"Sag nicht, du kommst auch aus der Medizin", sage ich wohl etwas zu genervt, was ihn nur grinsend den Kopf schütteln lässt.
Dann lass das tolle Gespräch beginnen.Fünf Becher später - oder waren es sechs? - halte ich mich lachend an Julian fest. "Das musst du mir nochmal erzählen", kichere ich nach Luft japsend.
Seine Hand liegt auf meinem Rücken, doch trotz der Stärke spüre ich sie kaum.
"Muss?", hinterfragt er schmunzelnd.
Ich kann mich an diesem Schmunzeln nicht satt sehen.
Ich zucke lasch mit meinen Schultern. Alle Versuche, ernst zu bleiben, scheitern kläglich in einem Anfall, der ein Gemisch aus ausgelassenem Lachen und einem sterbenen Huhn wohl ziemlich ähnlich kommen müsste.
"Bitte. Dieser M... Mu... Mm... Mo..." "Moment", hilft Julian mir auf die Sprünge. "Genau, dieser Mm... ach, egal, das kann doch nur zu lustig gewesen sein", quietsche ich und wische mir eher unkoordiniert meine Tränen aus dem Gesicht.
"Na schön", seufzt er, kann sich aber selbst ein Lachen nicht verkneifen. "Es begann alles damit, dass..."
"Sorry Julian, aber dürfte ich Fine mal kurz entführen?", unterbricht eine deutlich höhere Stimme die tiefe und doch so sanfte, der ich noch Ewigkeiten zuhören könnte.
"Nicht jetzt, Anni", brumme ich, ohne ihr große Aufmerksamkeit zu schenken.
"Oh doch. Jetzt sofort", raunt sie mir zu.
Ehe ich mich versehen kann, packt sie mich an den Armen und zieht mich auf meine Beine.
"Wow, Anja, mach mal halblang und halt still", fahre ich sie an, während ich meine Augen fest schließe. Alles dreht sich.
Von ihr kommt beinahe ein Knurren. "Zu viel gesoffen, hab ich es doch geahnt."
"Ey, ein bisschen freundlicher bitte, okay?", entgegne ich genervt. Die gute Laune ist wie vom Winde verweht.-----------
Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Kapitel von mir zu einer Seltenheit werden. Aber hier ist eins :)
Lebt diese Geschichte hier überhaupt noch?
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
DU LIEST GERADE
7 Jahre Pech (Asds) |2/2|
Fanfiction|2/2| ~Der zweite Teil von '7 Jahre Pech'. Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist es notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben.~ Josefine hat das erste Jahr Pech nach ihrem Spiegelunglück überstanden - wenn auch ziemlich chaotisch. Doch m...