44 - Grimmiger Igel

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Angestrengt halte ich mein Handy von meinem Ohr weg, doch die Vorwürfe pfeifen noch immer scharf durch meinen Kopf.
"Meine Güte, fang doch jetzt nicht schon wieder damit an!", schreit Alex in schlechter Qualität, was mir zeigt, dass er sich nicht in unmittelbarer Nähe des Handys aufhält.
"Ich? Du hast doch gerade gesagt, dass das alles nicht so sein müsste, wenn... wenn wir doch dies, wenn wir doch das...!" Papas Stimme ist beinahe ein Keifen.
Ich kneife meine Augen zusammen und spüre das Brennen hinter meinen Lidern, welches mir quälend vor Augen führt, wie angespannt die komplette Situation ist.

Mich überfällt die Angst, dass Papa und Alex gleich aufeinander losgehen, als es nach einem letzten Schrei besorgniserregend ruhig geworden ist.
Doch die Haustür, die mit so einem Schwung zugeschlagen wird, dass ich beinahe meine, das Wackeln sogar im Bett zu spüren, lässt mich gewaltig zucken.
Zögernd und mit höchster Vorsicht halte ich mein Handy wieder an mein Ohr. "Papa?"
Er atmet tief durch, was sich eher wie ein wütendes Schnauben vor einem Kampf anhört. "Sorry Süße, das solltest du jetzt eigentlich nicht mitbekommen."
"Schon gut", winke ich leise ab, um das Zittern in meiner Stimme zu überspielen. Meine bebende Unterlippe ist der Startschuss, der die Tränen Frischluft schnuppern lässt.
"Okay, also, wo waren wir stehengeblieben?", möchte Papa den Faden unseres Telefonats wieder aufnehmen.

Auch nicht die größte Mühe würde gerade eine Antwort aus mir herausbekommen. Ich bin mehr damit beschäftigt, meine Tränen im Großteil zu schlucken, statt sie im lauten Schluchzen enden zu lassen.
"Ich komme heute Abend direkt nach meiner Schicht vorbei, genau, das wollte ich dir mitteilen", fällt es ihm plötzlich wieder ein.
Ich nicke, bis mir bewusst wird, dass er das gar nicht sehen kann.
Meine Tränen wische ich mit der Decke weg, schlucke nochmals kräftig und bringe schlussendlich ein "Bis dann" zustande.
"Hab dich lieb", sagt Papa liebevoll, doch ich kann darauf nichts erwidern und lege auf.

Wie gefesselt starre ich auf das schwarze Display, in dem ich mein Spiegelbild verschwommen wahrnehmen kann.
Träne für Träne tropft unaufhaltsam auf mein Handy, ehe ich mich dazu in der Lage fühle, es endlich zur Seite zu legen.
Ich hole Luft, doch mein Atem zittert so doll, dass ich schon befürchte, mich zu verschlucken.
Je länger ich probiere, meine Gefühle zu ordnen und unter Kontrolle zu bekommen, desto mehr Tränen strömen mir über die Wangen.
Warum streiten sie sich immer noch so doll?
Warum können sie nicht einfach wie normale erwachsene Menschen handeln?
Und warum macht Papa das, während er mich am Handy hat?

Abermals wische ich mir übers Gesicht, als es an der Tür klopft.
Panisch drehe ich meinen Kopf zur Seite und ziehe die Decke bis unter meine Augen.
Wenn ich jetzt nur aus dem Fenster starre und denjenigen nicht angucke, bleibt das vielleicht alles unbemerkt.
"Dein Lieferservice. Frühstück ans Bett, ein Traum, oder?" Adrians Stimme präsentiert mir seine reizende Laune auf einem Silbertablett, ohne ihm überhaupt einmal ins Gesicht zu gucken.
Kann der Typ nicht einmal frei haben?

Ich denke an Anni zurück, die gestern wie ein verrücktes Huhn durchs Zimmer getigert ist und ständig irgendwelche Fragen gestellt hat. In diesem Moment gab es nur sie und die Fragen zu Adrian, die unbeantwortet zwischen uns standen.
Wie gern ich jetzt so eine aufgeweckte Anni neben mir haben würde, die mich die Streitereien zu Hause, bei denen ich gerade ungewollt Zeuge geworden bin, einfach vergessen lässt.

"Josefine?" Adrians Stimme kippt von genervt zu besorgt. "Alles okay mit dir?"
"Mhm." Dass ich im nächsten Moment geräuschvoll meine Rotze hochziehe, widerlegt das wohl sofort.
"Hast du geweint?"
Ich antworte nicht, schließe einfach meine Augen und ziehe mir die Decke über den Kopf.
Ich höre, wie er das Tablett abstellt, dann seine Schritte, die um das Bett gehen.
"Hey, Josefine, mach mal die Decke weg."
Keine Reaktion meinerseits. Ich versteife mich wie ein Stock und habe nicht vor, mich einen Millimeter zu regen, ehe er noch im Zimmer ist.

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt