93 - Zwischen Gesprächen und Notfällen

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Ich kann es nicht glauben. Meine Augen fahren den gesamten Fahrstuhl ab, als könnte ich plötzlich den Ausweg finden. Doch leider wirkt das keine Wunder und die Türen bleiben verschlossen.
Ich beobachte Adrian nun doch. Aufmerksam. Eindringlich. Er geht nah an die Tür, guckt durch den Spalt zwischen den Türen, der etwas breiter erscheint, als er eigentlich sein sollte.
„Wir stecken zwischen zwei Etagen fest", schlussfolgert er und dreht sich wieder zu mir.

Mir wird heißer. Das kann nicht sein. Meine Muskeln fangen an zu zittern, zu mehr Bewegung sind sie in diesem Moment nicht fähig. „Ich stecke in einem Fahrstuhl fest", lasse ich meine Gedanken raus, kann sie nicht zurückhalten. „Mit dir."
Adrian hebt eine Augenbraue. „Mit mir, da liegst du scheinbar richtig. Bitte bewahre jetzt Ruhe, ja? Panik bringt uns nicht weiter."
Seine Stimme könnte wahrscheinlich gar nicht einfühlsamer sein, doch ich fühle mich trotzdem unwohl. „Mach was", flüstere ich mit dünner Stimme. Das einzige, was ich machen kann, ist, dabei zuzusehen, wie meine letzten Nerven aus dieser festgefahrenen Situation flüchten.

Es dauert kurz, bis jemand auf Adrians Klingeln reagiert. Er schildert die Situation und uns wird versprochen, dass sich darum gekümmert wird. Beruhigend wirkt das ganze dennoch nicht auf mich, es hat eher die gegenteilige Wirkung.
Ist das der Dank dafür, dass ich Adrian konsequent aus dem Weg gegangen bin? Da wäre es mir ja doch lieber gewesen, wenn er gestern erneut unangekündigt bei mir zu Hause aufgetaucht wäre. Da hätte es immerhin etliche Fluchtwege gegeben.
„Hilfe ist unterwegs", sagt er da plötzlich unvermittelt, nachdem er meinen Blick eine Zeit lang stumm erwidert hat.
„Das beruhigt mich eher weniger", gebe ich schroff zurück und schaffe es endlich, meinen Blick von ihm zu lösen. Viele weitere Möglichkeiten, sich mit etwas anderem in einem tristen Fahrstuhl abzulenken, gibt es jedoch nicht gerade.

Adrian verändert seine Haltung, steckt seine Hände in die Hosentaschen und lässt seine Schultern hängen. Er neigt sich zur Seite, sodass er sich anlehnen kann. Scheiße, ich beobachte ihn doch. Jede kleinste Bewegung sauge ich in mir auf. Wie kann man es verfluchen und in derselben Sekunde dennoch lieben, dass ich ausgerechnet mit ihm steckengeblieben bin?
Wie aus heiterem Himmel scheint er alle Unsicherheiten abzulegen, die er uns gegenüber je gehegt hatte. „Was ist los? Was ist passiert, dass es sich so entwickeln konnte?"
„Wir sind in einem Fahrstuhl steckengeblieben! Woher soll ich wissen, warum das passiert ist?"
„Du weißt, dass ich das nicht meine", erwidert er ruhig.
Die Nervosität in mir erreicht einen neuen Pegel. „Du weißt genau, was passiert ist", ringe ich mir schließlich ab, ohne das selbst überhaupt wirklich erklären zu können.
Er atmet tief ein, hält die Luft an, gibt sie mit einem Mal heftig wieder frei. „Also soll ich hellsehen, sagst du? Ich weiß wirklich nicht, was dich stört. Ja, ich verstehe mich mit Anni sehr gut. Aber auf komplett freundschaftlicher Basis. Und die hat damit begonnen, dass ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Sehr große Sorgen."
So sehr ich es auch will, ich kann darauf nicht reagieren. Die Worte kommen bei mir an, mein Kopf kann sie aber kaum verarbeiten. Die ganze Situation ist zu überfordernd und die Umstände machen es nicht besser.
Adrian schluckt, ich weiche seinem Blick aus. „Anni zerbricht sich den Kopf über dich. Viel Kontakt zwischen uns ging um dich, weil wir uns beide Sorgen gemacht haben. Daraus ist eben eine Freundschaft entstanden und wir wollen das beide mit dir klären."

Seine letzten Worte gehen in einem rauschenden Strudel in mir unter. Die Luft wird heißer, dicker, sie steht. Mit jedem Atemzug saugen Adrian und ich mehr Sauerstoff ein, doch es kommt keiner hinterher.
Erwartungsvolles Schweigen umhüllt mich, bis ich den Druck nicht mehr aushalte. „Ich konnte einfach nicht", stoße ich mit einem Schluchzen aus. Der kleine Raum um mich herum beginnt sich zu drehen.
„Fine?"
Adrian verschwimmt vor meinen Augen. Gierig nehme ich einen großen Atemzug, merke, dass nichts ankommt, atme noch mehr, noch tiefer. Die Wände kommen auf mich zu.
„Josefine?"
Seine lockere Haltung verschwindet. Er steht kerzengerade da, die Muskeln in seinen Oberarmen zucken.
Panik brodelt in mir, gibt mir das Gefühl, nie wieder aus dem Fahrstuhl zu kommen. Übelkeit kriecht meinen Hals empor, und als der Fahrstuhl plötzlich heftig ruckelt, gibt es mir den Rest.
Mit einem schrillen, dennoch leisen Aufschrei sinke ich zu Boden. Wir werden hier nicht mehr herauskommen.
„Hey, hey, hey." Adrian kniet sich zu mir. Ich spüre seine Hand auf meinem Arm liegen, doch es fühlt sich merkwürdig an. Mein ganzer Körper wirkt wie betäubt.
„Es wird alles gut. Wir werden hier wieder rauskommen."
Schwach schüttele ich meinen Kopf und drücke meine Handballen auf meine geschlossenen Augen.
„Du musst ruhiger atmen", weist er mich leise an. „Wir werden hier schnell wieder raus sein."

Seine Worte kommen nicht gegen meine Gedanken an. Was ist, wenn es brennt? Wir werden hier ersticken. Was ist, wenn etwas schief läuft? Wir werden hier nicht lebend rauskommen.
„Fine, atme nach meinem Rhythmus. Ein, aus. Ruhig atmen."
Es geht nicht. Mein Körper weigert sich mit allen Mitteln und suggeriert mir, dass ich noch schneller, noch tiefer atmen muss, um überhaupt etwas Sauerstoff zu bekommen.
Ein erneutes, plötzliches und nun noch heftigeres Ruckeln lässt auch Adrian neben mir aufkeuchen.
Wir sind verloren.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 10, 2023 ⏰

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7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt