43 - Wo der Einsatz hinfällt

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Konzentriert tippt Charlotte auf dem Tablet herum. Tiefe Falten liegen auf ihrer Stirn, die von Papa nervös betrachtet werden.
Ihr feines Lächeln, welches sich langsam auf ihrem Gesicht ausbreitet, scheint jedoch jegliche Anspannung verfliegen zu lassen - bei jedem von uns.
"Morgen früh wirst du auf die Kinderstation verlegt", verkündet Charlotte. "Dann muss ich dich hier endlich nicht mehr sehen. Das ist ja kaum auszuhalten. Du gehörst definitiv nicht auf diese Station."
Papa nickt eifrig, als hätte gerade jemand einen kleinen Jungen gefragt, ob er ein Eis möchte. "Eigentlich gehörst du zu uns nach Hause", präzisiert er Charlottes Aussage.
Sie legt ihren Kopf schief. "Das kann noch gute drei Wochen dauern. Mir ist das echt nichts."
Ihre Worte sind wie ein Schlag mit dem Brett. Wie ein Sturzflug. Wie, als würde ich direkt gegen eine Wand rennen. "Drei Wochen?", frage ich entgeistert, ehe ich jammernd in meinem Kissen versinke. "Bitte lass dich heute einen Clown gefrühstückt haben. Du willst mich doch auf den Arm nehmen."
Seufzend wendet sie sich zum Gehen. "Wir werden es sehen. Aber denk nicht daran, dass wir dich entbehren wollen. Und übrigens - es gab heute Morgen Müsli bei mir. Da war kein Clown auf der Packung, ich muss dich enttäuschen." Mit einem Zwinkern in meine Richtung verschwindet sie auf die Gänge der Klinik.

"Super", brumme ich niedergeschlagen. "Was sagst du denn dazu?"
Papa unterbricht sein ausgiebiges Gähnen und guckt mich verwundert an. "Mh? Hast du was gefragt?"
Ich winke ab. "Hol dir lieber einen Kaffee, du kippst mir sonst gleich vom Stuhl."
"Danke", er springt erfreut hoch, als hätte er allein aus meinen Worten Energie getankt, "ich dachte schon, du forderst mich gar nicht mehr dazu auf."

Klopfend macht sich ein nächster vor der Tür bemerkbar, doch ich habe nicht das Bedürfnis, darauf zu antworten.
Auch ohne Antwort geht die Tür auf.
Ich hebe meinen Blick, bewege dabei jedoch meinen Kopf keinen Millimeter. "Was willst du schon wieder?", murre ich weniger erfreut über Adrians Dasein.
"Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Hat sie ihre schlechte Laune verloren?" Er stellt sich ans Fußende meines Bettes und stützt sich abwartend an der Stange ab.
Nun hebe ich meinen Kopf doch und widme ihm ein ironisches Lächeln der extravaganten Sorte. "Wenn ich ehrlich bin-"
"Sei bei deiner Laune lieber nicht ehrlich", fällt er mir ins Wort, wobei seine Lippen ein überhebliches Grinsen bilden.
"Sagst gerade du", zische ich, lasse mich jedoch nicht aus dem Konzept bringen. Wobei sein Lächeln beinahe an meine Grenzen stößt und es mir nicht leicht macht, bei der Sache zu bleiben. Sein Gesicht nimmt ganz andere Züge an, wenn er nicht so mürrisch durch die Gegend starrt. "Wenn ich ehrlich bin, und das bin ich jetzt trotz meiner Laune, dann verstehe ich gerade nicht mehr, warum ich dich vorhin in Schutz genommen habe."

Seine rechte Augenbraue springt nach oben und lässt sein Grinsen verfliegen. Als würde sich bei ihm nur ein Muskel im Gesicht oben halten können. "Warum das denn?"
"Weil du das eigentlich verdient hättest, findest du nicht?"
Langsam richtet er sich aus seiner stützenden Haltung auf. Erst jetzt werde ich mir seiner Größe bewusst. Das waren vorhin locker anderthalb Köpfe, die über mir waren, als er mich zum Bett gestützt hat. "Also eigentlich..." Er legt eine bedeutungsvolle Pause ein, in der er sich erneut ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Diesmal trieft es nur so vor Selbstgefälligkeit. "Bin ich vorhin schon lieb mit dir umgegangen, findest du nicht?"
Das findest du nicht betont er auf die gleiche Art und Weise, wie ich es getan habe, was mich innerlich beinahe zum Brodeln bringt.
"Nein, finde ich nicht", flüstere ich. "Du bist ein richtiger..." Ich beiße mir auf die Unterlippe und verschlucke mich beinahe an dem Wort, welches ich fast ausgesprochen hätte. Allein bei der Vorstellung, wie ich ihn genannt hätte, kriecht mir die Röte in meine Wangen. Miesepeter wäre wohl peinlich geworden.
"Ein richtiger...?", hakt er nach. Sein Grinsen wird immer breiter. "Charmeur, Gentleman, ein richtig toller Pfleger?"
"Du bist ein richtig eingebildeter Typ", lenke ich von meinem eigentlichen Wort ab.
"So?" Da seine Augenbrauen an Ort und Stelle bleiben, dürfen sich seine Mundwinkel weiterhin nach oben schieben. "Von dieser Seite hast du aber noch nicht allzu viel mitbekommen."
Ich schnaube. "Muss ich auch nicht."

7 Jahre Pech (Asds) |2/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt