Kapitel 31

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"Ihr fragt euch sicher, weswegen seit drei Wochen kein Treffen mehr stattgefunden hat."
Im Gegensatz zu Draken pausierte Mikey zwischen seinen Sätzen eine Sekunde, bevor er weiter sprach.
"Vor drei Wochen", fing er an und ließ seinen Blick dabei über die Mitglieder schweifen, "haben Takemichi und Chifuyu das Hauptquartier einer anderen Gang per Zufall ausfindig machen können. Sie heißt Touji."
Chifuyu war angespannt. Takemichi bemerkte dies natürlich und sah im Augenwinkel zu ihm, ehe sein Blick wieder auf ihrem Anführer lag.
"Diese Gang hatte die Intentionen einen Konflikt mit Toman anzuzetteln."
Nun brach die Menge in flüstern aus.
Mitsuya sah kurz zu Takemichi und Chifuyu.
"Ruhe!", schrie Draken und Augenblicklich war es wieder still und Mikey hatte wieder die Aufmerksamkeit aller anwesenden.
"Anstatt dies offen zu tun, haben sie Chifuyu als Geisel genommen."
Erneut war die Unruhe der Mitglieder deutlich zu spüren.
"Chifuyu und ich lagen aufgrund einer Rauchvergiftung im Krankenhaus, nachdem ihr Anführer das Lagerhaus in Brand gesteckt hatte."
Hätten sie dies früher Preis gegeben, während Mikey noch im Koma lag, hätte es Chaos verursacht.
Selbst jetzt waren die Mitglieder unruhig.
"Mikey war im Krankenhaus?", erklang es überraschend aus allen Ecken heraus.
"Unseren Nachforschungen zufolge besitzt Touji zwischen vierzig und fünfzig Mitglieder."
Die Anspannung milderte sich etwas. Toman, mit seinen 450 Mitgliedern, würde diese Minigang problemlos auseinander nehmen. So viel war klar.
"Diese Gang spielt nicht mit fairen Mitteln."
Damit zog Mikey die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Ich will, dass ihr sofort alles meldet, was euch verdächtig vorkommt."
Erneut kam geflüster auf. Fünfzig Leute und Mikey empfand sie als Bedrohung?
Kisakis Blick wanderte von Mikey zu Draken, dessen Blick konstant auf Mikey gerichtet war. Sein eigener Blick war dabei nicht zu deuten. Anschließend blickte er wieder zu deren Anführer.
Draken stellte sich schließlich wieder zu Mikey, nachdem jener über seine Schulter zu ihm gesehen hatte.
"Irgendwelche ungeklärten Fragen?", fragte er, nachdem er neben Mikey wieder zum Stehen kam.
Einer der Mitglieder hob seine Hand, woraufhin alle zu ihm blickten.
"Was will diese Gang dadurch erreichen?"
"Ja, immerhin sind wir 450 Mann stark."
"Wir machen sie fertig!"
"Mit Leichtigkeit!"
Die Menge wurde wieder lauter.
Es konnte nicht sein, dass Mikey sie überhaupt als Gegner ansah. Was waren schon 50 Mann?
Andererseits war er bereits wegen ihnen im Krankenhaus gelandet. Eine Tatsache, welche mehr als die Hälfte der Gangmitglieder nicht einsehen wollten.
"Ihr Anführer will mich tot sehen."
Kaum hatte Mikey diese Worte ausgesprochen fielen die glücklichen und zuversichtlichen Gesichter der Männer regelrecht unter die Erdoberfläche. Gleichzeitig wurde es auf einen Schlag totenstill. Niemand traute sich mehr seinen Mund zu öffnen.
Da hob Kisaki seine Hand. Jeder der Anwesenden war überrascht, dass Kisaki sich noch traute etwas zu Fragen, oder gar den Mund überhaupt noch zu öffnen.
Mikeys und Kisakis Blicke kreuzten sich. Auch Draken sah zu ihm, genau so wie jeder andere, der sich zu jenem Zeitpunkt in den Reihen der Mitglieder befand.
"Wer ist dieser Mann?"
Drakens Blick lag augenblicklich wieder auf Mikey.
"Mi-", doch jener ignorierte sein flüstern und die große Hand, welche Draken auf seine Schulter legte.
"Kazutora."
Mikey wusste, dass es Draken nicht gefiel, dass er seinen Namen vor den anwesenden erwähnte. Er hatte ihn schließlich nicht ohne Grund aus seiner Erzählung heraus gelassen.
Kisaki hatte dies natürlich bemerkt und eins und eins zusammen gezählt.
Während Mikey dessen Namen aussprach, war sein Blick beinahe leer. Takemichi fuhr bei dem Anblick ein kalter Schauer über den Rücken. Chifuyu gefiel die Szene, welche sich gerade abspielte, ebenso absolut gar nicht. Auch Mitsuya verengte die Augen kaum merklich, als er den Namen hörte. Allerdings aus einem anderen Grund.
Drakens Finger bohrten sich leicht in Mikeys Schulter, doch jener schenkte ihm keine Aufmerksamkeit.
Stattdessen sah er wieder in die Menge.
"Weitere Fragen?"
Dadurch, dass nun auch Mikeys Stimme kalt wurde, war die Atmosphäre regelrecht erstickend angespannt.
Doch keiner hob seine Hand und keiner öffnete mehr seinen Mund.
"Das war's für heute."
Die Leute blieben noch kurz stehen und tauschten einige Blicke aus.
Mikey drehte ihnen den Rücken zu, wodurch Drakens Hand von seiner Schulter rutschte und wollte sich an einen Baum lehnen, um sicher zu gehen, dass niemand etwas mit ihm noch unter vier Augen besprechen wollte.
"Was sollte das?", flüsterte Draken agitiert, sobald er sie außer hörbarer Reichweite zu wissen glaubte.
"Was das soll? Ich habe eine Frage beantwortet."
Mikey blieb mit dem Rücken zu Draken stehen.
"Du erinnerst dich an Bajis Worte? Er hätte das nicht gewollt."
"Natürlich hätte er das nicht. Glaubst du ich will das?"
Ihre Blicke trafen sich. Draken fühlte sich erneut so, als blicke er in zwei tiefe schwarze Löcher. Mikeys blick war eiskalt, sodass sich Draken bereits die Haare im Nacken aufstellten.
"Natürlich nicht. Aber-"
"Er hat nicht nur mich angegriffen. Er hat auch Chifuyu und Takemichi angegriffen."
Draken sah auf den Boden. Das war nicht der wahre Mikey. Immer wenn es um Kazutora ging, veränderte sich die Atmosphäre. Beinahe als bekämme Mikey blutlust.
Mit den Jahren wurde es nur schlimmer. Mikeys Persönlichkeit drehte sich um 180 Grad wann immer das Thema auf ihn fiel.
Seine Augen wurde so leer und so kalt. Als interessiere ihn nichts anderes als Rache. Rache für seinen Bruder und Rache für Baji.
Dieser Mikey ließ nicht mit sich reden.
Draken hatte keine Angst vor Mikey. Doch in diesem Zustand war er nicht einmal mehr sicher, ob die Person, welche sich ihm gegenüber befand wirklich Mikey war.
"Ich werde ihm niemals verzeihen für das was er getan hat."
Mikey ballte seine Hände zu Fäusten.
"Und Toman soll dies auch nicht."
Mit einem Mal hatten sie wieder Blickkontakt.
"Wenn du so weiter machst, wirst du noch im Gefängnis landen."
"Und wenn schon."
"Du kannst Toman nicht mit dir in den Abgrund reißen. Das zwischen dir und Kazutora ist eure Sache."
"Er war ein Mitglied in Toman. Er hat uns verraten und eines unserer Mitglieder getötet."
"Er hat unseren Freund getötet." Langsam aber sicher wurde Draken verzweifelt. "Du kannst nicht klar denken."
"Ich habe nie klarer denken können."
"Ich werde das nicht zulassen."
"Versuch doch mich aufzuhalten."
Mikeys kalte Stimme Klang fast provokant. Als wäre dies eine Herausforderung.
"Jetzt hast du vollständig den Verstand verloren."
Mikey verengte leicht die Augen. "Verschwinde." Er fühlte das Adrenalin in seinen Adern. Wenn Draken nicht sofort gehen würde, konnte er für nichts mehr garantieren.
Kazutora hatte seinen Bruder getötet. Er hatte Baji getötet und beinahe hätte er auch Chifuyu das Leben genommen. Beinahe hätte er sein eigenes Leben wegen ihm verloren und Draken bestand darauf seinen Namen vor der restlichen Gang geheim zu halten?!
Zudem bestand er noch darauf ihn nicht suchen zu gehen und ihn nicht hinter Gitter zu bringen! Sollte er ihn nach all dem einfach so davonkommen lassen?!
Hatte Draken überhaupt Angst um ihn gehabt? Hatte es ihn überhaupt gejuckt, dass er wegen Kazutora zwei Wochen im Koma lag?!
Wie konnte er Kazutora nicht ebenso tot sehen wollen, wie er dies tat?!
Draken hingegen hatte Angst, dass Mikey versuchen würde Kazutora bei ihrem nächsten Treffen das Leben zu nehmen. Er fürchtete Mikeys Persönlichkeit würde sich damit vollständig verändern. Er hatte Angst, er würde zu einem Monster werden. Gleichzeitig fürchtete er, dass Mikey im Todestrakt enden könnte. Doch Mikey schien so versessen darauf zu sein, dass er nicht mehr mit sich reden ließ.
Stattdessen war er nun sauer auf ihn und warf ihm vor, er würde Kazutora in den Schutz nehmen wollen.
Draken konnte den Wandel seiner Persönlichkeit nicht mit an sehen. Sein Blick fiel auf Mikeys Hände, welche noch immer zu Fäusten geballt waren.
"Jetzt.", zischte dieser.
Dem Blondschopf fiel es schwer sich zurückzuhalten, wenn er so wütend war wie in jenem Moment. Er war viel zu impulsiv. Dies wusste er selbst. Doch konnte er nichts dagegen tun. Die Wut schien ihm regelrecht die Luft aus den Lungen zu pressen.
"Weißt du was? Versauer doch im Gefängnis."
Draken ballte seine Hände zu Fäusten, drehte Mikey den Rücken zu und lief zu seinem Motorrad, welches auf dem Parkplatz vor dem Schrein stand.

Draken X Mikey X Kisaki - One More NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt