Kapitel 56

211 16 17
                                    

Mikey war dazu über gegangen ihn wieder so zu nennen, wie er es früher getan hatte. Ziemlich wahrscheinlich hatte er darüber gar keinen Gedanken verschwendet. Stattdessen hatte er sich zuvor immer wieder daran erinnern müssen ihn mit Draken anzusprechen.
Vielleicht unterstützte dies aber auch nur seine Verzweiflung. Er wollte die alte Zeit zurück haben. Er wollte ihm wieder so nah sein wie damals.
Draken gab sein bestes Mikey zuzuhören. Der Alkohol hatte ihm dies erschwert, doch diese Unterhaltung war wichtig.
Als Mikey schließlich erneut zu schluchzend begann und Mikey seine Stirn gegen seine Brust drückte, um seine Tränen vor ihm zu verstecken, legte Draken seine Hand auf dessen Hinterkopf.
"Ich könnte dir niemals das Leben nehmen, Mikey."
Dass er überhaupt so etwas von sich gab brachte Draken zur Weißglut.
Morgen würde er Kisaki einen Besuch abstatten müssen.
Da Draken noch nichts auf sein Geständnis erwidert hatte, ging der jüngere davon aus, dass jener seine Gefühle nicht teilte.
Der rotschopf war jedoch äußerst irritiert darüber, dass Draken ihn nicht von sich stieß.
Als er sich also das zweite Mal etwas abgeregt hatte, hob er den Blick an und sah Draken in die Augen.
Jener legte seine Hände an Mikeys Wangen und fuhr ihm die Tränen weg.
Da bemerkte der kleinere erst, dass ihn Draken weinen gesehen hatte. Daher blickte er kurz seitlich auf die Matratze hinab. Am liebsten hätte er den Kopf ebenso zur Seite gedreht, jedoch machte es jetzt wohl keinen Unterschied mehr. Schließlich hatte er ihn bereits weinen gesehen. Außerdem befand sich Mikeys Gesicht noch immer in Drakens Händen.
'Du bist echt unfair', dachte sich Mikey und ihm kullerten erneut zwei Tränen über die Wangen.
"Ich liebe dich." Augenblicklich schienen die Tränen zu stoppen und Mikey sah zu seinem gegenüber. Draken wischte ihm noch die letzten zwei mit den Daumen aus dem Gesicht, ehe sich ihre Blicke wieder kreuzten.
Ungläubig sah Mikey ihn an. Hatte er sich das gerade vorgestellt? Hatte er vergessen, dass er wieder Drogen genommen hatte? Hatte er das eben wirklich gesagt, oder war es eine Halluzination gewesen?
Draken legte seine Lippen auf Mikeys, welcher auf einen Schlag wieder glasige Augen bekam, ehe er den Kuss erwiderte.

Während die Nacht in der Zukunft für sie beide um einiges besser verlief, war der Mikey in der Vergangenheit vollkommen zerstört.
Er war noch einige Zeit an der Holzwand in dem Schrein stehen geblieben, nachdem Kisaki jenen verlassen hatte.
Erst nachdem er mehrere Minuten Löcher in die Luft gestarrt hatte, glitt der Blondschopf kraftlos an der Wand hinab. Seine Beine halb angewinkelt, seine Hände schlaff neben seinem Körper hängend.
Er hatte nicht einmal mehr die Kraft um zu weinen, obgleich er in jenem Moment nichts lieber getan hätte.
Er ließ seinen Kopf hängen und schloss die Augen. Ganz leise konnte er die Geräusche von den vorbeifahrenden Autos hören.
Da der Schrein allerdings relativ weit von der Hauptstraße entfernt war, fielen jene nur äußerst gedämpft aus.
Er hörte seinen eigenen Atem. So still war seine Umgebung.
Mikey lehnte seinen Kopf an der Wand hinter ihm an.
Draken war garantiert schon bei sich zuhause. Wenn er jetzt dort aufschlagen würde und sich entschuldigen würde, würde dies etwas ändern?
Kisaki hatte ihn so stark verunsichert, dass er bei der bloßen Vorstellung daran vor Drakens Tür zu stehen zu zittern begann.
Mikey erinnerte sich an Drakens Gesichtsausdruck als er ihm die Wahrheit erzählt hatte. Es war zu Beginn so gewesen. Doch schon nach ihrem ersten Mal war ihm klar geworden, dass er dies nie als Selbstverletzung verwenden könnte. Trotzdem wollte er nicht aufhören mit Draken zu schlafen.
Seine Berührungen, die Art und Weise wie er ihn zu Beginn an fasste, so vorsichtig und nervös einen Fehler zu machen. Wie könnte er ihren Sex jemals als Selbstverletzung missbrauchen?
Selbst das letzte Mal traf es dies nur zum Teil. Er wollte es alles. Zwar wollte er auch, dass ihm Draken für sein Verhalten eine verpasste, aber er wollte es dennoch alles. Alles was er gesagt hatte.
Er hatte Draken nicht angelogen.
Noch immer wollte er seinen unregelmäßigen Atem hören. Er wollte seine Stimme hören, wie er seinen Namen stöhnte. Er wollte ihn berühren können.
Mikey wollte so vieles, dass es ihm beinahe die Luft abschnitt.
Er wollte Drakens Atem in seinem Nacken spüren. Er wollte ihm die Kleidung ausziehen und ihn küssen können. Er wollte ihn Lächeln sehen und er wollte ihm sagen, dass er ihn liebte.
Mikey legte seine linke Hand über seine Augen.
Jetzt würde er dies niemals können.
Er erinnerte sich an Drakens Worte. Er hatte lang darüber nachgedacht Toman zu verlassen und er hat sich dafür entscheiden.
Niemals im Leben würde er sich dagegen entscheiden, nur, weil er ihm seine Liebe gestehen würde. Nicht nach all dem, was er ihm angetan hatte, dadurch dass er ihm die Wahrheit erzählt hatte.
Hätte ihm Draken dies erzählt, hätte er vermutlich genau so reagiert.
Jetzt hatte er das worauf er eigentlich aus war. Nicht mit Draken, aber mit Kisaki. Eigentlich sollte er darüber doch glücklich sein, doch das war er nicht.
Mikey senkte seinen linken Arm wieder und lehnte sich erneut mit dem Kopf an der Holzwand an.
So saß er ein paar weitere Minuten da, seine Gedanken leergefegt, bis er sich endlich dazu aufraffen konnte aufzustehen.
Mikey zog seine Boxer und seine Hose hoch. Sein Oberteil und seinen Mantel hatte ihm Kisaki gar nicht ausgezogen.
Der Blondschopf blieb vor der Tür stehen und wartete einige Augenblicke, um sicher zu gehen, dass niemand vor ihr stand. Dann schob er sie zur Seite und stieg über den Holzsteg nach draußen.
Sofort kam ihm eine kalte Briese entgegen, welche seine zerzaust Haare nach hinten wehte.
Mikey zog seinen Mantel etwas enger um ihn und schloss dann hinter ihm die Tür.
Niemand war mehr da. Er war vollkommen allein.
Normalerweise hatte ihn Draken nach Versammlungen immer mit nach Hause begleitet. Es war seltsam die Stufen des Schreins alleine hinab zu laufen. Es war sehr seltsam niemanden zu haben, mit dem er reden konnte.
Die Wolken verdeckten die Sterne. Der fahle Mondschein erhellte die Stufen. In unregelmäßigen Abständen reihten sich Straßenlaternen an den Seiten des Weges. Doch auch ihr Lichtkegel erhellte nur einen kleinen Bruchteil der Strecke bis hin zur Hauptstraße.
Das einzige Geräusch, was die Stille übertönte, waren seine gleichmäßigen Schritte.
Mikeys Blick lag auf seinen Füßen. Nie kam ihm der nachhause Weg so unendlich lang vor.

Draken X Mikey X Kisaki - One More NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt