Kapitel 55

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Draken sah besorgt zu Mikey, doch jener schien die Verletzungen gewohnt zu sein. Ihn ließ der Blick kalt.
Nach einer Weile der Stille erhob Draken wieder die Stimme.
"Weswegen hast du Chifuyu geschlagen?"
"Kisaki kann dich nicht ausstehen.", sagte Mikey während sein Blick auf Draken lag, "Immer wenn ich deinen Namen in seiner Anwesenheit erwähnt habe, hat er mich ausgepeitscht."
Kisaki wollte damit auf Nummer sicher gehen, dass Mikey nicht auf die Idee kam doch zurück zu Draken zu gehen.
Sie beide wussten, dass er die einzige Person war, die sich Mikey anvertrauen konnte.
Solange Draken weit entfernt war, gab es niemanden, der Mikey helfen konnte. Niemanden, dem er sich offen anvertrauen konnte.
Somit gab es auch niemanden, den Kisaki fürchten musste.
"Ich habe befürchtet, dass es heute genau so laufen würde." Mikey versenkte die Finger seiner linken Hand in seinen Haaren. "Daher war ich wütend auf Chifuyu. Wobei eigentlich", Mikey schluckte, "eigentlich hatte ich nur Angst vor Kisaki."
Draken rückte etwas weiter nach vorne und umarmte den Rotschopf.
In jenem Moment, in welchem Mikey so kraftlos in seinen Armen lag, schwor er sich alles in seiner Macht stehende zu tun, um den Rotschopf bei sich zu behalten und ihn vor Kisaki zu beschützen.
Der rothaarige hatte sich mittlerweile an die Schmerzen gewöhnt und so zuckte er nicht einmal mehr zusammen, als ihn Draken an sich drückte.
Wobei jener dies noch äußerst vorsichtig tat.
Seit zwölf Jahren hatte Mikey diese Art der Zuneigung nun nicht mehr erfahren können. Seit er jene Konversation mit Draken hatte, hatte ihn niemand mehr umarmt außer Kisaki und seine Umarmungen waren mehr dazu gedacht Mikey Angst einzuflößen, als ihm emotional weiter zu helfen.
So konnte er nicht anders als sich an Draken zu klammern und zu schluchzen zu beginnen.
All die Jahre hatte er die ganzen Schmerzen ignoriert, weil er dachte, dass Draken ihn sicher von sich stoßen würde. Er hatte alles über sich ergehen lassen, weil er befürchtete erneut abgewiesen zu werden.
Schmerzen zu empfinden war besser, als vollständig allein zu sein.
Dies hatte er sich Tag für Tag eingeredet. Er hatte seine Angst, seine Frust und seine Trauer im Alkohol ertränkt und seine Schmerzen mit Drogen betäubt.
Das einzige, was ihm diese Substanzen nicht geben konnten war Körperkontakt.
Sie konnten ihm das Gefühl der Einsamkeit nicht nehmen.
Deswegen hatte er es nie fertig gebracht sich von Kisaki zu trennen. Ganz egal was er mit ihm angestellt hatte. Solange er da war, solange er in seinen Armen einschlafen konnte, fühlte sich Mikey nicht ganz so wertlos. Er fühlte sich nicht länger einsam.
Dies war um einiges schlimmer als jede Art von Droge.
Menschen unterschätzen die Auswirkungen von Einsamkeit zu sehr. Es ist die schlimmste Form von Folter.
Das Gegenmittel machte süchtig.
Nachdem sich eine Person so lange einsam gefühlt hatte, tat sie alles um dieses Gefühl nicht noch einmal durchleben zu müssen.
Doch jetzt, wo ihn Draken in den Armen hielt, wusste er, dass er sich all die Jahre selbst angelogen hatte.
"Es tut mir leid. Alles tut mir leid." Mikey versenkte seine Finger in dem Stoff von Drakens Pullover. "Alles was ich gesagt habe. Alles was ich getan habe. Es gab nicht eine Sekunde, in der ich es alles nicht bereut habe."
Mikeys Körper zitterte. Er wollte Draken am liebsten gar nicht mehr los lassen.
"Toman ist korrupt geworden. Sie haben angefangen Drogen zu verkaufen und Straftaten zu begehen. Ich stand so neben mir, dass ich das alles erst erfahren habe, als es bereits zu spät war und ich es nicht mehr rückgängig machen konnte."
Mikey klang verzweifelt.
"Ich kam mit all dem nicht klar. Ich war so fokussiert auf die Schmerzen gewesen, dass ich Toman vernachlässigt habe. Ich... Ich habe sie alle im Stich gelassen..."
Unzählige Tränen gelitten Mikeys Wangen hinab. Noch nie hatte er vor irgendwem geweint. Weder vor einem Gegner, noch vor Draken. Selbst vor Kisaki hatte er seine Tränen immer versteckt gehalten. Er hatte seinen Kopf zur Seite gedreht und gebeten jener würde nicht zu ihm sehen.
"Ken-chin, ich habe versagt... Ich... Ich habe mir nie verzeihen können was ich dir angetan habe."
Drakens Pullover wurde durch Mikeys Tränen nass. Jener dachte allerdings nicht einmal im Traum daran ihn deswegen los zu lassen. Stattdessen musste er sich zusammen reißen ihn nicht fester an sich zu drücken. Immerhin wollte er ihm die psychischen Schmerzen nehmen ohne dabei die physischen schlimmer zu machen.
"Ich habe nicht mehr in den Spiegel sehen können deswegen."
Mikey gab sein bestes sein zittern zu unterdrücken.
"Ich hatte Angst vor Kisaki."
Jeder hätte wohl Angst vor dem Mann, der einen auf diese Art und Weise misshandelte. Es war nur natürlich. Es wäre eher seltsam, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre.
Draken biss sich auf die Lippe. Er wollte Mikey in seinem Redefluss nicht unterbrechen und so gab er sein bestes sich selbst daran zu hindern einen Kommentar gegen Kisaki abzugeben. Etwas, was eindeutig sehr schwer war, wenn man bedachte, was er so eben in Erfahrung gebracht hatte.
"Ich... Ich wollte dich nie verlieren. Ich bin jeden Tag an dem Nachtclub vorbei gelaufen, aber ich habe mich nie dazu durchringen können hinein zu gehen."
Draken sah zu Mikey hinab. Er wollte ihm sagen, dass jetzt alles in Ordnung war. Er wollte ihm sagen, dass er sich nun in Sicherheit befand und sich alles zum guten wenden würde.
Draken brach es das Herz Mikey so zu sehen. Chifuyu hatte recht. Mikeys Persönlichkeit hatte sich um 180 Grad gewendet, doch in einem ganz anderen Sinne, als sie alle angenommen hatten.
Er war ängstlich geworden. Sein Selbstvertrauen wirkte gespielt. Mikey wirkte die ganze Zeit so abwesend und er hatte ihn nicht ein einziges Mal Lächeln gesehen, seit er sich in der Zukunft befand.
"Ich dachte... Ich dachte du hasst mich...und ich... Ich bin so ein Idiot."
Mikey ignorierte die Schmerzen und drückte sich weiterhin an Draken, als hinge sein Leben davon ab.
"Ich habe die einzige Person verletzt, die ich jemals geliebt habe."
Langsam regte sich der rothaarige Mann wieder ab, wodurch sich sein Griff um den größeren etwas lockerte.
"Ich liebe dich immer noch, Ken-chin. Es ist viel zu viel verlangt um Vergebung zu bitten... Also bitte... Wenn du meine Liebe nicht erwidern kannst, bring mich um. Ich kann so einfach nicht weiter leben."
Kaum hatte er den letzten Satz ausgesprochen, begann Mikey erneut zu schluchzen.

Draken X Mikey X Kisaki - One More NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt